387/J XXI.GP

 

                                                               ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Justiz

 

betreffend die anti - homosexuelle Sonderstrafbestimmung § 209 StGB

 

 

Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat im Fall Sutherland bereits am

01.07.97 ausdrücklich höhere Altersgrenzen für homosexuelle als für heterosexuelle

Beziehungen als Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 8, 14

EMRK) erkannt. UNO, Europarat und EU verlangen seit Jahren einheitliche

Altersgrenzen. Das EU - Parlament hat Österreich in den letzten drei Jahren viermal, davon

allein im Jahr 1998 dreimal, zweimal während seiner EU - Präsidentschaft, zuletzt am

17.12.98, dringend aufgefordert, § 209 endlich aufzuheben und alle (ausschließlich)

danach zu Freiheitsstrafen Verurteilten zu begnadigen. Am 11. November 1998 hat sogar

der Menschenrechtsausschuß der Vereinten Nationen von Österreich verlangt, das

diskriminierende Mindestalter zu beseitigen („concluding observations“ zu Österreichs

Bericht gem. Art. 40 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte,

11.11.1998).

 

Die von § 209 StGB (zusätzlich zu anderen Tatbeständen) erfaßten „Taten“ sind (auch in

Österreich) im heterosexuellen und lesbischen Bereich völlig legal; sie interessieren dort

keine Sicherheits - und keine Strafverfolgungsbehörde. Sexuelle Gewalt, „Schändung“,

sexueller Mißbrauch von Kindern, Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses, Zuführung zur

Prostitution, Zuhälterei, Menschenhandel und öffentliche sexuelle Handlungen sind samt

und sonders nach anderen Bestimmungen strafbar (§§ 201 - 218 StGB). Alleinige Funktion

des § 209 StGB ist es daher, einverständliche sexuelle Beziehungen von mündigen

Staatsbürgern zu kriminalisieren, und dies ausschließlich zwischen Männern, während

entsprechende Beziehungen zwischen Frauen bzw. zwischen Frauen und Männern legal

sind.

 

Am 16. März 1999 hat der damals amtierende Justizminister Dr. Nikolaus Michalek

mitgeteilt, daß sich „zum Stichtag 1. März 1999... in den österreichischen Justizanstalten

insgesamt 11 Personen wegen § 209 StGB in Haft (befanden), davon 5

Untersuchungshäftlinge und 5 Strafgefangene. Eine Person wurde im Maßnahmenvollzug

gemäß § 21 Abs. 2 StGB angehalten“. (XX.GP. - NR 5312/AB, 19.03.1999 zu 5551/J =

7381/1 - Pr 1/1999).

 

Diese Personen werden wegen ihrer sexuellen Orientierung in Haft gehalten, sind also

„Gewissensgefangene“ im Sinne des Mandats von amnesty international.

 

Sie selbst, sehr geehrter Herr Bundesminister, haben die derzeitige Gesetzeslage als

„Mittelalter“ bezeichnet (XX.GP. - NR 47. Sitzung, 27.11.1996).

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Justiz die

folgende

 

 

                                                       ANFRAGE:

 

 

 

1.             Wie oft ist im Jahre 1999 auf Grund § 209 StGB (als alleiniges bzw. als führendes

                Delikt) Untersuchungshaft verhängt worden (aufgeschlüsselt nach

                Gerichtshöfen)? Wie oft bei unbescholtenen Ersttätern nach § 209 StGB?

 

2.             In wievielen Fällen ist 1999 bei unbescholtenen Ersttätern nach § 209 StGB eine

                teilbedingte oder unbedingte Freiheitsstrafe verhängt worden (aufgeschlüsselt

                nach Gerichtshöfen)? Wie hoch waren diese Freiheitsstrafen?

 

3.             Wieviele Personen befinden sich derzeit wegen § 209 StGB (als alleiniges oder

                führendes Delikt) in Untersuchungs - bzw. Strafhaft, wieviele im

                Maßnahmenvollzug (aufgeschlüsselt nach § 21 Abs. 1, § 21 Abs. 2, § 22, § 23

                StGB)?

 

4.             Halten Sie angesichts der Entscheidung der Europäischen Kommission für

                Menschenrechte im Fall Sutherland sowie der Aufforderung durch den

                Menschenrechtsausschuß der Vereinten Nationen, § 209 zu streichen, und der

                gleichlautenden zahlreichen, immer häufiger werdenden internationalen

                menschenrechtlichen Appelle an Österreich, die Verhängung von

                Untersuchungshaft bzw. einer Freiheitsstrafe auf Grund von § 209 StGB noch als

                verhältnismäßig?

 

5.             Nach welchen Kriterien würden Sie dem Herrn Bundespräsidenten die

                Niederschlagung eines auf § 209 StGB gegründeten Strafverfahrens

                vorschlagen?

 

6.             Nach welchen Kriterien würden Sie dem Herrn Bundespräsidenten die

                Begnadigung eines nach § 209 StGB Verurteilten vorschlagen?