3898/J XXI.GP

Eingelangt am: 21.05.2002

ANFRAGE

der Abgeordneten Mag.Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Landesverteidigung


betreffend Traditionspflege des österreichischen Bundesheeres im Zusammenhang
mit Widerstand und Verweigerung gegen den Nationalsozialismus

In Deutschland wurde am 8. Mai 2000 erstmals eine Kaserne der Bundeswehr nach

einem Wehrmachtsoldaten benannt, der bis zu 300 Jüdinnen und Juden rettete und

deshalb von einem Kriegsgericht der Wehrmacht zum Tode verurteilt und erschossen

wurde. Es handelt sich dabei um den aus Wien stammenden Feldwebel der

Wehrmacht Anton Schmid.

Ist es nicht außerordentlich beschämend, dass in Deutschland Kasernen nach

österreichischen Opfern der NS-Militärjustiz benannt werden, während ihnen in

Österreich diese Ehre verwehrt bleibt?

In Deutschland hat es 55 Jahre gedauert, bis auf diese Weise Anton Schmid gedacht

wurde- warum nicht auch in Österreich?

Wäre es angesichts des lobenswerten Beispiels der deutschen Bundeswehr nicht

höchste Zeit, endlich auch in der Traditionspflege des Bundesheeres neue Wege zu

gehen? Das Bundesministerium für Landesverteidigung hat bis heute sehr wenig

getan, um denjenigen Österreicherinnen zu gedenken, die während der Zeit des

Nationalsozialismus Menschlichkeit, Mut und Zivilcourage bewiesen haben. Ist es

nicht Auftrag und Pflicht jedes Soldaten oder jeder Soldatin, genau für diese Werte

einzutreten und sie zu verteidigen? Der Aufforderung an Soldaten und Soldatinnen,

Unrecht zu erkennen und diesem entschlossen zu begegnen, könnte damit ein

positiver Impuls gegeben werden.

Welche Taten hat das österreichische Bundesheer bis heute in diesem Bereich

gesetzt? Die Denkmalsetzung für Josef Ritter von Gadolla, der die Rettung der Stadt

Gotha mit seinem Leben bezahlen musste, ist ein erster Schritt, dem allerdings

weitreichendere folgen müssen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.  Gibt es im österreichischen Bundesheer Anknüpfungspunkte einer

Traditionspflege betreffend Widerstand und Befehlsverweigerungen in der
Deutschen Wehrmacht?

2. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Person als
Namensgeberln für eine Kaserne in Frage kommen kann?


3.  In einem Brief an den Präsidenten des Nationalrates (vgl. profil 14, 2002)
sprechen Sie im Zusammenhang von Namensgebungen von Kasernen von
"einem schier unerschöpflichen Thema." Es folgt ein Verweis auf
Missverständnisse oder Angriffe ideologischer Natur. Was für
"Missverständnisse" können bei einer Kasernenbenennung nach einem
Widerstandskämpfer oder Wehrmachtsdeserteur entstehen? Welche Risse
innerhalb unserer Gesellschaft befürchten Sie bei solch einem Schritt?

4.  Gibt es Kasernen, die nach Amtsträgern des Nationalsozialismus oder des
Austrofaschismus benannt sind? Wenn ja, welche sind das, und ist es geplant
diese Kasernen umzubenennen?

5.  Warum wurden bis heute so wenige Kasernen nach

Widerstandskämpferinnen oder nach Befehlsverweigerern gegen den
Nationalsozialismus benannt?

6.  Planen Sie, Kasernen nach Widerstandskämpferinnen oder nach Opfern der
NS-Militärgerichtsbarkeit zu benennen?

7. Was waren die letzten diskutierten Fälle in der im BMLV eingerichteten
Denkmalkommission bei Überlegungen hinsichtlich der Namensgebung?
Stehen Namensänderungen von Kasernen kurz vor einer Verabschiedung?

8. Wie viele Denkmäler für Widerstandskämpferinnen oder Opfer der NS-
Militärgerichtsbarkeit existieren derzeit in Kasernen und sonstigen
Räumlichkeiten des Bundesheeres?

9.  Gibt es ein Denkmal oder eine Gedenkstätte für hingerichtete

Wehrmachtsdeserteure in Kasernen und sonstigen Räumlichkeiten des
Bundesheeres? Wenn nein, warum nicht?

10. Sehen Sie als amtierender Verteidigungsminister der demokratischen

Republik Österreich Wehrmachtsdeserteure nach wie vor im selben Licht, wie
Sie es anlässlich eines profil-Interviews (profil 29, vom 19.7.1999)
verlautbarten? Gibt es für Sie einen Unterschied zwischen einer Desertion im
Dritten Reich und einer aus dem österreichischen Bundesheer?

11. War ihrer Meinung nach nicht jede Desertion im Dritten Reich ein aktiver
Beitrag zur Niederlage des NS-Regimes? Ist es nicht gerade auch den
Deserteuren zu verdanken, dass ein unabhängiges demokratisches Österreich
erst entstehen konnte? Wenn nein, warum nicht?

12. Warum fällt es dem österreichischen Bundesheer so schwer, sich klar und
eindeutig zur Rehabilitierung und Anerkennung von Wehrmachtsdeserteuren
zu bekennen? Diese Menschen haben sich, aus welchen Motiven auch immer,
einem völkerrechtswidrigen Angriffs-, und Vernichtungskrieg entzogen.

13.Im Zuge der Nationalratsdebatte (180. Sitzung, XX. GP) wiesen Sie darauf
hin, dass “die Generation unserer Väter und Großväter zu verteidigen" ist.
Was empfinden Sie, wenn sich Neonazis bei ihrem Aufmarsch am Heldenplatz


und beim Marsch durch die Wiener Innenstadt mit den selben Parolen
schmückten?

14. In welchen Formen gibt es eine Zusammenarbeit des Verteidigungsressorts
mit dem Österreichischen Kameradschaftsbund? Gibt es auch eine
Zusammenarbeit in irgend einer Form mit der Arbeitsgemeinschaft der
"Kameradschaft IV"?

15. Trägt das Verteidigungsressort irgendwelche Kosten (wie z.B. Kranzspenden)
für das Ehrengrab von Major Walter Nowotny am Zentralfriedhof? Hat das
Bundesheer schon einmal eine Abordnung anlässlich des Todestages von
Walter Nowotny zum Ehrengrab geschickt?

16. Seit der Verabschiedung des sogenannten "Traditionserlasses" ist schon
wieder einige Zeit vergangen. Darin heißt es dass "vorbildhafte und im
Einzelfall zu prüfende Verhaltensweisen von Österreichern in der Deutschen
Wehrmacht und von Männern und Frauen des proösterreichischen
Widerstandes ein Element der Traditionspflege" seien. Haben Sie seit dem
Erlass irgendwelche Aktivitäten in diese Richtung gesetzt?