3938/J XXI.GP
Eingelangt am: 23.05.2002
ANFRAGE
der Abgeordneten Lichtenberger, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Zustimmung Österreichs
zu wettbewerbsverzerrenden und verkehrs-
steigernden Steuerbegünstigungen für
LKW-Diesel in Transit-Quellstaaten
Einige
wesentliche Quellstaaten für den LKW-Transit durch Österreich und die
gesamte Sensible Zone Alpen, nämlich die Niederlande, Italien und
Frankreich,
gewähren ihren Transportunternehmern beträchtliche
Steuerbegünstigungen bei der
Mineralölsteuer auf Dieseltreibstoff. Diese Praxis wurde im Zusammenhang
mit
Preissprüngen bei den Öl- und Treibstoffpreisen im Herbst 2000 auf
EU-Ebene mit
Zustimmung von FPÖ-Finanzminister Grasser erlaubt bzw. legalisiert. Diese
Subventionierung führt zu einer weiteren Verbilligung des LKW-
Langstreckengüterverkehrs, der ohnedies seine Kosten bei weitem nicht
trägt.
Zudem verzerrt sie den Wettbewerb zwischen Unternehmern unterschiedlicher
Provenienz innerhalb der EU ebenso wie zwischen dem Verkehrsträger LKW und
anderen, ökologisch wesentlich
vorteilhafteren Verkehrsträgern. Damit wird der LKW-
Transit, unter dem in Österreich und im
sensiblen Alpenraum große
Bevölkerungsteile und die Umwelt besonders leiden, weiter erleichtert.
Kürzlich wurde nun bekannt, dass die Republik Österreich trotz dieser
Kritikpunkte
und der eigenen negativen Betroffenheit die
erwähnten Staaten bei ihren
wettbewerbsverzerrenden, menschen- und
umweltbeeinträchtigenden Praktiken aktiv
unterstützt. Österreichs Regierungsvertreter stärken diese
Staaten gegen die EU-
Kommission, die diese - im Jahr 2000 nur befristet zugestandenen -
Subventionierungen als wettbewerbswidrige “unerlaubte staatliche
Beihilfe" abstellen
wollte. Die österreichische Stimme im EU-Rat war ausschlaggebend, dass die
Mitgliedsstaaten sich einstimmig über das entgegenstehende Votum der
Kommission
hinwegsetzen konnten und die Dieselsubventionierung zunächst bis Ende 2002
aufrecht bleibt. Dieses Vorgehen ist bisher einmalig, auch weil es nach dem EU-
Vertrag nur durch außergewöhnliche Umstände rechtfertigt werden
kann. Ob diese
derzeit und in diesem Zusammenhang vorliegen, ist mehr als fraglich, weshalb
die
Kommission den Beschluss des Rates voraussichtlich vor dem EuGH anfechten wird.
Zu schlechter Letzt wurde diese Gelegenheit entgegen den Ankündigungen
nicht
einmal dazu genützt, um für die fragwürdige Leistung eine
entsprechende
Gegenleistung zu erreichen. Insbesondere ist nach wie vor nicht einmal Italiens
Zustimmung zur weiteren Anwendung der Ökopunkte, geschweige denn eine
Zustimmung zur vollinhaltlichen Fortsetzung der Transitregelung incl.
Obergrenze
über 2003 hinaus erreicht.
Mit dieser Vorgangsweise haben
österreichische RegierungsvertreterInnen den
Interessen Österreichs
daher mehrfach
schweren Schaden zugefügt.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1) Ist es richtig, dass die Republik
Österreich auf EU-Ebene der Aufrechterhaltung
der grob wettbewerbsverzerrenden und verfassungsrechtlich bedenklichen
Steuerbegünstigungen auf Diesel für italienische, französische
und
niederländische Frachter und Transportunternehmer zugestimmt hat, und wann
genau erfolgte diese Zustimmung durch wen und mit welchem Wortlaut?
2) Wenn nein, gibt es eine mediale Korrektur zu den zahlreichen Medienberichten?
3) Auf welcher Basis erfolgte die Zustimmung,
lag insbesondere ein entsprechender
Parlamentsbeschluss, Ministerratsbeschluss,
eine Weisung der Außenministerin
oder eines anderen Regierungsmitglieds oder
ähnliches vor? Wenn ja, bitte um
genau Angabe und um wörtliche Wiedergabe.
4) Welches Ressort bzw. welche Ressorts bzw.
welche/r Ressortleiter/in war/en mit
dieser Entscheidung a)federführend, b)mitverantwortlich befasst?
5) Ist Ihnen bewusst, dass derartige
“Steuerbegünstigungen" grob
wettbewerbsverzerrend zum Nachteil der österreichischen
Transportwirtschaft
sind?
6) Gibt es für österreichische
Transportunternehmer “Kompensations-
erleichterungen" oder ähnliche
“Steuerbegünstigungen", oder sind solche in
unmittelbarer oder mittelbarer Folge des gegenständlichen Ratsbeschlusses
vorgesehen, und wenn ja, welche und ab wann?
7) Ist Ihnen bewusst, dass derartige
“Steuerbegünstigungen" einen schweren
wirtschaftlichen und wettbewerbsmäßigen Schaden für die Eisenbahn
darstellen?
8) Wie begründen Sie derartige
“Steuerbegünstigungen" gegenüber der
Bevölkerung, die heute schon durch den LKW-Transit im Inntal und in
anderen
Tal- und Beckenlagen in der Sensiblen Zone Alpen und darüberhinaus
vergiftet
und verlärmt wird, wo doch durch derartige Maßnahmen der LKW-Transit
zusätzlich künstlich erhöht und forciert wird, dies gerade auch
im Hinblick darauf,
dass Italien und die Niederlande 2001 für 43% der LKW-Transitfahrten durch
Österreich verantwortlich waren (707.000
von 1,640.000 Fahrten)?
9) Wie begründen Sie derartige
“Steuerbegünstigungen" für LKW gegenüber
gewöhnlichen Pendlerinnen, die auf dem Weg zur Arbeit mangels
öffentlicher
Verkehrsmittel mit dem eigenen Diesel-PKW die
“volle Steuer" zu bezahlen
haben?
10) Wie begründen Sie derartige
“Steuerbegünstigungen" grundsätzlich, nachdem
der Rat von Göteborg (14. Juni 2001) die Kommission aufgefordert hat, der
Entkoppelung
des Verkehrs von der Wirtschaft Einhalt zu gebieten, wobei mit
derartigen “Steuerbegünstigungen" dieser Entkoppelung geradezu
fahrlässig
Vorschub geleistet wird, da durch die Verbilligung des Betriebsmittels Diesel
für
dasselbe wirtschaftliche Ergebnis noch mehr gefahren werden kann und somit
die Effizienz verschlechtert statt verbessert wird?
11) Wie begründen Sie derartige
“Steuerbegünstigungen" gegenüber der/dem
Steuerzahlerin, die/der Milliarden Euro in die Eisenbahn investieren soll,
während
Sie real den internationalen LKW-Transit durch die aktive Unterstützung
derartiger Praktiken fördern und damit den Betrieb auf den teuer
errichteten
neuen Eisenbahnstrecken zum Dauersubventionsfall machen?
12) Wie bringen Sie derartige
“Steuerbegünstigungen" mit dem europäischen Ziel
der “Verlagerung von Straßengüterverkehr auf die Schiene"
in Einklang, wie soll
diese Verlagerung insbesondere realisiert werden, wenn Sie durch die
Zustimmung zu Treibstoffsubventionen für Frachter den Transport auf der
Straße
weiter gegenüber dem Schienenverkehr verbilligen?
13) Wie lassen sich derartige
“Steuerbegünstigungen" im “Internationalen Jahr der
Berge 2002" mit den Vorgaben der Alpenkonvention nach “Reduktion der
Belastungen und Risiken des alpenquerenden
Straßengütertransitverkehrs"
vereinbaren?
14) Haben Sie sich als Kompensation für diese
Zustimmung von den anderen
Mitgliedstaaten die Zustimmung zur
Verlängerung des Ökopunktesystems mit
beiden Säulen (Ökopunkte mit mengenmäßiger Begrenzung)
ausgehandelt, so
wie auch andere EU-Staaten ihre Zustimmung nur gegen massive, explizit
gewährte und nicht etwa nur nebulos versprochene Gegenleistungen gegeben
haben - wenn ja, bitte um Wiedergabe der schriftlichen Zusicherungen aus
Amsterdam, Paris und insbesondere Rom -, oder wurde diese Gelegenheit
dilettantisch vergeben?
15) Welche sonstigen Gegenleistungen wurden Österreich
für die Zustimmung zum
europäischen Steuerdumping beim LKW-Diesel nachvollziehbar schriftlich
zugesichert?
16) Welche “außergewöhnlichen
Umstände" in Sinne des EG-Vertrags rechtfertigen
die Unterstützung der Position der drei LKW-Subventionsstaaten gegen die
wettbewerbsrechtlich einwandfreie Position der EU-Kommission?
17) Welche Maßnahmen im einzelnen haben Sie wann wo
innerstaatlich wie auf EU-
Ebene zum Abbau von Subventionen und Verbilligungen des
Straßengüterverkehrs aus öffentlichen Mitteln gesetzt?
18) Halten Sie die angekündigten Kompensationen der
Transportunternehmer für
die LKW-Maut, unter anderem auch im steuerlichen Bereich, für
europarechtlich
unproblematisch, verkehrspolitisch sinnvoll und wirtschafts- und
standortpolitisch
zielführend, und wenn ja, aufgrund welcher Befunde im einzelnen?
19) Welchen Beitrag leistet die Zustimmung Österreichs
zur beihilfenrechtswidrigen
Treibstoffsubventionierung in einzelnen
EU-Staaten zur “Abwicklung zusätzlicher
Güterverkehrsaufkommen
auf umweltfreundlichen Verkehrsträgern" und zum
“ökologischen Tramsport von Gütern durch Österreich"
im Sinne des
Regierungsübereinkommens von FPÖ und
ÖVP?
20) Werden Sie zum Ende des Jahres 2002 eine erneute
Fortsetzung des
Subventionsunwesens im
Straßengüterverkehr unterstützen, und wenn ja,
warum?