3999/J XXI.GP
Eingelangt am: 12.06.2002
ANFRAGE
der Abgeordneten Petrovic, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen
betreffend Tierarzneimittel-Anwendungsverordnung und Pharmakovigilanz
In der Anfragenbeantwortung (2733/AB XXI.GP) gaben Sie folgende Auskunft:
"Generell kann gesagt werden, dass bei kontrollierten Bauernhöfen und
Mastbetrieben neben in Österreich nicht zugelassenen Tierarzneimitteln
auch
Antibiotika in Reinsubstanz vorgefunden wurden (vor allem Oxytetracyclin und
Sulfonamide)". Insbesondere das Antibiotikum Oxytetracyclin ist in vielen
Variationen, respektive Arzneimittelspezialitäten in der Tierarzneimittel-
Anwendungsverordnung zu finden, ebenso wie die Chemotherapeutika der Gruppe
Sulfonamide. Dem sichtlich hohen Bedarf in Mastbetrieben ist mit der Verordnung
stattgegeben
worden.
Aus den Ergebnissen der Schwerpunktaktion (mit Stand 28.
März 2001) ist
ersichtlich, dass die 3
Bundesländer mit hoher Mastbetriebsdichte eine erschreckend
hohe Anzahl an Positiven aufwiesen. So wurden in NÖ in 15% der
untersuchten
Proben von Schweinen Antibiotika/Sulfonamide detektiert, in der ST in 16% und
in
OÖ sogar in 26% der Proben. Diese Ergebnisse zeigen die Realität in
österreichischen Mastbetrieben auf: hoher Einsatz von Arzneimitteln in der
Intensivmast statt Hygiene als Prophylaxe und tierartengerechte
Umweltbedingungen. Hormone wie Oxytocin, viele Antibiotika und
Chemotherapeutika sind i.m. oder s.c. oder sogar i.v. zu applizieren. Aus
Gründen
des Tierschutzes sind derartige Applikationen von Laien sprich Landwirtinnen
strikt
abzulehnen. Mit dem TAKG und der Anwendungsverordnung werden die 'Spritzen'
nicht mehr durch kompetente Tierärztinnen verabreicht.
Aufgrund
der weniger häufigen Anwesenheit der/des Tierärztin/Tierarzt in den
landwirtschaftlichen Betrieben ist die Pharmakovigilanz nicht aufrecht zu
halten.
Tierhalter haben nicht die Fachkenntnis, unerwünschte
Arzneimittelwirkungen zu
erkennen bzw. sie in der Fachsprache zu kommunizieren. Darüber hinaus
besteht
für die Tierhalterinnen selber die mögliche Gefahr der
Gesundheitsbeeinträchtigung
mittels Hautkontakt oder Einatmen bei Sprays. Es ist durchaus zulässig,
vom .nicht
vorhandenen
Arbeitnehmerinnenschutz am Bauernhof zu sprechen.
Weiters
wird die Umwelt durch unsachgemäße Anwendung (z.B. pour-on
Antiparasitika, Antibidtikareste am Stallboden, etc.) und Entsorgung der
Leergebinde
oder Arzneimittelreste
belastet.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. Ist es zutreffend, dass alle derzeit in
der Nutztierpraxis angewendeten Antibiotika
und Chemotherapeutika in der Tierarzneimittel-Anwendungsverordnung Eingang
gefunden haben? Wenn ja, wie begründen Sie das, wenn nein, welche sind
ausgenommen?
2. Wenn es schon eine Positivliste gibt,
warum befindet sich der Wirkstoff
Ivermectinum, der für die Schweine weniger belastbar ist als die
angeführten
anderen Antiparasitika, nicht auf der Liste?
3. Warum wurde das Hormon Oxytocin, das in
der Gynäkologie und Geburtshilfe
Anwendung findet, in die Liste aufgenommen?
4. Auf Grundlage welcher Entscheidungsprozesse
(wie Resistenzen, bessere
Wirkstoffe etc.) bzw. mittels welcher Kommunikationspfade wird die
Arzneimittelliste der Verordnung novelliert werden? Und wie schätzen Sie
diese
zeitlich bedingte, rechtliche Grauzone für Tierärztinnen ein?
5. Wie wird die fachgemäße
Lagerung (teilweise Kühlschranktemperaturen 2 - 4°C,
lichtgeschützt) und die erforderliche Applikationsdauer kontrolliert?
6. Ist die/der Landwirtin
verpflichtet, Restbestände (angebrochene Packungen,
Injektionsflaschen etc.) an die/den Tierärztin zurück zu geben? Wenn
nicht, wie
verhindern Sie das 'Horten' von Arzneimitteln am Hof?
7. Obwohl es aus tierärztlicher
Sicht ausreichend wäre, auf der Positivliste lediglich
den Wirkstoff anzugeben, wurde eine zusätzliche Spalte
“Bezeichnung"
geschaffen. Diese ermöglicht es Pharmafirmen, mehr oder weniger versteckt
ihre
Produkte zu bewerben (z.B. Wirkstoff Enrofloxacin mit der Bezeichnung baytril,
von der Fa. Bayer am Markt). Pharmafirmen haben daher größtes Interesse,
auf
diese Liste zu kommen. Warum ist die Angabe der Wirkstoffe in der Liste nicht
ausreichend? Warum
unterstützen Sie den Lobbyismus von
Pharmaunternehmungen für ihre Arzneispezialitäten bzw. wie
können Sie diesen
Vorwurf entkräften?
8. Erließen Sie aufgrund der
Ergebnisse der Schwerpunktuntersuchungen
Weisungen laut LMG (mittelbare Bundesverwaltung) in Richtung der
Landeshauptleute? Wenn ja: welchen Inhalts? Wenn nein: Warum nicht?
9. Haben Sie als Bundesminister und
Tierarzt keine fachlichen Bedenken
(ausreichende Dosis im richtigen (!) Kompartiment, Tierschutz mittels schneller
und richtiger Applikation) bei invasiven Applikationsmethoden (i.V., s.c.,
i.m.,
intramammär) durch Landwirtinnen? Wenn nein: warum wird das über
viele
Semester an der VUW gelehrt? Wenn ja: welche?
10.
(a) Wie werden Sie die
Pharmakovigilanz mit Landwirtinnen statt Tierärztinnen
aufrecht halten?
(b) Wie ist das seit 1995 in
der EU verpflichtende Pharmakovigilanzsystem in
AUT aufgebaut?
(c) Wieviele und von wem
gingen seit 1999 Meldungen zu unerwünschten
Arzneimittelwirkungen ein?
11. Werden Tierärztinnen beim
Auftreten von unerwünschten Wirkungen beim
Landwirt als Tierarzneimittelanwender rechtlich belangt werden können?