4025/J XXI.GP

Eingelangt am: 12.06.2002

Anfrage

der Abgeordneten Maga. Maria Kubitschek und Genossinnen

an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit

betreffend Verhandlungen der Welthandelsorganisation zu Gesundheitsdienstleistungen

Im November 2001 hat die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) den
Verhandlungsplan für eine neue Liberalisierungsrunde im Rahmen der WTO beschlossen.
Dienstleistungen, die mit dem “General Agreement on Trade in Services" (GATS) seit
1. Jänner 1995 in die WTO-Abkommen einbezogen wurden, sind nun zentraler Bestandteil dieser
Liberalisierungsverhandlungen. Von der WTO-Ministerkonferenz wurde festgelegt, dass keine
Dienstleistungsart und kein Form der Erbringung von vornherein aus den Verhandlungen
ausgenommen wird.

Im Standard vom 14. 11. 2001 haben Sie im Zusammenhang mit der WTO-Ministerkonferenz zum
Start der WTO-Verhandlungsrunde folgendermaßen Stellung genommen: “Für Österreich als
Nummer 13 im Welthandel mit einem Anteil von 1 Prozent am gesamten Außenhandel sei ein
positiver Ausgang der Konferenz besonders wichtig" Mittlerweile sind die Verhandlungen im
Gange.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1.      Welche Dienstleistungen sind vom “General Agreement on Trade in Services" (GATS)
erfasst und welche Klassifikation verwendet die WTO für Dienstleistungen?

2.       Sind das Bauhandwerk, Postdienste, Eisenbahndienstleistungen,

Krankenhausdienstleistungen, Pflegedienste, Schulen, Universitätsausbildungen,
Wasserversorgung oder Müllentsorgung vom GATS-Abkommen erfasst?

3.      Welche Studien habe Sie, das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft bzw. die
Europäische Union erarbeitet, welche die bisherigen Folgen des GATS-Abkommens
bewertet und die eine weitere Öffnung der Dienstleistungsmärkte als sinnvolle
Maßnahme begründen?


4.      Das GATS-Abkommen nimmt gemäß Artikel 1 Dienstleistungen die “in staatlicher
Zuständigkeit erbracht werden " vom GATS aus. Allerdings nur dann, wenn diese
"
weder zu kommerziellen Zweck noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren
Dienstleistungserbringern erbracht werden". Im Bereich der
Gesundheitsdienstleistungen hat Österreich eine gemischte Struktur. Krankenhäuser.
Seniorenheime oder Sozialeinrichtungen haben neben staatlichen Trägern auch private,
oft karitative Träger. Finanzmittel der öffentlichen Hand fliesen in Form von
Leistungsabrechung aber auch in Form von Subventionen an diese Trägerorganisationen.

In welchen Bereichen sind das österreichische Gesundheitswesen bzw.
Dienstleistungserbringer des österreichischen Gesundheitswesens vom GATS erfasst. in
welchen sind sie ausgenommen?

5.      In den sogenannten Länderlisten hatte Österreich die Möglichkeit, konkrete

Beschränkungen des “Marktzuganges" und der “Inländerbehandlung" festzulegen.

Welche konkreten horizontalen und sektoralen Bestimmungen sind Gegenstand der
momentan laufenden GATS-Verhandlungen und wie lautet die konkrete österreichische
Verhandlungsposition in dieser Frage?

6.      In den horizontalen Beschränkungen für den Marktzugang findet sich bei der
Dienstleistungserbringung durch natürliche Personen, die Beschränkung:
Verpflichtungen hinsichtlich der Freizügigkeit des Personals gelten nicht, wenn deren
Ziel oder Auswirkung die Störung der sonstigen Beeinflussung von Arbeitskämpfen oder
Tarifpartnerverhandlungen ist."

a. Welche Folgen hätte ein Fehlen dieser Beschränkung?

b. Können Sie als Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit garantieren, dass diese
Beschränkung des Marktzutritts auch nach den laufenden GATS-Verhandlungen in
unveränderter Form bestehen bleibt?

7.      In den horizontalen Beschränkungen für die Inländerbehandlung findet sich bei der
Dienstleistungserbringung durch natürliche Personen die Beschränkung:
"Dienstleistungserbringer sind im Fall der Dienstleistungserbringung innerhalb
Österreichs zur Einhaltung der österreichischen Arbeitsvorschriften (Arbeitszeitregelung,
Bestimmungen betreffend Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz),
Sozialversicherungsvorschriften sowie der gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder
behördlichen festgesetzten Mindestlöhne verpflichtet."

a. Welche Folgen hätte ein Fehlen dieser Beschränkung?

b. Können Sie als Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit garantieren, dass diese
Beschränkung des Marktzutritts auch nach den laufenden GATS-Verhandlungen in
unveränderter Form bestehen bleibt?


8.        Gesundheitsdienstleistungen und soziale Dienstleistungen werden in der GATS-

Klassifikation in Krankenanstalten, sonstige Gesundheitseinrichtungen, soziale Dienste
und sonstige unterteilt.

a. Welche der in Österreich erbrachten Gesundheitsdienstleistungen fallen in welche
Gruppe?

b. Welche konkreten Beschränkungen für den Marktzugang und die Inländerbehandlung
gelten für die einzelnen Gruppen?

c. In welche Dienstleistungsgruppe fallen die Krankenversicherungen? Wieweit sind
diese durch das GATS-Abkommen erfasst? Welche Beschränkungen bestehen für diesen
Bereich?

9.      Bis 30. Juni 2002 sind die WTO-Mitgliedsländer aufgefordert, Liberalisierungs-
forderungen an die anderen Mitgliedsstaaten in die Verhandlungen einzubringen.

a. Welche Forderungen bringen konkret Österreich und die Kommission für die
Europäische Union ein?

b. Wann wurde bzw. wann wird der österreichische Nationalrat mit der österreichischen
Verhandlungsposition zu diesen Liberalisierungsforderungen befasst?

c. Für den Fall der Anfragebeantwortung nach dem 30. Juni 2002: Welche Forderungen
wurden von den anderen WTO-Mitgliedsländern im Rahmen der GATS-Verhandlungen
an Österreich bzw. die Europäische Union gestellt? (Bitte um vollständige Auflistung in
deutscher Sprache).

10.    Bis 31. März 2003 sind von den WTO-Mitgliedsländer Liberalisierungsangebote an die
anderen Mitgliedsstaaten in die Verhandlungen einzubringen.

a. Welche konkreten Angebote bringen Österreich und die Kommission für die
Europäische Union ein?

b. Wann wird der österreichische Nationalrat mit diesen Angeboten befasst?

c. Wie sieht der österreichische Verhandlungsplan für das GATS-Abkommen nach
Einbringung der Liberalisierungsangebote aus und welche Verhandlungsmethoden
wurden für den weiteren Verhandlungsprozess festgelegt?


11.      Seit 1. Jänner 1995 gilt das WTO-Abkommen über das Streitbeilegungsverfahren
“Dispute Settlement Understanding" (DSU).

a. Welche konkreten Fälle, die das GATS-Abkommen betreffen, wurden seither vor das
Schiedsgericht gebracht? Welche Streitfälle wurden wie abgeschlossen?

b. Widerspricht ein österreichisches Gesetz den WTO-Abkommen und dies wird durch
das Schiedsgericht der WTO bestätigt: Welche Folgen hat das für Österreich bzw. den
österreichischen Gesetzgeber?

c. Widerspricht eine Bestimmung der österreichischen Bundesverfassung den WTO-
Abkommen und dies wird durch das Schiedsgericht der WTO bestätigt: Welche Folgen
hat das für Österreich bzw. den österreichischen Gesetzgeber?

d. Widerspricht eine Bestimmung aus dem sekundären EU-Gemeinschaftsrecht
(Richtlinien, Verordnungen, Entscheide) den WTO-Abkommen und dies wird durch das
Schiedsgericht der WTO bestätigt: Welche Folgen hat das für die Europäische Union?

e. Widerspricht eine Bestimmung aus dem primären EU-Gemeinschaftsrecht (Verträge)
den WTO-Abkommen und dies wird durch das Schiedsgericht der WTO bestätigt:
Welche Folgen hat das für die Europäische Union?

f. Wer hat die Zuständigkeit, strittige Bestimmungen der WTO-Verträge auszulegen?
Wer kann die Klassifikation der Dienstleistungen ändern bzw. die Zuordnung
bestimmen?

g. Wer hat die Zuständigkeit, gesetzliche Bestimmungen als unerlaubte
Handelshemmnisse im Sinne der WTO-Verträge zu definieren?

12.      Bis wann wird der österreichische Nationalrat vorraussichtlich über das Ergebnis der bis
zum 1. Jänner 2005 abzuschließenden WTO-Verhandlungen beraten und bis wann muß
das Verhandlungsergebnis vom Nationalrat ratifiziert werden?

13.      Besteht aus Ihrer Sicht die Gefahr, dass im Zuge der Kompetenzreform in der

Europäischen Union (EU-Konvent) neue WTO-Verträge nur noch mit der Europäischen
Union abgeschlossen werden und somit die Abkommen nicht mehr von den nationalen
Parlamenten ratifiziert werden müssen?

14.      Dr. Hannes Farnleitner, als Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Ihr
Amtsvorgänger, setzte sich laut seinen eigenen Aussagen für die Beachtung von
Sozialklauseln (ILO-Kernarbeitsnormen) durch die WTO-Abkommen ein.

a. Welche Schritte setzen Sie, um die Beachtung der Kernarbeitsnormen durch die WTO-
Abkommen rechtsverbindlich zu verankern?


b. Was tun Sie bzw. die Kommission der Europäischen Union, um das neue WTO-
Mitglied China von einer rechtsverbindlichen Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen
durch die WTO-Abkommen zu überzeugen?

15.      Welche Positionen vertritt die Bundesregierung im Rahmen der Koordinierung der
europäischen Verhandlungsposition im Ausschuss Art 133 hinsichtlich des
Gesundheitswesens, und wie begründet sie diese? Liegen Forderungen sowie Bedenken
für den Bereich des Gesundheitswesens von anderen Ländern vor, wenn ja, welche?

16.      Welche konkreten Schritte sind von der Bundesregierung geplant, um Parlament,

Sozialpartner, und Nichtregierungsorganisationen in die “request-offer" Identifizierung
und die Verhandlungen mit einzubeziehen, bevor im Juni 2002 bzw. im März 2003 eine
endgültige Vorlage bei der WTO erfolgt?

17.     Das Europäische Parlament hat in einer Entschließung zur öffentlichen Daseinsvorsorge
die EU Kommission aufgefordert, “im Rahmen der WTO Verhandlungen Klarstellungen
bei einigen Bestimmungen des Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS)
verlangen zu müssen, um deutlich zu machen, dass die WTO Regeln das Recht der
Mitgliedsstaaten, die Leistungen der Daseinsvorsorge zu reglementieren und diesen
Bereich einzugreifen, nicht beeinträchtigen. " Welche Haltung hat die österreichische
Bundesregierung zu dieser Forderung? Welche Klarstellungen sind aus Sicht der
Bundesregierung notwendig, und warum?