4026/J XXI.GP

Eingelangt am: 13.06.2002

DRINGLICHE ANFRAGE

Gemäß § 93 Abs. 1 GOG NR

der Abg. Mag. Kukacka, Zierler

und Kollegen

an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport

betreffend ungerechtfertigt hohe Anzahl an krankheitsbedingten Ruhestandsversetzungen bei

den staatsnahen Unternehmen, insbesondere bei den ÖBB

In jüngster Zeit wurde über verschiedenste Medienberichte bekannt, daß die Anzahl der
krankheitsbedingten Ruhestandsversetzungen insbesondere in den ÖBB und in anderen
staatsnahen Unternehmen in den letzten Monaten und Jahren eklatant zugenommen hat.

Es ist wohl nicht erklärbar, daß ausgerechnet in diesen Unternehmen mehr als zwei Drittel der
Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen frühpensioniert werden müssen. Zum Vergleich
sind im ASVG-Bereich im Vorjahr ca. 20,5 % krankheitsbedingt in den Ruhestand getreten,
bei den Bundesbeamten waren dies 23 %. Bei den ÖBB hingegen waren dies im Jahr 2001
immerhin 73 %.

So gab es bei den ÖBB im Jahr 2001 insgesamt 1.461 Ruhestandsversetzungen, davon 1.190
aus gesundheitlichen Gründen. 320 Mitarbeiter haben ihre krankheitsbedingte Pensionierung
selbst beantragt, 870 wurden vom Unternehmen krankheitshalber in den Ruhestand versetzt.
Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter bei den ÖBB betrug im letzten Jahr somit
52,2 Jahre. Auffallend ist dabei insbesondere die Häufung der Frühpensionierungen mit
Erreichen der für den vollen Pensionsanspruch erforderlichen ruhegenussfähigen
Gesamtdienstzeit.

Bei der Österreichischen Post AG lag das durchschnittliche Antrittsalter der Pensionisten
noch 1999 bei 57,6 Jahren, im Jahr 2001 jedoch bereits bei 53 Jahren. Das durchschnittliche
Pensionsalter bei den 127 Postbeamten, die im Jänner heurigen Jahres in den Ruhestand
gingen, betrug 51,9 Jahren. Bei den 106 Neupensionisten der Österreichischen Post AG im
Monat Februar lag das durchschnittliche Alter bei 51,7 Jahren und bei den 107
Ruhestandsversetzungen im Monat März nur mehr bei 48,2 Jahren. Dabei hat immerhin ein
Fünftel der 340 Postbediensteten, die in diesen ersten drei Monaten des heurigen Jahres in den
Ruhestand traten, das gesetzliche Pensionsalter von 60 Jahren erreicht. 80% wurden teilweise
in sehr jungen Jahren krankheitshalber pensioniert. Dies bedeutet in Wahrheit, daß eine große
Anzahl an Postbediensteten bereits in jungen Jahren in den Ruhestand versetzt worden sein
muß. Die Unternehmensführung argumentiert mit angeblich gesteigertem Leistungsdruck und
erhöhtem Arbeitspensum sowie erweiterten Verantwortungsbereichen im Rahmen der
Restrukturierung. Demgegenüber ist den Medienberichten zu entnehmen, dass sehr wohl von
der Unternehmensführung planmäßiger Druck auf die Bediensteten in Richtung Frühpension
ausgeübt wurde (“Mobbing").

Im Jahr 2000 waren bei der Telekom Austria AG von 541 Ruhestandsversetzungen 130
wegen Dienstunfähigkeit erfolgt. Das durchschnittliche Pensionsalter lag in diesem Jahr noch
bei einem Alter von 58 Jahren. Im Jahr 2001 erfolgten allerdings bereits 1.155
Pensionierungen, davon 763 wegen Dienstunfähigkeit. Das durchschnittliche
Pensionsantrittsalter betrug im Jahr 2001 nur mehr 53 Jahre. In den ersten vier Monaten des


Jahres 2002 hat sich das durchschnittliche Pensionsantrittsalter auf nur mehr 52,5 Jahre
verringert. In diesem Bereich häufen sich die Informationen, dass Frühpensionierungen mit
Gehaltserhöhungen gekoppelt werden, die für die Betroffenen erhebliche finanzielle
Verbesserungen bewirkten, um auf diese Weise Einkommenseinbußen durch die Abschläge
im Zusammenhang mit der Pensionierung zu vermeiden. Zu hinterfragen wäre auch die Rolle
einzelner Arbeitnehmervertreter, ob diese nicht im Gleichklang mit den Interessen der
Arbeitgeber bereit waren, auch ungerechtfertigte Frühpensionen auf Kosten des Steuerzahlers
zu ermöglichen.

Demgegenüber ist das durchschnittliche Pensionsantrittsalter der anderen Bundesbeamten
allein vom Jahr 2000 zum Jahr 2001 von 58,4 auf 58,9 Jahre gestiegen, das entspricht dem
durchschnittlichen Pensionsantrittsalter in der Pensionsversicherung nach dem ASVG. Hier
kommt klar zum Ausdruck, dass im Bundesdienst die Arbeitsleistung auch der älteren
Berufsbeamten in der Hoheitsverwaltung offenbar aufgrund des besonders anzuerkennenden
Treueverhältnisses zur Republik Österreich mehr geschätzt wird als in ÖBB, Post oder
Telekom.

Da die Kosten für diese Frühpensionisten bei den ÖBB zur Gänze der Steuerzahler trägt,
können die ÖBB die Kosten für krankheitshalber frühpensionierte Mitarbeiter auf diesen
überwälzen. Dies ist vor allem auch deshalb bedenklich, da der Gesamtaufwand des Bundes
allein im Jahr 2000 für die damalige Anzahl von 72.448 ÖBB-Pensionisten (Quelle:
Statistisches Jahrbuch 2002) eine stolze Summe von 1.694,6 Mio. EURO bzw. über 23 Mrd.
Schilling betrug. Ähnliches gilt bei der Österreichischen Post AG. Hier betragen die
hochgerechneten Zusatzkosten des Bundes laut Berechnungen des BMÖLS die stolze Summe
von 56, 6 Mio. €Euro.

Verschiedenen Medienberichten zufolge soll es auch zur Ausübung von Druck von Seiten der
Unternehmensführungen sowohl auf die Bediensteten als auch auf begutachtende Ärzte
gekommen sein. Das Ziel war es offensichtlich, Bedienste gegen ihren Willen auf Kosten des
Steuerzahlers in den krankheitsbedingten Ruhestand zu versetzen. Solche Berichte wurden
vom Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer bestätigt, der sich bereits im Vorjahr an
die Unternehmensführung und die Dienstnehmervertretung der Post AG gewandt hat, um auf
die untragbaren Zustände in diesem Zusammenhang hinzuweisen. Die aktuellen Zahlen
belegen, dass sich die Unternehmensführung von dieser Kritik nicht beirren ließ und
unverändert Mitarbeiter auch gegen ihren Willen in Frühpension geschickt wurden. Welcher
Druck auf einzelne Mitarbeiter ausgeübt wurde, ist einzelnen Schreiben an
Zeitungsredaktionen und Regierungsbüros zu entnehmen. Besonders plakativ zeigt sich die
Vorgangsweise der Unternehmensleitung am Fall eines Bediensteten der zwischenzeitig seine
Zwangpensionierung erfolgreich vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft hat.

Offensichtlich findet hinsichtlich der Überprüfbarkeit von Frühpensionierungen bei den
Bundesbeamten der Hoheitsverwaltung und den Bediensteten in staatsnahen Unternehmen
nicht der gleiche Maßstab Anwendung. So werden nämlich die Beamten der
Hoheitsverwaltung beim Bundespensionsamt ärztlich begutachtet, wohingegen diese
Überprüfung bei staatsnahen Unternehmen Ärzte vornehmen, welche in einem
Auftragsverhältnis zur Unternehmensführung stehen und somit deren Druck ausgesetzt sind.

Als äußerst bedenklich ist auch jener Umstand zu bewerten, wonach es durch die Einrechnung
der Allgemeinen Nebengebührenpauschale als fixen Gehaltsbestandteil bei den ÖBB per 1.1.
2002 zu indirekten Gehalts- und Pensionserhöhungen um 2,9 Prozent gekommen ist. Dadurch


erhöhen sich in den nächsten 15 Jahren die vom Bund zu tragenden Kosten für die ÖBB-
Pensionen um 200 Mio. EURO (Quelle: “Kurier", vom 7. 6. 2002).

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

DRINGLICHE ANFRAGE

1.    Wie hat sich bei den öffentlich Bediensteten in der Bundesverwaltung in den letzten
beiden Jahren sowie in den ersten Monaten dieses Jahres das durchschnittliche
Pensionsantrittsalter entwickelt?

2.    Wie lauten diese Zahlen bei den staatsnahen Unternehmen, insbesondere den ÖBB, der
Österreichischen Post AG und der Telekom Austria AG?

3.    Welche Maßnahmen werden Sie vorschlagen, damit für die Bediensteten staatsnaher
Unternehmen ähnlich transparente und objektive Untersuchungserfordernisse gelten, wie
beim Bundespensionsamt für die Bundesbeamten?

4.    Wie hoch ist der Anteil der Frühpensionen an allen Ruhestandsversetzungen im besagten
Zeitraum?

5.    Seit wann sind Ihnen bedenkliche Vorgänge im Zusammenhang mit Frühpensionierungen
bei der ÖBB und im PT - Bereich bekannt?

6.    Was haben Sie angesichts dieser Vorgänge unternommen?

7.    Was hat Sie dazu bewegen, zusätzlich zum Rechnungshof auch die Staatsanwaltschaft
einzuschalten?

8.    Welche Kosten entstehen dem Steuerzahler durch die ungerechtfertigte Vorgangsweise
dieser Unternehmen, Bedienstete frühzeitig krankheitsbedingt in den Ruhestand zu
versetzen, anstatt die gesetzesmäßige Möglichkeit des Vorruhestandes in Anspruch zu
nehmen?

9.    Welche Maßnahmen werden Sie setzen, damit nicht der Steuerzahler für diesen Schaden
aufzukommen hat?

10. Sind Ihnen Fälle bekannt, bei denen offenbar von Dienstgebern oder von Vorgesetzten
gesetzeswidriger Druck auf Bedienstete bzw. Ärzte in Richtung krankheitsbedingter
Ruhestandsversetzungen ausgeübt wurde?

11. Wie im Mai dieses Jahres bekannt wurde, ist die Allgemeine Nebengebührenpauschale
(ANP) der ÖBB-Bediensteten in einen pensionsbegründenden Gehaltsbestandteil
umgewandelt worden. Was bedeutet das konkret?

12. Welche Mehrkosten entstehen dem Steuerzahler durch diese Maßnahme?

13. Halten Sie diese Mehrkosten für legitim und angemessen?


14. Wenn nicht, was werden Sie unternehmen, um diese Mehrbelastung für den Steuerzahler
rückgängig zu machen?

15. Halten Sie die Befugnis des ÖBB-Generaldirektors, mit der Eisenbahnergewerkschaft
Vereinbarungen zu treffen, die direkt oder indirekt das Budget belasten, für akzeptabel?

16. Gibt es auch im Postbereich solche Befugnisse der Unternehmensleitungen?

 

In formeller Hinsicht wird beantragt, diese Anfrage gem. § 93 Abs. 1 GOG NR als dringlich
zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.