409/J XXI.GP
der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Justiz
betreffend der Veröffentlichung eines NS - verharmlosenden und holocaustleugnenden Artikels
in der Wochenzeitung „Zur Zeit“
Im Juni letzten Jahres erstattete das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
bei der Staatsanwaltschaft Wien gegen die Wochenzeitung „Zur Zeit“ eine Anzeige wegen
des Verdachtes des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz.
In der Ausgabe 23 vom 4.10. Juni 1999 von „Zur Zeit“ wurden in dem Artikel „Zweifel,
Vater der Erkenntnis“ nationalsozialistische Verbrechen geleugnet und grob verharmlost.
Autor dieses Artikels ist ein Hans Gamlich. Er bezeichnet u. a. Adolf Hitler als einen „großen
Sozialrevolutionär“ und dessen Stellvertreter Rudolf Heß als einen „kühnen Idealisten“. Auch
die Schuld der Nationalsozialisten am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wird geleugnet.
Laut Gamlich habe nicht die NS - Führung, sondern Churchill „Europa in die Katastrophe“
gestürzt. Der Überfall auf die Sowjetunion wird bei Gamlich zu einer „notwehrhaften
Präventivaktion“ „zum Schutz Europas“ umgedeutet. Den Holocaust und die Anzahl der
sechs Millionen Opfer bezeichnet er abwechselnd als „Dogma“ und „Mythos“, welcher „im
größten Schauprozeß der Weltgeschichte in Nürnberg institutionalisiert“ wurde und „sich
nurmehr quasireligiös begründen“ lasse. Bezugnehmend auf bekannte neonazistische
Geschichtsfälscher („Revisionisten“) wird auch der Einsatz von Zyklon - B für die
Massenvergasungen in den nationalsozialistischen Konzentrations - und Vernichtungslagern
geleugnet. Gamlich bezieht sich dabei auf ,,naturwissenschaftlich - technische Gutachten“ und
Aussagen von „Revisionisten“ wie Germar Rudolph, Robert Faurisson, Fred A. Leuchter und
Dipl. Ing. Walter Lüftl. Rudolph wurde 1995 in Stuttgart wegen Volksverhetzung und
Aufstachelung zum Rassenhaß verurteilt und befindet sich derzeit auf der Flucht vor einer
Strafverfolgung. Auch die übrigen, von Gamlich angeführten Vertreter der sog.
„Auschwitzlüge“ (Faurisson, Leuchter) wurden bereits in Frankreich und Deutschland
angeklagt oder verurteilt. Die zustimmende Bezugnahme auf Dipl. Ing. Walter Lüftl, der
ebenfalls die Unmöglichkeit der nationalsozialistischen Gasmorde behauptete, wurde bereits
1995 dem damaligen Geschäftsführer des Aula - Verlages, Herwig Nachtmann, zum
Verhängnis. Er wurde damals in Graz nach dem NS - Verbotsgesetz verurteilt, da unter seiner
presserechtlichen Verantwortung Lüftls Behauptungen in einem in der Aula veröffentlichten
Artikel u. a. als „Meilenstein auf dem Weg zur Wahrheit“ bezeichnet worden waren. Bei der
rechtsextremen Zeitschrift Aula und dem als Medieninhaber fungierenden Freiheitlichen
Akademikerverband, handelt es sich, wie im Dezember 1998 der FPÖ -
Nationalratsabgeordnete Dipl. Ing. Maximilian Hofmann in einer Anfrage feststellte, um eine
„Vorfeldorganisation der
FPÖ“.
In der Ausgabe 25 vom 18.-24. Juni 1999 erfolgte bezugnehmend auf diesen Artikel
von Seiten der Verantwortlichen von „Zur Zeit“, eine „Berichtigung“. So soll durch
ein „redaktionelles Versehen“ es zum „ungeprüften Abdruck“ dieses Artikels
gekommen sein . Weiters soll „irrtümlich im Zuge der umbruchsbedingten
Kürzungen durch Hilfskräfte noch zusätzlich eine Verstümmelung“ des Artikels
erfolgt sein. Sie betonten, daß es ihnen fernliege, „die Verbrechen des
Nationalsozialismus zu verharmlosen.“ Herausgeber und Redaktion „distanzieren
sich auf das Schärfste“ von „allfälligen Passagen“, die gegen das
Wiederbetätigungsverbot verstoßen könnten. Durch die „Berichtigung“ sollte der
Schaden, den die „Hilfskräfte“ angerichtet haben, behoben werden. Die
nachgereichten, „irrtümlich“ den „Kürzungen“ zum Opfer gefallenen Passagen
können aber dem Artikel keinen unbedenklichen Charakter verleihen. Insbesondere
die im Rückgriff auf neonazistische Geschichtsfälscher von Gamlich formulierten
Zweifel an der deutschen Kriegsschuld und systematischen Ermordung der
europäischen Juden in den Gaskammern sind nicht berichtigt worden.
Als Chefredakteur der Nummer 23 fungierte damals Andreas Mölzer, der zwei
Wochen später in der Ausgabe Nummer 25 seinen Rücktritt von dieser Funktion
verkünden ließ. Verantwortlich dafür wurde seine „zeitliche Belastung im Rahmen
seiner neuen Beratertätigkeit für die Kulturabteilung der Kärntner Landesregierung
und den Kärntner Landeshauptmann“ gemacht. Der - wie in „Zur Zeit“ betont wurde
- „inhaltlichen Verantwortung“ nun entbunden, ist Mölzer diesem Blatt als
Herausgeber jedoch weiter erhalten geblieben. Unterstützt wird er dabei von Johann
Josef Dengler und vom FPÖ - Bundesrat John Gudenus. Letzterer hat sich auch schon
in der Öffentlichkeit mit allzu bezeichnenden Aussagen über die NS -
Vernichtungspolitik in Szene gesetzt. Im Herbst 1995 sagte er bei einer
Podiumsdiskussion zu den Gaskammern folgendes: „Ich halte mich da raus! Ich
glaube alles, was dogmatisch vorgeschrieben ist.“ Mölzer ist trotz seiner „zeitlichen
Belastung im Rahmen seiner neuen Beratertätigkeit für die Kulturabteilung der
Kärtner Landesregierung und den Kärntner Landeshauptmann“ seit Anfang Jänner
2000 wieder Chefredakteur der Zeitung „Zur Zeit“.
In einer Anfragebeantwortung (6284/AB vom 8.9.1999) zu einer von uns zu dieser
Sache eingebrachten Anfrage (6576/J vom 13.7.1999) erklärte der damalige
Justizminister Dr. Michalek ‚ daß die Staatsanwaltschaft Wien am 24.6.1999 gegen
Hans Gamlich und am 12.8.1999 gegen Andreas Mölzer die Durchführung
gerichtlicher Vorerhebungen in Richtung § 3g und § 3h des Verbotsgesetzes
beantragt hat bzw. diese Vorerhebungen noch anhängig sind.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende
1) Sind die Vorerhebungen abgeschlossen?
Wenn ja, wird es zur Einleitung eines Verfahrens gegen Hans Gamlich und Andreas Mölzer
kommen?
Wenn nein, warum nicht?
2) Sollten die Vorerhebungen noch im Gange sein, wann ist mit einem Abschluß der
Ermittlungen zu rechnen?
3) Wie beurteilen Sie den Inhalt des von Hans Gamlich verfaßten und in der Wochenzeitung
„Zur Zeit“ veröffentlichten Artikels? Ist Ihrer Meinung nach hier ein Verstoß gegen das
Verbotsgesetz gegeben?
4) Würden Sie nach der Veröffentlichung von Artikeln mit antisemitischen und NS -
verharmlosenden Inhalten eine Zeitung wie „Zur Zeit“ noch als eine verfassungskonforme
Publikation einschätzen?
5) Wie beurteilen Sie den Umstand, daß Politiker und Berater einer im Parlament und im
Bundesrat vertretenen Partei als Herausgeber einer Publikation fungieren, in der
antisemitische, NS - verharmlosende und holocaustleugnende Artikel veröffentlicht werden?