4181/J XXI.GP

Eingelangt am: 10.07.2002

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Lichtenberger, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Wirtschaft & Arbeit

betreffend die Gefährdung des Wirtschaftsstandorts Österreich aufgrund des
Fehlens von Regelungen durch das BMVIT (Bundesministerium für Verkehr,
Innovation und Technologie) über Schienenfahrzeuge

Das Nichtvorhandensein von Regelungen des BMVIT für Schienenfahrzeuge

gefährdet den Wirtschaftsstandort Österreich insbesondere auf folgende Weise:

+ Ungewisser Ausgang von Genehmigungsverfahren

+ Die Ausschreibungsunterlagen können daher nicht so ausgearbeitet werden, daß
die Vergleichbarkeit der Angebote sichergestellt ist und die Preise ohne
umfangreiche Vorarbeiten und ohne Übernahme nicht kalkulierbarer Risken
von den Bietern ermittelt werden können.

Die in Österreich tätigen Eisenbahnunternehmen unterliegen aufgrund der
Sektorenrichtlinie der EU und ihrer meist öffentlichen Eigentümer (auch der
“Privat”bahnen) den Regelungen des Bundesvergabegesetzes.
Das Fehlen jeder Art von Regelungen des BMVIT für Bau, Wartung und
Instandhaltung von Eisenbahnfahrzeugen bedeutet neben der Gefährdung der
Sicherheit auch, dass man den Unternehmen überflüssige Schwierigkeiten bei jeder
dem Bundesvergabegesetz unterliegenden Ausschreibung von Lieferungen von
Schienenfahrzeugen sowie von Leistungen zu Wartung und Instandhaltung bereitet.

Eine der Zielrichtungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen ist, für
einen fairen Wettbewerb unter für alle qualifizierten Bieter gleichen Bedingungen zu
sorgen. Dazu ist es erforderlich, die ausgeschriebene Leistung genau und vollständig
zu beschreiben.

Entsprechend der Meinung der Bundesregierung wird durch das
Bundesvergabegesetz und seine konsequente Anwendung nicht nur der
Wirtschaftsstandort gesichert, sondern werden auch beträchtliche Einsparungen
erzielt.

“Wie die Regierungsvorlage festhält, wurden 1999 öffentliche Aufträge im Wert von
35,23 Mrd. € (das entspricht
17,9% des BIP) vergeben. Eine konsequente
Liberalisierung des Beschaffungswesens in Österreich könnte der Vorlage zufolge
kurzfristig Einsparungen in der Höhe von 1 % des Gesamtauftragswertes, langfristig
sogar im Ausmaß von 2 % bringen, wobei sich 80 % der Preissenkungen im Bereich
des Bundes und der Bundesunternehmen ergeben würden. Weitere Einsparungen
wären durch Volumensbündelungen und Prozessoptimierungen sowie durch die
gezielte Nutzung bestimmter Formen der elektronischen Auftragsvergabe möglich."
(Quelle: Parlamentskorrespondenz / 03 / 22.04.2002 / Nr. 285)


Zitat Bundesvergabegesetz 2002:

§66. ...  (3) Sofern die Beschreibung der Leistung nicht gemäß § 74 Abs. 2 erfolgt,

sind die Ausschreibungsunterlagen so auszuarbeiten, dass die
Vergleichbarkeit der Angebote sichergestellt ist und die Preise ohne
umfangreiche Vorarbeiten und ohne Übernahme nicht kalkulierbarer Risken
von den Bietern ermittelt werden können. .........

§ 74. (1) Die Leistungen bzw. die Aufgabenstellungen sind eindeutig, vollständig und
neutral zu beschreiben. Die eindeutige, vollständige und neutrale Beschreibung
der Leistung
bzw. der Aufgabenstellung hat technische Spezifikationen zu enthalten
und ist erforderlichenfalls durch Pläne, Zeichnungen, Modelle, Proben, Muster und
dergleichen zu ergänzen.

(2) Sofern die Beschreibung der Leistung als Aufgabenstellung mit Leistungs- oder
Funktionsanforderungen formuliert wird, haben die technischen Spezifikationen
das Leistungsziel so hinreichend genau und neutral zu beschreiben, dass alle
für die Erstellung des Angebotes maßgebenden Bedingungen und Umstände
erkennbar sind.
Aus der Beschreibung der Leistung müssen sowohl der Zweck der
fertigen Leistung als auch die an die Leistung gestellten Anforderungen in
technischer, wirtschaftlicher, gestalterischer, funktionsbedingter und sonstiger
Hinsicht erkennbar sein. Ferner muss durch die Leistungsbeschreibung die
Vergleichbarkeit der Angebote gewährleistet sein,
möglich ist, anzugeben. .......

(5) Bei der Erstellung der Beschreibung der Leistung sind auch mit der Leistung in
Zusammenhang stehende allfällige zukünftige laufende bzw. anfallende
kostenwirksame Faktoren (zB Betriebs- und Erhaltungsarbeiten, Serviceleistungen,
erforderliche Ersatzteil-Lagerhaltung, Entsorgung) aufzunehmen, falls deren Kosten
ein Zuschlagskriterium bilden....

Bisher Bundesvergabegesetz 1997:

Zitat (Bundesvergabegesetz 1997- BvergG, idF BGBI. l 1997/56, BGBI. l 1998/27,

BGBI. l 1999/80, BGBI. l 1999/120, BGBI. l 1999/200 und BGBI. l 2000/125):

§ 29 .. (2) Die Ausschreibungsunterlagen sind so auszuarbeiten, daß die

Vergleichbarkeit der Angebote sichergestellt ist und die Preise ohne

umfangreiche Vorarbeiten und ohne Übernahme nicht kalkulierbarer Risken von den

Bietern ermittelt werden können.

(3) Die Beschreibung der Leistung und die sonstigen Bestimmungen sind so

abzufassen, daß sie in derselben Fassung sowohl für das Angebot als auch für

den Leistungsvertrag verwendet werden können.....

§ 53. Von den Angeboten, die nach dem Ausscheiden übrig bleiben, ist der

Zuschlag dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot gemäß den in

der Ausschreibung festgelegten Kriterien zu erteilen (Bestbieterprinzip). Die

Gründe für die Vergabeentscheidung sind schriftlich, allenfalls in der Niederschrift

gemäß § 50, festzuhalten.

Auch in der für September geplanten Organisationsänderung des
Verkehrsministeriums ist wenig davon zu sehen, dass man die Zeichen der Zeit
verstanden hätte, da Themen wie barrierefreier Verkehr (“Behindertengerechtigkeit"),
Gesundheit und Umweltschutz im Verkehr und Wettbewerb im Verkehr überhaupt
nicht bzw. nur nominell berücksichtigt sind.


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.  Die Bezeichnungen “1016", “1047" und “182" stehen für die annähernd
gleiche Lokomotive, eine Entwicklung der Firmen Siemens und Krauss -
Maffei. 1016 ist der “Taurus" der ÖBB, als 1047 werden sie an die ungarische
Eisenbahn MAV, als 182 an die Deutsche Bahn geliefert. Stimmt es, dass die
international gebräuchliche Ausführung der Anlagen für Energieversorgung
bzw. Spannungsumwandlung, die ursprünglich vom Lieferkonsortium
angeboten wurde, für die Zulassung der ÖBB - Fahrzeuge in Österreich durch
Auflagen über “Explosionsschutz" bedeutend verteuert wurde?

2.  Wenn ein Eisenbahnunternehmen, das der Sektorenrichtlinie der EU und
daher auch dem Bundesvergabegesetz unterliegt, ein Fahrzeug kauft, muß es
dieses entsprechend ausschreiben. Die Ausschreibungsunterlagen sind so
auszuarbeiten, daß die Vergleichbarkeit der Angebote sichergestellt ist und
die Preise ohne umfangreiche Vorarbeiten und ohne Übernahme nicht
kalkulierbarer Risken von den Bietern ermittelt werden können. Die
Beschreibung der Leistung und die sonstigen Bestimmungen sind so
abzufassen, daß sie in derselben Fassung sowohl für das Angebot als auch
für den Leistungsvertrag verwendet werden können. Von den Angeboten, die
nach dem Ausscheiden übrig bleiben, ist der Zuschlag dem technisch und
wirtschaftlich günstigsten Angebot gemäß den in der Ausschreibung
festgelegten Kriterien zu erteilen (Bestbieterprinzip).
Wie ist die Erstellung vollständiger Ausschreibungsunterlagen ohne das
Vorhandensein der für das Genehmigungsverfahren erforderlichen
Regelungen des BMVIT, wodurch auch der Ausgang eines
Genehmigungsverfahrens ungewiss und vom Wohlwollen der
Sachverständigen ungewiss ist? Da im Zuge der Genehmigungsverfahren von
Fahrzeugen in vielen Fällen wesentliche Änderungen “auftauchen" (Taurus),
kann von vornherein kein vergleichbares Angebot erstellt werden, da die
“Zusatzleistungen", die sich aus dem Genehmigungsverfahren ergeben, nicht
mitkalkuliert werden können und daher außerhalb des verglichenen
Angebotes bleiben - da nicht davon auszugehen ist, dass alle Bewerber für
die “Zusatzleistungen", die sich aus dem Genehmigungsverfahren ergeben,
den gleichen Preis ansetzen würden, wie kann dann dem
Bundesvergabegesetz entsprochen werden?

3.   Eine Aufteilung der Leistung in den Anteil “ursprüngliche Ausschreibung" und
“Auflagen aus dem Verfahren" ist unzulässig, da es sich bei der Leistung um
eine Einheit iSd Bundesvergabegesetzes handelt. Bedeutet dies im Fall des
Taurus nicht, dass die beauftragte Leistung von der Ausschreibung abweicht?

4.   Da eine EU-konforme und bundesvergabegesetzkonforme Ausschreibung
aufgrund der nicht vollständig möglichen Leistungsbeschreibung (aufgrund
des Fehlens von Regelungen des BMVIT) für noch nicht zugelassene
Fahrzeug nicht möglich sein dürfte, müsste sich eine Ausschreibung auf


bereits zugelassene Fahrzeuge beschränken. Behindert dies nicht jede Art
von technischem Fortschritt? Kann man den Schaden für den
Wirtschaftsstandort Österreich aufgrund dieses Problems quantifizieren?

5.  Wenn in Deutschland, der Schweiz oder in anderen europäischen Staaten ein
öffentliches oder privates Unternehmen z.B. ein Schienenfahrzeug
ausschreiben möchte, kann es dieser Ausschreibung konkrete technische
Regelungen des jeweiligen Verkehrsministeriums (EBO, BÖ Strab, EBV,),
von der Mindestbremsverzögerung bis zur brandhemmenden Ausführung
zugrundelegen. Bis wann wird Österreich einen vergleichbaren Standard
erreichen?

6.  Da aufgrund des Nichtvorhandenseins von verbindlichen Regelungen des
BMVIT bei jedem Genehmigungsverfahren Einzelfestlegungen getroffen
werden, was auch im Sinne der Anforderungen an rechtsstaatliche
Genehmigungsverfahren zu hinterfragen ist, kann nur schwer gewährleistet
werden, dass die Behörde von allen Anbietern den gleichen Standard
verlangt. Wie ist dies mit den Anforderungen an den fairen Wettbewerb unter
gleichen Bedingungen vereinbar?

7.   In Werkstätten der ÖBB werden auch Fahrzeuge der GYSEV und anderer
Eisenbahnunternehmen überprüft, gewartet, repariert und lackiert. Die
Werkstatt der Anschlußbahn der Vöest ist in gleicher Weise für
Eisenbahnunternehmen aus Salzburg und der Steiermark tätig. Auf diesem
Sektor entwickelt sich schleppend, aber doch eine Art Markt für ein
“Eisenbahn-Nebengewerbe". Warum gibt es noch keine Regelungen für jene
Werkstätten von Eisenbahnunternehmen, die als “Eisenbahnanlagen" für das
eigene und fremde Eisenbahnunternehmen tätig sind? (Festlegungen über die
Qualifikation und Regelungen über Ausbildungen fehlen in Österreich
vollständig.)

8.  Die ÖBB beabsichtigen, wie Pressemeldungen zu entnehmen war, auch für
ein Tochterunternehmen des Siemens-Konzerns Fahrzeuge zu fertigen.
Siemens vermietet derartige “Dispo-Loks" über Tochterunternehmen an
Eisenbahnunternehmen. Ist im Zuge der internationalen Entwicklung zu
erwarten, dass man durch übertriebene Behördenauflagen die Zulassung
bzw. “Einstellung" von Eisenbahnfahrzeugen in Ländern mit noch niedrigeren
Standards erzwingt, und aufgrund der europäischen Liberalisierung diese
“Fremd"-Lokomotiven dann auch Binnenfahrten in Österreich machen werden
(wie bis vor kurzem die alte DDR-Baureihe 232 als “Regelfahrzeug" bei den
ÖBB)? Führen übertriebene, über den international vorhandenen Stand der
Technik weit hinausgehende Auflagen nicht dazu, dass der
Sicherheitsstandard durch den so erzwungenen Binnenverkehr mit
ausländischen Fahrzeugen gesenkt wird?

9.  Gefährdet das oben beschriebene Abgehen vom international gebräuchlichen
Standard bei der Fahrzeugzulassung, dass der Wirtschaftsstandort Österreich
massiv gefährdet wird?

10. Während die Republik auf der einen Seite durch ERP-Gelder für die
technische Weiterentwicklung des Schienegüterverkehrs und durch große


Investitionen in den Klima-Wind-Kanal den Wirtschaftsstandort Österreich
und die mit dem Eisenbahnverkehr verbundene Industrie und Forschung
stärken möchte, gefährdet das Agieren des BMVIT (als Zulassungsbehörde)
den Wirtschaftsstandort in größerem Ausmaß. Gibt es eine einheitliche Linie
des BMVIT als Behörde für Zulassungen, für Forschung und Entwicklung und
als Eigentümer und wenn ja welche, oder agieren diese Teile des BMVIT nur
nach eigenem Gutdünken?

11. Das COTIF, ein internationales Abkommen über Güterfahrzeuge, deren
Nutzung und Instandhaltung im Rang eines Staatsvertrages, sieht für die von
ihm erfassten Fahrzeuge ein Prüfintervall von 6 Jahren vor. Die vorletzte
Novellierung des Eisenbahngesetzes, das Deregulierungsgesetz sieht im § 19
Abs. 1 für die Fahrzeuge österreichischer Eisenbahnunternehmen eine
Überprüfung alle 5 Jahre vor. Nachdem Güterwagen aller
Eisenbahnunternehmen im Rahmen sehr komplexer internationaler
Umlaufpläne unterwegs sind, ist deren “Unterbrechung" für Überprüfungen in
langfristig geplanten Plänen geregelt. Nur durch die internationale
Abstimmung ist ein wirtschaftlicher Verkehr ohne vermeidbare Stillstände
möglich. (Die Vorlage des “Deregulierungsgesetzes" wurde als “Initiativantrag"
von Abgeordneten der Regierungsfraktionen eingebracht. Der gleiche
“Initiativantrag" wurde etwa ein Jahr früher vom BMVIT zur Begutachtung
ausgesandt. Nach überwiegend negativen Reaktionen, u.a. von
Rechnungshof, BKA, wurden die geforderten Korrekturen dann vor der
Neuvorlage als “Initiativantrag" nicht durchgeführt.). Angeblich planen
namhafte österreichische Eisenbahnunternehmen sowie in der UIP, der
internationalen Organisation der Privatwagenbesitzer, organisierte
Unternehmen die Verlagerung ihrer Fahrzeuge ins benachbarte Ausland.
Durch den geänderten § 19 Abs. 1 Eisenbahngesetz und die dadurch
erzwungene, zumindest geförderte, Verlagerung von Fahrzeugen ins Ausland
wird einerseits der Wirtschaftsstrandort, andererseits der Sicherheitsstandard
gefährdet. Wollen Sie dem durch die Durchführung der erforderlichen
Korrekturen begegnen, wobei Sie auf Anregungen u.a. in den
Stellungnahmen Ihrer Ministerkollegen im Rahmen des
Begutachtungsverfahrens der Novelle 2000/2001, mit dem “Initiativantrag"
textident, zurückgreifen könnten?

12. Durch das Nichtvorhandensein von Regelungen des BMVIT über die
Wartung und Instandhaltung von Fahrzeugen kann die entsprechende
Leistung nicht definiert und ausgeschrieben werden, wodurch auch die
Vergleichbarkeit von Angeboten nach einer Ausschreibung keinesfalls
gegeben ist. Daher kann der Billigstbieter seinen Preis auch über den
möglichst geringen Umfang seiner Leistung niedrig halten. Bis wann werden
Sie daher Regelungen über die Wartung und Instandhaltung von
Schienenfahrzeugen erlassen?

13. “Wie die Regierungsvorlage festhält, wurden 1999 öffentliche Aufträge im
Wert von 35,23 Mrd. € (das entspricht 17,9% des BIP) vergeben. Eine
konsequente Liberalisierung des Beschaffungswesens in Österreich könnte
der Vorlage zufolge kurzfristig Einsparungen in der Höhe von 1 % des
Gesamtauftragswertes, langfristig sogar im Ausmaß von 2 % bringen, wobei
sich 80 % der Preissenkungen im Bereich des Bundes und der


Bundesunternehmen ergeben würden. Weitere Einsparungen wären durch
Volumensbündelungen und Prozessoptimierungen sowie durch die gezielte
Nutzung bestimmter Formen der elektronischen Auftragsvergabe möglich."
(Quelle: Parlamentskorrespondenz / 03 / 22.04.2002 / Nr. 285). Wie hoch ist
der wirtschaftliche Schaden, der den österreichischen Eisenbahnunternehmen
einerseits, der Industrie andererseits durch das Nichtvorhandensein von
Regelungen des BMVIT über Schienenfahrzeuge entsteht?

14. Gefährdet das BMVIT durch seine abermalige Säumigkeit neben dem freien
Wettbewerb nicht auch die Sicherheit im österreichischen Eisenbahnbetrieb?