4196/J XXI.GP

Eingelangt am: 11.07.2002

ANFRAGE

der Abgeordneten Glawischnig, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

betreffend Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen Missachtung von
Umweltrichtlinien durch die Bundesländer

Laut Veröffentlichungen der Kommission zu den Vertragsverletzungsverfahren
betreffen beinahe 40% aller von der Kommission in Prüfung gezogenen
Umsetzungsdefizite Umweltrichtlinien (1302 Fälle, Stand per 31. 12. 2001). An
zweiter Stelle folgen mit 763 Fällen die Binnenmarkt-Richtlinien. Die Mitgliedstaaten
sind also bei der Umsetzung von europäischen Vorgaben zum Schutz der Umwelt
am meisten säumig bzw unkorrekt. Auch Österreich ist hier keine Ausnahme. Mit 44
Umweltfällen liegt Österreich bei der Umsetzungsdisziplin hinter den Mitgliedstaaten
Dänemark (18), Luxemburg (20), Finnland (24), Niederlande (32) und Schweden (36)
an sechster Stelle (Stand per 31. 12. 2001). Dabei ist jedoch zu beachten, dass die
Kommission nicht über die Kapazitäten verfügt, allen Umsetzungsdefiziten
nachzugehen, sondern die aufgegriffenen Fälle nur einen Ausschnitt der wahren
Versäumnisse und. Unkorrektheiten in Gesetzgebung und Vollziehung darstellen.

Ein Gutteil dieser Vertragsverletzungsverfahren wurden durch den Bund als
Gesetzgeber verursacht. So beschloss die Kommission bei der letzten einschlägigen
Sitzung am 26. 6. 2002 gegen Österreich wegen Missachtung der Ozonrichtlinie
92/72 und der RL Altölbeseitigung 75/439 beim Europäischen Gerichtshof Klage zu
erheben. Wegen Missachtung der GroßfeuerungsanlagenRL 88/609 und der VOC-
RL 99/13 wurden Begründete Stellungnahmen abgeschickt das ist der letzte Schritt
vor Erhebung der Klage.  Ein Gerichtsverfahren zur Abfallrahmenrichtlinie 75/442 idF
91/156 ist bereits seit 2001 unter C-194/01 anhängig.

Die Kommission hat am 26. 6. 2002 jedoch auch wegen Missachtung von
Umweltrichtlinien durch die Bundesländer Beschlüsse gegen Österreich gefasst. So
wird Klage wegen Missachtung der Fauna-Flora-Habitat-RL 92/43 erhoben. Das
Bundesland Steiermark habe bei Genehmigung einer Golfplatzerweiterung die
Auswirkungen auf die Wachtelkönigpopulation missachtet. Es musste auch schon
eine ernste Abnahme des gefährdeten Vogelbestands festgestellt werden. Weiters
wurde an Österreich eine Begründete Stellungnahme wegen Missachtung der UVP-
RL 85/337 idF 97/11 durch einige Bundesländer abgeschickt. Die Bundesländer
Burgenland, Kärnten und Steiermark haben keine Ausführungsgesetze zum
Flurverfassungs-Grundsatzgesetz sowie zum Grundsatzgesetz über die Behandlung
der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten erlassen,
sodass für derartige Vorhaben der Bodenreform entgegen der RL keine UVP
durchzuführen ist. Spitzenreiter bei der Missachtung von Umweltrichtlinien dürfte
jedoch das Bundesland Niederösterreich sein. Gleich drei Begründete
Stellungnahmen an Österreich sind auf fehlerhaftes Verhalten von Niederösterreich


zurückzuführen. Am 23. 10. 2001 wurde Österreich mit Fristsetzung letztmalig
gerügt, weil die Natura 2000-Gebiete “Feuchte Ebene-Leithaauen" und “Welsche
Halten" von Niederösterreich unkorrekt abgegrenzt wurden, in Bezug auf das Projekt
“Pferdesportpark Ebreichsdorf die Naturverträglichkeitsprüfung fehlerhaft
durchgeführt wurde und insofern die bereits vorgenommen Rodungen und
Erdbewegungen richtlinienwidrig erfolgten. Mit einer Begründeten Stellungnahme
vom selben Tag wurde auch die fehlende Schutzgebietsausweisung für das Steinfeld
releviert. Die Projekte Civitas Nova (Flächenwidmungen bei Wiener Neustadt),
Western Park “No Name City" sowie Flugplatzerweiterung Wiener Neustadt-Ost
seien richtlinienwidrig genehmigt und realisiert worden. Am 15. 1. 2002 wurde eine
Begründete Stellungnahme an Österreich versandt, weil das niederösterreichische
Jagdgesetz die Jagd auf Bussarde, Habichte und Rohrweihen entgegen der
Vogelschutz-RL zulasse und es tatsächlich zum Abschuss einer großen Anzahl von
Tieren gekommen sei. Insgesamt rügte die Kommission mit Mahnschreiben vom 23.
10. 2001, dass Österreich 45% der aus wissenschaftlicher Sicht schützenswerten
Gebiete nicht nach Brüssel gemeldet habe und damit 25 gefährdete Vogelarten
unzureichend geschützt seien. Diese Versäumnisse fallen in die Zuständigkeit der
Bundesländer. Die Kommission hat auch schon die Umsetzungsdefizite der
Bundesländer bezüglich der RL zur integrierten Vermeidung und Verminderung der
Umweltverschmutzung aufgegriffen (zB fehlerhafte Landes-Elektrizitätsgesetze).

Nach europäischem Recht wird der Mitgliedstaat wegen Vertragsverletzungen zur
Verantwortung gezogen, unabhängig davon wie innerstaatlich die Kompetenzen
verteilt sind. Insofern hat die Republik Österreich auch für Versäumnisse der Länder
den Kopf hinzuhalten. Abgesehen davon, dass die europäische Umweltschutzpolitik
konterkariert wird und dies zu Lasten der in Österreich lebenden Menschen, Tiere,
Pflanzen und deren Lebensräume geht, verursachen diese Versäumnisse für die
Republik hohen Verwaltungsaufwand, weil die Verfahren über die Republik
abzuwickeln sind. Darüber hinaus können seit dem Vertrag von Maastricht gemäß
Art 228 Abs 2 EGV über den fortgesetzt säumigen Staat empfindliche Geldstrafen
(Pauschalbeträge oder Zwangsgelder) durch den EuGH verhängt werden. Aus all
diesen Gründen muss der Bund ein Interesse daran haben, dass die Länder der
Umsetzung von Richtlinien in ihrem Kompetenzbereich in Gesetzgebung und
Vollziehung nachkommen.

 

Den unterzeichneten Abgeordneten ist nicht bekannt, dass die Bundesregierung
irgendwelche politischen Instrumente einsetzen würde, um bei den Bundesländern
die notwendigen Umsetzungsmaßnahmen zu urgieren. Aus Anlaß des Beitritts zur
Europäischen Union wurden die rechtlichen Instrumente, Säumigkeiten oder
fehlerhafte Umsetzungen der Bundesländer zu relevieren, nur sehr beschränkt
ausgeweitet. So ist in Art 23 d Abs 5 B-VG zwar klar festgehalten, dass die
Bundesländer in ihrem Kompetenzbereich die EU-Vorgaben umsetzen müssen. Eine
Ersatzvornahme des Bundes bei Säumigkeit der Bundesländer ist erst vorgesehen,
wenn ein Gericht der EU festgestellt hat, dass Österreich seinen Verpflichtungen
nicht nachgekommen ist, dh wenn der EuGH eine Vertragsverletzung festgestellt hat.

Die Europäische Union versucht durch ein eigenes Monitoring und gezielte
Transparenz die Umsetzungsmoral der Mitgliedstaaten zu heben. Seit 17. Jänner
2001 sind alle aktuellen Beschlüsse zu Vertragsverletzungsverfahren auf der
Website der Kommission festgehalten und erfolgen dazu Pressemitteilungen. Im
übrigen wird seit 19 Jahren ein jährlicher Bericht über die Kontrolle der Anwendung


des Gemeinschaftsrechts (zuletzt KOM (2001)309) veröffentlicht. Den
österreichischen Abgeordneten ist gemäß Art 23 e B-VG, insbesondere über die
parlamentarische EU-Datenbank ein Zugang zu diesen Dokumenten ermöglicht. Die
Dokumente sind jedoch teilweise sehr verspätet zugänglich bzw ist auch auf diese
Art und Weise keine aktuelle und systematische Darstellung - nach Zahl der
Verfahren, Vorwurf der Kommission, Stand des Verfahrens, innerstaatlich zuständige
Stelle und Position - über die österreichischen Vertragsverletzungsverfahren
gegeben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.  Wieviele informelle Mahnschreiben in Umweltangelegenheiten sind an
Österreich in dieser Legislaturperiode bereits ergangen, welches
Gesetzgebungsorgan bzw. welches Vollzugsorgan wurde gerügt, welcher
Vorwurf wurde erhoben?

2.  Wieviele Vertragsverletzungsverfahren sind derzeit in Umweltangelegenheiten
gegen Österreich anhängig, betrifft dies jeweils eine Bundes- oder
Landeszuständigkeit, welcher Vorwurf wurde seitens der Kommission erhoben
und in welchem Verfahrensstadium befinden sich die Angelegenheiten
derzeit?