4213/J XXI.GP

Eingelangt am: 11.07.2002

ANFRAGE

der Abgeordneten Lichtenberger, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen

betreffend ein "Pilotprojekt" der Integration der Schülerfreifahrt in die
Verkehrsverbünde

Der ORF berichtete am 5.7. (tirol.ORF.at) über eine "Neuorganisation der
Schülerfreifahrt" nach einer am 05.07.2002 in der Wirtschaftskammer Tirol erfolgten
Präsentation, bei der die Verkehrsverbund Tirol GmbH allen am VVT beteiligten
Verkehrsunternehmen das Organisations- und EDV-Projekt zur Einbeziehung der
Schülerfreifahrt in den VVT, den SW und den VVK vorgestellt hatte.

"Verkehrsverbund Tirol, Sozialminister und Verkehrsunternehmen haben sich

darauf geeinigt, dass die Schüler- und Lehrlingsfreifahrt auf eine neue Basis

gestellt wird. Statt einer ganzen Reihe von Ausweisen soll es nur mehr einen

einzigen Fahrausweis geben.

Als zusätzliches Angebot soll es auch die Möglichkeit der Aufzahlung geben,

um das Ticket auch in größerem Umfang nützen zu können.

Noch ist es für die 45.000 Fahrschüler in Tirol allerdings noch nicht so weit.

Damit   das   System   einwandfrei   funktioniert,   immerhin   sind   daran   22

Verkehrsunternehmen     beteiligt,     braucht     es     noch     eine     längere

Vorbereitungszeit.

Den neuen Freifahrtsausweis soll es im Schuljahr 2004/2005 geben."

Von einer "Einigung" kann allerdings im Ernst nicht die Rede sein, da nach äußerst
glaubwürdigen Informationen die beteiligten Verkehrsunternehmen, an der Spitze die
VertreterInnen der ÖBB, die Präsentation nach kurzer Zeit aufgebracht verließen.

Die AnfragestellerInnen begrüßen die vom Bundesminister für Soziale Sicherheit und
Generationen verfolgte Absicht, die SchülerInnen- und Lehrlingsbeförderung in die
Verkehrsverbünde zu integrieren.

In einer Mitteilung aus dem BMSG vom 8.7. an ein Tiroler Verkehrsunternehmen
heißt es:

"Im neuen System wird die Schüler- und Lehrlingsfreifahrt auf Basis eines

kleinräumigen Zonensystems realisiert. Damit wird auch für die Schüler- und

Lehrlingsfreifahrt die freie Wahl der Verkehrsmittel für den Weg von und zur

Schule möglich.

Zukünftig wird nur noch ein Antrag und ein Fahrausweis für die gesamte

Strecke notwendig sein.

Ein   weiterer   Vorteil   ist   darin   zu   sehen,   dass   die   Verrechnung   der

Fahrpreisersätze einheitlich über die  Verbundgesellschaften erfolgt,  denn


damit wird die klare Abrechnung der Leistung und die Kontrolle der
Mittelverwendung aus dem FLAF erleichtert und der Verwaltungsaufwand auf
jeder Ebene für die Abwicklung der Schüler- und Lehrlingsfreifahrt reduziert."

Sowohl die Verwaltungsvereinfachung als auch die Transparenz der Geldflüsse und
ebenso der Anreiz zur verstärkten Nutzung des öffentlichen Verkehrs durch die
kostengünstige Erweiterung des SchülerInnen- oder Lehrlingstickets auf auch für
den Freizeitverkehr nutzbare Verbundstrecken- oder Zeitkarten wird von den
AnfragestellerInnen begrüßt.

Es besteht aber das Problem,

a)     dass die Neufassungen der Grund- und Finanzierungsverträge für die
Verbundorganisationsgesellschaften gerade erst verhandelt werden und hier
teilweise noch erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den beteiligten
Gebietskörperschaften und auch zwischen Verbundorganisationsgesellschaften
und Verkehrsunternehmen bestehen;

b)     dass die bestehenden Vereinbarungen zwischen dem BMSG und den
Verkehrsunternehmen (ÖPNRV-G § 29) nicht einseitig und gewissermaßen per
Zwangsakt durch Vereinbarungen zwischen dem BMSG und
Verbundorganisationsgesellschaften ersetzt werden können;

c)     dass die Aufgabenträgerrolle der Gemeinden und Länder (ÖPNRV-G §§11,
13) und deren Verantwortung für die Planung und Bestellung von
Verkehrsdienstleistungen im Gesamtzusammenhang der Aufgabenverteilung
nach dem ÖPNRV-G nicht durch Vereinbarungen zwischen Ministerien und
Verbundorganisationsgesellschaften umgangen werden darf, und insbesondere

d)     dass die Frage der Aufteilung der durch das genannte "Pilotprojekt"
entstehenden Kosten und die Frage der Finanzierung der den SchülerInnen
und Lehrlingen einzuräumenden verbilligten Erweiterungsmöglichkeit des
Geltungsbereichs der Fahrscheine auf die Gebietskörperschaften und ihre
Verbundorganisationsgesellschaften und die Verkehrsunternehmen noch
keineswegs einvernehmlich gelöst ist.

Die Sicherung und Finanzierung der vom Bundesgesetzgeber gewünschten
SchülerInnen- und Lehrlingsfreifahrt ist unzweifelhaft eine Aufgabe des Bundes.
Angesichts der im F-VG getroffenen eindeutigen Verfassungsregelungen und gerade
auch angesichts des Stabilitätspaktes zwischen den Gebietskörperschaften wird es
wohl nicht möglich sein, Kosten für wie immer wünschenswerte Verbesserungen auf
andere Gebietskörperschaften "abzuladen". Es wird auch nicht möglich sein,
Verkehrsunternehmen zwangsweise zur Gewährung von Verbilligungen anzuhalten:
Die Kompetenz der Verbundorganisationsgesellschaften, im Rahmen einer
bundeseinheitlichen Tarifsystematik (ÖPNRV-G § 15 Z 2) Rahmenvorgaben für die
Tarifsystematik im Verbundraum festzulegen (§ 18 Z 1) beinhaltet nicht das Recht, in
die Tarifautonomie der Verkehrsunternehmen (§ 16 Z 1), also in den Kernbereich
unternehmerischer Eigenverantwortung, einzugreifen.

Was der Bundesminister für Soziale Sicherheit und Generationen als Verwirklichung
eines großen familien- und verkehrspolitisches Anliegens abfeiert, stellt sich bei
näherer Betrachtung als Lösung zu Lasten Dritter - nämlich der anderen
Gebietskörperschaften und der Verkehrsunternehmen - heraus.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE:

1. Wie werden Sie einzelnen sicherstellen, dass bei der Neugestaltung der Grund-
und Finanzierungsverträge für die Verkehrsverbünde die gesetzlichen Vorgaben
des ÖPNRV-G in Bezug auf die Aufgabenträgerschafts- und
Finanzierungsverantwortung eingehalten werden?

2. Welche Massnahmen haben Sie insbesondere getroffen, dass die Integration der
SchülerInnen- und Lehrlingsfreifahrt in die Verkehrsverbünde gesetzeskonform
und im Einvernehmen mit allen beteiligten Gebietskörperschaften erfolgt?

3. Welche Aufteilung der zusätzlichen Kosten aus dieser Maßnahme (inklusive der
Erweiterungsmöglichkeit von SchülerInnen- und Lehrlingsfreifahrscheinen auf
reguläre Verbundfahrscheine) zwischen den beteiligten Partnern (VOGen und
Verkehrsunternehmen) streben Sie an?

4. Wie ist der Verhandlungsstand in den vom "Pilotprojekt" betroffenen
Verbundräumen und welche Hindernisse für ein Einvernehmen bestehen dort
noch?

5. Werden Sie in ihrem Kompetenzbereich sicherstellen, dass die Verhandlungen
unter Respektierung der Vorgaben des ÖPNRV-G über die partnerschaftliche
Zusammenarbeit zwischen Verbundorganisationsgesellschaften und den
jeweiligen Kooperationsgemeinschaften der Verkehrsunternehmen geführt
werden?