4251/J XXI.GP

Eingelangt am: 12.07.2002

ANFRAGE

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Beeidigung von Zeugen nach dem Gesetz vom 3. Mai 1868, RGBl 33

Wer als Zeuge in einem Zivil- oder Strafprozeß vereidigt wird, muss ohne Rücksicht
auf sein Religionsbekenntnis dieselbe Eidesformel sprechen : "Ich schwöre vor Gott,
dem Allmächtigen und Allwissenden, einen reinen Eid, dass ich über alles, worüber
ich vom Gericht werde befragt werden, die wahre und volle Wahrheit und nichts als
die Wahrheit aussagen werde; so wahr mir Gott helfe." Geregelt ist die Beeidigung
von Zeugen im Gesetz vom 3. Mai 1868, RGBl 33. Nur wem seine Religionslehre die
Eidesablegung nicht erlaubt, kann der Eidesablegung durch einen Handschlag aus
dem Weg gehen. Geregelt ist weiters, wie sich Christen, Juden und Mohammedaner
bei der Eidesablegung verhalten müssen. Christen müssen dabei den Daumen und
die ersten zwei Finger hochheben und den Eid vor einem Kruzifix und zwei
brennenden Wachskerzen ablegen, Juden ihr Haupt bedecken und die rechte Hand
auf eine bestimmte Stelle der Thora legen. Mohammedaner müssen - laut dem
Hofdekret aus dem Jahr 1826 - die Eidesformel in Arabisch sprechen, wobei sie bei
Ablegung des Eides den Zeigefinger einer Hand nicht in die Höhe halten dürfen.

An Atheisten hat der Gesetzgeber im Jahre 1868 nicht gedacht. 1931 stellte der
OGH fest, dass bei "Ungläubigen" die Anrufung Gottes zu erlassen ist. Bereits 1973
formuliert der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichtes Wien, Dr. Felix
Sinzinger, verfassungsrechtliche Vorbehalte gegen das Eidesgesetz. Dennoch kam
es bis heute zu keiner Reform des Eidesgesetzes.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1. Halten Sie die gesetzliche Möglichkeit, Zeugen zu vereidigen, für erforderlich?


2. Hatten Sie es in einem säkularen Verfassungsstaat für zeitgemäß , Zeugen bei
"Gott, dem Allmächtigen" schwören zu lassen?

3. Ist Ihrer Meinung nach der (mögliche) Zwang zur Ablegung eines religiösen Eides
mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit vereinbar, wonach niemand zu einer
religiösen Handlung gezwungen werden darf?

4. Halten Sie es mit den Grundprinzipien eines demokratischen Rechtsstaates

vereinbar,

dass durch den religiösen Eid mit der Strafe Gottes gedroht wird?

5. Falls Sie eine der Fragen 1 bis 5 mit "nein" beantwortet haben , beabsichtigen Sie
eine Aufhebung bzw. Reformierung des Eidgesetzes?

a) Wenn ja, wann und in welcher Form soll das Eidesgesetz reformiert bzw.
aufgehoben werden?

b) Wenn nein, wollen Sie, dass das Eidesgesetz 1868 auch noch zu Beginn des
dritten Jahrtausends in Österreich angewendet wird?

6. Falls Sie eine der Fragen 1 bis 5 mit "ja" beantwortet haben, begründen Sie bitte
die Antwort(en).

7. Gibt es Untersuchungen und Statistiken, wie häufig und in welcher Form
Vereidigungen von Zeugen erfolgen?

a) Wenn ja, bitte um Bekanntgabe der Untersuchungsergebnisse.

b) Wenn nein, wäre es nicht sinnvoll, eine derartige Untersuchung anzuordnen?