4348/J XXI.GP

Eingelangt am: 19.09.2002

ANFRAGE

der Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen

betreffend ÖIAG - VA Tech im Zusammenhang mit dem geplanten Ilisu-Staudamm-
Projekt

Der VA Tech-Konzern ist aus den verschiedenen Industrieanlagebau-Unternehmen
der vormals verstaatlichten Industrie hervorgegangen. Eine der fünf
Unternehmensbereiche ist die VA Tech Hydro, die sowohl Wasserkraftwerke als
Gas-Kombikraftwerke baut. Die VA Tech Hydro besitzt auch die Schweizer Sulzer
AG, die wiederum die Leitung im Ilisu-Baukonsortium inne hat. Im
Unternehmensbereich VA Tech Hydro sind rund 3000 Mitarbeiter beschäftigt. Der
Umsatz dieser Sparte betrug im Jahr 2000 738 Millionen Euro. Die staatliche ÖIAG
hält insgesamt fast ein Drittel - nämlich 31,2 % - an der VA Tech; 24 % direkt und
den Rest via der Voest-Alpine, an der die ÖIAG mit 37,8 % beteiligt ist.

Mit dem geplanten Ilisu-Staudamm soll der Tigris nur 65 Kilometer vor der syrischen
und irakischen Grenze in Ostanatolien aufgestaut werden. Der Damm selbst soll 138
Meter hoch sein und einen Stausee mit einer Größe von 300 Quadratkilometern
bilden. Widerstand gegen dieses Projekt gibt es sowohl in der Türkei selbst, als auch
international, da die Folgen in vielerlei Hinsicht katastrophal wären:

·        Umweltauswirkungen: Es wurde nicht ausreichend Sorge getragen, dass die
Wasserqualität des Tigris-Flusses erhalten bleibt.

·        Völkerrechtliche Auswirkungen: Durch das Projekt wird völkerrechtswidrig
Wasser den flußabwärts gelegenen Ländern Syrien und dem Irak entzogen, was
dort wiederum katastrophale Konsequenzen hätte. Es gibt kein internationales
Abkommen, der Ilisu-Damm wäre also eine permanente Quelle für zwischen-
staatliche Spannungen und Auseinandersetzungen.

·         Menschenrechtsauswirkungen: 52 Dörfer und 15 Kleinstädte müssten dem llisu-
Projekt weichen. Bis zu 78.000 Menschen - hauptsächlich Kurdinnen - wären
davon betroffen.

·        Kulturelle Auswirkungen: Mit der Stadt Hasankeyf würde ein einmalige
Kulturdenkmal überflutet werden. Hasankeyf gilt als einzige Stadt Anatoliens, die
seit dem Mittelalter vollständig erhalten ist und wurde deshalb auch 1978 unter
Denkmalschutz gestellt.


Aufgrund des Drucks vieler NGOs zogen sich immer mehr Baufirmen aus dem
Projekt zurück. Im Jahr 2000 waren dies die Schweizer ABB und die schwedische
Skanska. 2001 folgten die Unternehmen Balfour Beatty (Großbritannien) und
Impreglio (Italien). Diese Firmen hatte offensichtlich die Zeichen der Zeit erkannt. Am
27. Februar 2002 gab schließlich die Schweizer Großbank UBS bekannt, ihr
Beratungsmandat für das Ilisu-Projekt zu beenden. Ausschlaggebend für diese
Entscheidung war laut UBS, dass “bis heute keine abschließende Festlegung der
flankierenden Maßnahmen zur Eindämmung der sozialen und ökologischen Aus-
wirkungen des Projekts erfolgt
sei"1. Die Bank hat sich also den Argumenten der
Projektkritikerinnen angeschlossen. Nur noch zwei ausländische Firmen halten an
dem Ilisu-Projekt fest: die französische Aistom und die österreichische VA Tech.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:


 

1.  Berücksichtigt die ÖIAG als Hauptaktionär der VA Tech die Umwelt- und
Sozialverträglichkeit von Projekten, an denen die VA Tech arbeitet? Wie
beurteilen ÖIAG und Finanzministerium diesen Aspekt beim Ilisu-Projekt?

2.   Inwiefern berücksichtigt die ÖIAG als Hauptaktionär der VA Tech, ob Projekte, an
      denen die VA Tech arbeitet, völkerrechtlich umstritten sind und zu regionalen
      bewaffenten Konflikten führen können? Wie beurteilen ÖIAG und
      Finanzministerium diesen Aspekt beim Ilisu-Projekt?

 3  .Sind der ÖIAG (und damit dem Finanzministerium) andere VA Tech-Projekte
      bekannt, die - ähnlich wie llisu - aus Umwelt- Menschenrechts-, Völkerrecht-
      oder ähnlichen Gründen - umstritten sind?

 4.  Die ÖIAG vertritt nach eigenen Angaben die Politik, dass ÖIAG-Unternehmen
      eine Wertsteigerung erfahren sollten. Eine solche Wertsteigerung wäre für die VA
      Tech u.a. durch die Aufnahme in Nachhaltigkeitsaktien-Fonds möglich. Wie
      beurteilen ÖIAG und Finanzministerium die Möglichkeit, dass die VA Tech wegen
      solch umstrittener Projekte wie llisu nicht in solche Fonds aufgenommen wird?
      Wie beurteilen ÖIAG und Finanzministerium die Konsequenzen einer derartigen
      
Entscheidung für die VA-Tech?