475/J XXI.GP

 

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen

an die Österreichische Bundesregierung betreffend

„Sofia - Connection mit österreichischer Beteiligung (z.B. Firma Augustin, Salzburg und

Firma Walter, Niederösterreich)?“

 

Manche Fuhrunternehmen (Spediteure bzw. Frächter) in der Europäischen Gemeinschaft

verstoßen nach Presseberichten und Erfahrungen der Gewerkschaften seit Jahren gegen das

nationale Recht einzelner Mitgliedstaaten sowie auch gegen das Gemeinschaftsrecht („graue

und illegale Kabotage“).

Das „Erfolgsrezept“ der hart umkämpften europäischen Transportbranche lautet: Gründung

von Tochterfirmen. Niederlassungen und Registrierung von Lkws in Mittel -  bzw. Osteuropa

(z.B. Bulgarien) sowie Beschäftigung für Fahrer aus Billiglohnländer auch für Transporte

innerhalb der EU. Die Fahrzeuge tragen Kennzeichen aus Drittstaaten (z.B. Sofia) und

solange die Fahrzeuge nicht zwischen den EU - Staaten fahren, ist diese Praxis legal. Die

wirkliche Praxis sieht allerdings ganz anders aus. Gütertransporte der Fuhrunternehmen

finden jedoch grenzüberschreitend innerhalb der Europäischen Union statt. Die Fahrer

werden zu Dumpinglöhnen für Transporte innerhalb der EU eingesetzt

(innergemeinschaftlicher Kabotageverkehr).

Damit werden feste Tarife (Kollektivvertragslöhne) sowie Aufenthalts -  und

Arbeitsrechtsbestimmungen (z.B. Lenk -  und Ruhezeiten) umgangen. Diesen absoluten

Wettbewerbsverletzungen gehen zu Lasten korrekt tätiger Speditionen / Frächter die ihren

Sitz in einem EU - Mitgliedsland haben. Für die Fahrer bedeutet dies ruinöser Lohn und

Preisdruck.

 

Die Reutlinger Spedition Willi Betz - Europas größter Spediteur - hat dieses illegale System

perfektioniert, aber auch andere Spediteure versuchen dies in der EU nachzuahmen. So nach

dem Bericht in „Der Zeit“ vom 3.2.2000 auch die Salzburger Spedition „Augustin“ und die

niederösterreichische Spedition „Walter“. Letztere verfügt jedoch nach gewerkschaftlicher

Informationen über keim einziges Fahrzeug, sondern vermietet nur die Planen.

 

Bulgarien ist das Zauberwort und der Trick, mit dem „Betz“ die Konkurrenz in Europa in

Grund und Boden fährt. Entscheidend für das Betz - Modell ist eine ausgeklügelte Logistik

(Rechenzentren mit Alcatel - Satellitennavigation). Bei Transporten zwischen EU - Ländern ist

diese Kombination aus Logistik und Lohndumping ebenso unschlagbar, aber illegal!

Fahrer, die nicht aus EU - Staaten stammen aber innerhalb der EU fahren, benötigen eine

Arbeitsgenehmigung. Diese haben sie nicht, ihre Legitimation besteht meist aus einem

Touristenvisum für die sog. Schengen - Staaten (also die Mehrzahl der EU - Mitglieder, die

Personenkontrollen im Grenzverkehr meistgehend abgeschafft haben) oder einer

Gewerbeberechtigung bzw. Arbeitsgenehmigung für Werkstattarbeiten.

Gegen die Spedition Betz ermitteln zur Zeit die Staatsanwaltschaften Tübingen,

Stuttgart und Freiburg.

 

Wer mit offenen Augen auf österreichischen (oder europäischen) Autobahnen fährt, wird

ebenfalls bemerken, dass immer mehr Lkws von österreichischen oder deutschen

Transportunternehmen in einem anderen Staat (meist Drittstaat, z.B. Bulgarien) registriert

sind. So sind z.B. von den 4.000 LKW des größten deutschen Frächters Willi Betz nunmehr

500 in der BRD angemeldet. Im Regelfall werden derartige Fahrzeuge von Lenkern aus

Bulgarien, Tschechien, Polen etc. zu Dumpinglöhnen gelenkt, wobei diese meist nur über ein

Touristenvisum verfügen. Der Artikel der Zeitung „Die Zeit“ vom 3.2.2000 beschreibt diese

Situation sehr deutlich. Diesem Artikel ist auch zu entnehmen, dass osteuropäische LKW -

Lenker der Salzburger Spedition Augustin (Steindorf bei Straßwalchen) und der

niederösterreichischen Spedition Walter (Wiener Neudorf) ohne Arbeitserlaubnis an der

deutsch - schweizerischen Grenze erwischt wurden.

 

Der europäischen Transportarbeiter - Föderation ist dieser Skandal bekannt, zahlreiche

Forderungen wurden an die EU - Kommission gerichtet (z.B. europäischer

Sozialversicherungsausweis einheitliche Kompetenzen der staatlichen Kontrollorgane).

Unklar ist nämlich, welche nationalen Behörden für die unterschiedlichen Kontrollen

zuständig sind. „Betz hat beispielsweise 135 Lastwagen in Frankreich angemeldet, beschäftigt

dort aber nur 15 Fahrer. Die meisten Lastzüge werden von Bulgaren gelenkt. Sind sie aber nur

zwischen den Niederlanden und Belgien unterwegs, kann weder die niederländische noch die

belgische Polizei eingreifen, selbst wenn der Fahrer nur ein Touristenvisum aber keine

Arbeitserlaubnis hat. Die mangelnden Kontrollmöglichkeiten eröffnen einen rechtsfreien

Raum, den Betz und seine Nachahmer ausnutzen (Die Zeit: 3.2.2000).“

 

Am 7.3.2000 wurde in Brüssel im Rahmen des sozialen Dialoges dieses Problem diskutiert

und es wurde eine Arbeitsgruppe gebildet (Fahrer aus Drittstaaten mit EU - Fahrzeugen). Bis

Sommer 2000 müssen Ergebnisse vorliegen.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die österreichische Bundesregierung

folgende Anfrage:

 

 

1.  Ist Ihnen dieser Artikel „Die Sofia - Connection“ in der Zeitung „Die Zeit“ vom 3.2.2000

     bekannt?

 

2.  Sieht die österreichische Bundesregierung ebenso das Problem der grauen und illegalen

     Kabotage?

 

3.  Wenn ja, welche Maßnahmen wird die österreichische Bundesregierung gegenüber diesen

     illegalen Praktiken unternehmen?

 

4.  Gegen welche Bestimmungen im Güterbeförderungsrecht, Aufenthaltsrecht,

     Ausländerbeschäftigungsrecht und Sozialversicherungsrecht wird bei oben beschriebener

     Praxis der grauen und illegalen Kabotage verstoßen?

 

5.  Welche österreichischen Behörden sind befugt, die Verletzungen auf den verschiedenen in

     Frage 29 genannten Rechtsgebieten bei Grenz -  bzw. Straßenkontrollen oder bei

     Betriebskontrollen festzustellen und gegebenenfalls zu ahnden?

 

6.  Hält die österreichische Bundesregierung die gegenwärtigen Befugnisse der

     verschiedenen Behörden für ausreichend und für genügend koordiniert? Oder gibt es nach

     Ihrer Auffassung auf dem Gebiet der „grauen bzw. illegalen Kabotage“ Rechts -  und / oder

     Überwachungslücken?

 

7. Wer ist in Österreich zuständig für die Kontrolle der Aufenthalts -  und der

    Arbeitsgenehmigung von Fahrern aus EU - Staaten und Drittstaaten (z.B. Mittel -  und

    osteuropäische Staaten)?

 

8.  In welcher Form wird die Aufenthalts -  und die Arbeitsgenehmigung von LKW - Fahrern

     aus EU - Staaten und Drittstaaten in Österreich kontrolliert?

 

9.  Wurden diesbezügliche Kontrollen durch das jeweils zuständige Ministerium bereits

     veranlasst? Wie viele Kontrollen gab es 1999?

 

10. Gab es jemals in Österreich (so wie in der BRD im Juli 1999) eine Schwerpunktkontrolle

      durch die jeweils zuständigen Ministerien über in der EU zugelassene Fahrzeuge, die von

      Fahrern aus Drittstaaten chauffiert wurden und überwiegend grenzüberschreitenden EU -

      Gütertransporte durchführten?

 

11. Wenn nein, weshalb nicht?

 

12. Wenn ja, wie viele verfügten über eine österreichische Arbeitsgenehmigung bzw. eine

      Arbeitsgenehmigung eines EU - Staates?

 

13. Wie viele besaßen keine Arbeitsgenehmigung?

 

14. Wie viele besaßen nur ein Tourismusvisum?

 

15. Welche behördlichen Maßnahmen werden eingeleitet, wenn diese LKW - Fahrer nur über

       ein Touristenvisum oder über eine Gewerbeberechtigung verfügen?

 

16. Wo und wie erhalten die Mittel -  oder Osteuropäische Fahrer ihre Visa zur Einreise in die

      EU?

 

17. Mit welcher Art von Visum werden die Fahrer ausgestattet?

 

18. Sind Fahrer mit einem Touristenvisum befugt Transporte mit einem Fahrzeug aus einem

      Drittland nach bzw. in Österreich sowie in der EU durchzuführen?

 

19. Unter welchen Bedingungen dürfen Fahrer aus Drittstaaten mit Fahrzeugen, die in der

      Gemeinschaft zugelassen sind, Transporte in Österreich und in der EU

       innergemeinschaftlichen Kabotageverkehr durchführen?

 

20. Welche Sanktionsmöglichkeiten gegenüber dem Lkw - Eigentümer bzw. gegenüber dem

       Fahrer bestehen, wenn der Fahrer in Österreich ohne gültiges Visum bzw.

       Arbeitsgenehmigung für den EU - Binnenverkehr angetroffen wird?

 

21. Wurden bei Verstößen im Sinne der Fragen 18, 19 und 20 Strafen durch die zuständige

       Behörden ausgesprochen?

 

22. Wurden dabei nur die Fahrer bestraft und / oder auch die betreffenden Unternehmer?

 

23. Wenn ja, welche Strafen (z.B. Fahrverbot; Aufenthaltsverbot)?

 

24. Wie viele der österreichischen Spediteure bzw. Frächter haben ein Tochterunternehmen

       bzw. eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat bzw. in einem Drittstaat (ersuche

      um detaillierte Aufschlüsselung auf die einzelnen Länder)?

 

25. Wie viele Speditionsunternehmen bzw. Frächter haben ihre Hauptniederlassung in

       Österreich (ersuche um Aufschlüsselung auf die Bundesländer)?

 

26. Über wie viele Fahrzeuge verfügen diese?

 

27. Wie viele dieser Fahrzeuge sind in Österreich angemeldet?

 

28. Wie viele Fahrzeuge österreichischer Spediteure bzw. Frächter sind in anderen EU -

       Ländern angemeldet (ersuche um Aufschlüsselung auf die einzelnen Staaten)?

 

29. Wie viele Fahrzeuge österreichischer Spediteure bzw. Frächter sind in Drittländern

       angemeldet (ersuche um Aufschlüsselung auf die einzelnen Staaten)?

 

30. Um wie viel Prozent liegen die bei oben beschriebener Praxis bezahlten Löhne der

       osteuropäischen Fahrern unter denen in Österreich üblichen Fahrerlöhnen?

 

31. Welche Maßnahmen wird die österreichische Bundesregierung hinsichtlich des

       Lohndumpings durch die Beschäftigung von Fahrern aus Drittstaaten gegenüber den

       betroffenen Speditionen unternehmen?

 

32. Wie viele Überprüfungen gemäß der RL 88/599/EWG zur Einhaltung der Bestimmungen

       der EU - Verordnungen der EU - Verordnung 3820/85 über die Harmonisierung von

       Sozialvorschriften im Straßenverkehr wurden 1999 vorgenommen (Ersuche um

       Aufschlüsselung auf Bundesländer)?

 

33. Welches Ergebnis erbrachten diese Überprüfungen?

 

34. Wie viele und welche Strafen wurden ausgesprochen (Ersuche um Aufschlüsselung auf

       Bundesländer)?

 

35. Wurden dabei nur die Fahrer bestraft und / oder auch die Unternehmer?

 

36. Ist es richtig, dass osteuropäische Lastwagenfahrer der österreichischen Speditionen

      August (Salzburg) und Walter (Niederösterreich) in den vergangenen Monaten ohne

      Arbeitserlaubnis an der deutsch - schweizerischen Grenze erwischt wurden?

 

37. Wann ja, wie ist der Stand der Verfahren in der BRD?

 

38. Werden Sie für beide Betriebe besondere Kontrollen angeordnet?

 

39. Tritt die österreichische Bundesregierung wie die europäische Transportarbeiter -

       Föderation für einen gemeinsamen europäischen Sozialversicherungsausweis und

       einheitliche Kompetenzen der staatlichen Kontrollorgane bzw. eine europäische

       Kontrollbehörde mit Durchgriffsrecht in den Mitgliedstaaten ein?

 

40. Wenn nein, warum nicht?

 

41. Wie hoch beziffert die österreichische Bundesregierung die Verluste, die der

      mittelständisch strukturierten österreichischen Transportbranche durch die oben

      beschriebene illegale Praxis entstehen?

 

42. Wie hoch schätzt die österreichische Bundesregierung den Einnahmenausfall durch die

       Beschäftigung von Fahrern aus Drittländern für die Sozialversicherung?

 

43. Wie hoch schätzet die österreichische Bundesregierung den Steuerausfall durch das

       Anmelden von LKW in Drittstaaten (z.B. MOE - Staaten) ein? (In Deutschland wird der

       Schaden auf DM 120.000 jährlich pro Lastwagen geschätzt.)

 

44. Wie ist die Zusammenarbeit mit den EU - Partnern bei der Bekämpfung der grauen bzw.

       illegalen Kabotage durch osteuropäische Fahrer auf in der EU zugelassenen Fahrzeugen?

 

45. Hat das Thema graue bzw. illegale Kabotage in den EU - Gremien bereits eine Rolle

      gespielt? Welche Lösungsmöglichkeiten sind dabei diskutiert worden?

 

46. Welche Haltung wird die österreichische Bundesregierung gegenüber der EU -

       Kommission zu dieser Problematik (Fahrer aus Drittstaaten mit EU - Fahrzeugen)

       einnehmen?

 

47. Sieht die österreichische Bundesregierung bei den einschlägigen europäischen

      Rechtsvorschriften noch einen Harmonisierungsbedarf?