484/J XXI.GP

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Petrovic, Öllinger, Stoisits, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Justiz

 

betreffend Landfriedensbruch (§ 274 StGB)

 

 

Nach der allwöchentlichen Demonstration gegen die Bundesregierung kam es in den

frühen Morgenstunden des 3. März 2000 in der Wiener City zur Verhaftung von zwei

jungen Männern durch vermummte Polizisten (schwarze Strumpfmaske bzw. Tuch

ähnlich einem Palästinensertuch).

 

Bei der Verhaftung selbst wurde als Begründung Widerstand gegen die Staatsgewalt

angegeben. Nunmehr wurde über die beiden Verhafteten die Untersuchungshaft

verhängt, wobei ihnen der Vorwurf des Landfriedensbruches gemacht wird. Jedenfalls

haben vier vermummte Polizisten zuvor mit den Verhafteten an der Demonstration

teilgenommen.

 

Abgesehen von den höchstfragwürdigen Umständen, die mit dem Bundesminister für

Inneres zu erörtern sein werden, stellen sich grundsätzliche Fragen der strafrechtlichen

Relevanz des Verhaltens der vermummten Polizisten.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Justiz folgende

 

ANFRAGE:

 

1.   Ist es zutreffend, dass die Strafbarkeit nach § 274 Abs. 1 alle Personen betrifft, die

      wissentlich an einer auf schwere Delikte abzielenden Zusammenrottung

      teilnehmen, unabhängig davon, ob der Teilnehmer/die Teilnehmerin selbst

      tatsächlich Gewalthandlungen setzt?

 

2.   Ist es zutreffend, dass sich der Vorsatz gem. § 274 Abs. I nicht auf die Gewalttat

      selbst, sondern lediglich auf die zielgerichtete Zusammenrottung bezieht?

 

3.   Ist die Teilnahme an einer Zusammenrottung gem. § 274 Abs. 1 als Agent

      Provocateur im österreichischen Recht gerechtfertigt?

 

4.   Handelt es sich bei § 274 StGB um ein Offizialdelikt?

5.   Sind die Organe der öffentlichen Sicherheit verpflichtet, die Begehung von

      Straftaten tunlichst zu vereiteln bzw. falls dies nicht mehr möglich ist, umgehend

      die TäterInnen zu verhaften, um sie einem Strafverfahren zuzuführen? Welche

      Gründe könnten es rechtfertigen, mit einer Verhaftung im Falle des Verdachtes

      der Verwirklichung eines Landfriedensbruches etliche Stunden zuzuwarten?

 

6.   Steht es im Belieben der Organe der öffentlichen Sicherheit, lediglich Personen,

      denen die führende Teilnahme an einer Zusammenrottung vorgeworfen wird (§

      274 Abs. 2), zu verhaften oder müssten sie im Falle des Verdachtes an

      Landfriedensbruch auch die gem. § 274 Abs. 1 verdächtigen Personen verhaften?

 

7.   Könnte im Falle der Teilnahme von vermummten Polizisten an einer

      Zusammenrottung, die möglicherweise das Tatbild des § 274 StGB verwirklicht

      auch eine strafbare Handlung gem. § 13 StGB verwirklicht sein?

 

8.   Beabsichtigen Sie, in der oben geschilderten Angelegenheit Weisungen zu

      erteilen? Wenn ja, in welcher Hinsicht?

 

9.   Werden Sie sicherstellen, dass eine mögliche strafrechtliche Relevanz des

      Verhaltens der mit Strumpfmasken vermummten Polizisten geprüft wird? Wenn

       nein, warum nicht?