734/J XXI.GP

 

                                                               ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundeskanzler

 

betreffend nationalsozialistische Bestimmungen in österreichischen Gesetzen und

Entfernung dieser Gesetzesstellen aus dem Rechtsinformationssystem (RIS) im

Laufe des 19.4.2000

 

 

Mit einer Verordnung vom 29. November 1938 (dRGBl. I S 1680/1938) wurde das im

Deutschen Reich bereits 1934/35 erlassene „Gesetz über die Vereinheitlichung des

Gesundheitswesens“ samt drei Durchführungsverordnungen, auf das Gebiet

Österreichs ausgedehnt, und zwar, um „in Durchführung der neuen Erkenntnisse

über den Zusammenhang von Blut und Boden, Rasse und Volkstum... nicht nur den

Einzelmenschen gesund zu erhalten, sondern den allgemeinen Gesundheitszustand

des gesamten Volkes zu heben und die in ihm liegenden wertvollen Erbgüter zu

schützen und zu fördern.“

 

Im § 3 Abs 1/1, 2, dRGBl. 531/1934, Gesetz über die Vereinheitlichung des

Gesundheitswesens, heißt es weiter: „Den Gesundheitsämtern obliegt die

Durchführung der ärztlichen Aufgaben der Erb - und Rassenpflege einschließlich

der Eheberatung und der gesundheitlichen Volksbelehrung“. Die einzelnen

Durchführungsverordnungen bestimmen dies näher: bei der Erledigung ihrer

Aufgaben werden die Gesundheitsbeamten verpflichtet „mit gesundheitlichen

Einrichtungen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei eng

zusammenzuarbeiten“ (§ 18, dRGBl. 177/1935, Erste Durchführungsverordnung),

"in allen Zweigen der Gesundheitsfür - und - vorsorge sind die Grundsätze der Erb -

und Rassenpflege zu beachten“ (§ 6 Abs 1, 215/1935, Zweite

Durchführungsverordnung)

 

Diese Bestimmungen sind bis heute in Kraft. Selbst im dem Nationalrat 1999

vorgelegten Entwurf eines Bundesgesetzes zur Bereinigung der vor 1946 erlassenen

einfachen Bundesgesetze und Verordnungen wurde nicht ihre Streichung aufgrund

des nationalsozialistischen Inhalts vorgesehen, sondern wurden sowohl das Gesetz

über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens als auch die drei

Durchführungsverordnungen mit 1.1.2000 in ihrer Gesetzeskraft bestätigt.

 

Nach einem Zeitungsartikel am 19.4.2000 über die noch immer gültigen

Gesetzesbestimmungen, die im Rechtsinformationssystem auf der Homepage des

Bundeskanzleramtes abrufbar waren, hat das Bundeskanzleramt ohne rechtliche

Grundlage sämtliche eindeutigen nationalsozialistischen Paragraphen aus dem RIS

entfernt und mit der Anmerkung „ gegenstandslos“ versehen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

        1. Haben Sie Kenntnis über die Dokumentation von Gesetzen und

Verordnungen mit eindeutig nationalsozialistischem Inhalt im RIS?

 

        2. Haben Sie Kenntnis über die Aufnahme von Vorschriften

nationalsozialistischen Inhalts in den „Index Systematisches Verzeichnis des

geltenden Bundesrechts“, der seit Mitte der achtziger Jahre vom Bundeskanzleramt

herausgegeben wird?

 

        3. Inwiefern wurde bei der Erstellung dieses Index auf nationalsozialistisches

Gedankengut bzw. auf Entfernung dessen aus österreichischen Gesetzen geachtet?

 

       4. Haben Sie Kenntnis über im RIS vor dem 19.4.2000 dokumentierte

Gesetzesbestimmungen mit nationalsozialistischen Inhalten, beispielsweise das

„Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens“ samt drei

Durchführungsverordnungen?

 

       5. Inwiefern halten Sie solches Gedankengut enthaltende Vorschriften für

problematisch?

 

       6. Warum wurden Gesetzesbestimmungen mit nationalsozialistischen Inhalten

vor dem Beschluß des Ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetzes‘ BGBl. 191/1999

nicht außer Kraft gesetzt?

 

       7. Von wem wurde die Löschung solcher Normen aus dem RIS im Laufe des

19.4.2000 angeordnet?

 

       8. Auf welcher rechtlichen Grundlage basierte die Löschung dieser Normen aus

dem RIS? Welchen Zweck sollte die Löschung erfüllen?

 

       9. Nach welchen Kriterien ging man bei der Löschung der Begriffe bzw.

Bestimmungen vor? Warum wurde beispielsweise das Wort "Krüppelvorsorge" nicht

gelöscht?

 

     10. Gibt es Ihrerseits Initiativen zur Außerkraftsetzung oder zumindest

inhaltlichen Bereinigung von Normen mit nationalsozialistischem Gedankengut?

Wenn ja, welche und in welchem Zeitrahmen? Wenn nein, warum nicht?