757/J XXI.GP

 

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Justiz

 

betreffend weitere Gutachten im Fall Marcus Omofuma

 

Die Originalakten der ,,Causa Omofuma“ unterstützen den Verdacht des Quälens mit Todesfolge

eindringlichst.

 

Alle Fesselungen und Verklebungen waren dazu angetan die Atmung zu behindern und den Gebrauch

der Atemhilfsmuskulatur massiv einzuengen. Fesselungen und Verklebungen waren derart brutal

angelegt, daß selbst verzweifelte Kraftanstrengungen des ,,Schüblings“ den begleitenden Beamten

fälschlicherweise nur Gegenwehr und nicht die vermutliche Todesangst signalisierten.

Das Zurückbinden und Fixieren des Kinns verschärfte die kritische Situation beträchtlich, wobei die

damit verbundenen Gefahren in jedem Erste Hilfe Kurs vermittelt werden.

Es fällt weiter auf, daß in dieser kritischen Situation bis zum Eintreffen eines Arztes am Flughafen

Sofia keinerlei Erste Hilfe Maßnahmen gesetzt wurden.

Die doch sehr ausgeprägten Weichteilverletzungen während des Abschiebeprozesses und die nahezu

totale Inmobilisierung des ,,Schüblings“ während des Fluges könnten mit großer Wahrscheinlichkeit die

beschriebenen Lungenembolien provoziert haben.

Wie es zur Verkennung dieser bedrohlichen Situation kommen konnte, ist mehr als nur

erklärungsbedürftig.

 

Zum Gutachten:

1) Es ist ebenso unverständlich wie ungewöhnlich, daß in einem derart kritischen wie auch politisch

heiklen Fall dem Vorwurf der Befangenheit nicht durch die Bestellung eines unabhängigen,

ausländischen Gutachters begegnet wird. Unverständlich ist es auch weshalb der „Wiener Gutachter“

seine Thesen nicht durch Zuziehung ausgewiesener Experten (Kardiopathologen) absichern ließ.

2) Besonders fällt auf, daß in dem Wiener Gutachten persönliche Wahrnehmungen, Eindrücke und

Beobachtungen immer wieder klare wissenschaftliche Fakten und Statistiken ersetzen und dabei fast

anektotischen Charakter annehmen. In keinem Fall werden die geäußerten Hypothesen durch Zitate

wissenschaftlicher Literatur belegt.

3) Der Nachweis viraler oder bakterieller Herzmuskelentzündungen ist mit molekularbiologischen

Techniken (PCR und RT - PCR) in vielen Fällen zu führen. Diese Techniken und andere Techniken, die

letztlich internationaler Standard sind, wurden jedoch nicht angewandt.

Tiefgefrorene Herzmuskelproben lassen jedoch retrospektiv diese Untersuchungen zu. Das Gebiet der

Kardiopathologie ist ein schwieriges und die Zahl ausgewiesener Experten begrenzt. Auf diese

Expertisen zu verzichten grenzt an gefährliche Überheblichkeit oder Fahrlässigkeit.

4) Verdächtig skurril wird es, wenn der Gutachter das Symptom der „übergangenen Grippe« bemüht

und sich dabei an eine „relativ große Zahl“ von Einzelbeobachtungen plötzlich verstorbener jüngerer

Personen erinnert, die meist „nur etwas verkühlt waren" und nur selten imposante

Herzmuskelveränderungen hatten.

5) Gewagt sind auch die pathophysiologischen Hypothesen, die eine allfällig eintretende

Bewußtlosigkeit bei Sauerstoffmangel als eine Art Schutzfunktion zur Normalisierung der

Sauerstoffsättigung bezeichnen.

6) Die Bemühungen des Konjunktivs zur Relativierung von Erstickungsbefunden gewinnt den

Charakter recht ungenierter Fluchtversuche vor belastenden Fakten. Wenn der Gutachter sich bemüht

aufzuzeigen, daß gerichtsmedizinische Zeichen der Erstickung auch beim Erwürgen, beim heftigen

Stuhlpressen, bei Geburtsvorgängen, beim plötzlichen Kindestod und Opiatvergiftungen vorkommen,

so hätte er ebenso anführen können, daß beim Verstorbenen eine Geburt und ein plötzlicher

Kindestod jedenfalls keine annehmbare Erklärung für diese Befunde bieten.

7) Daß über Herzgröße und Gewicht keinerlei zahlenmäßige Angaben gemacht werden, obwohl die

These des vorgeschädigten Herzens verfolgt wird, ist mehr als ungewöhnlich.

8) Wissenschaftlich unhaltbar und in höchstem Maße unseriös ist die Behauptung, daß Marcus

Omofuma „die gegenständliche Abschiebung mit allen ihren Modalitäten mit großer Wahrscheinlichkeit

überlebt hätte, wäre er nicht herzkrank gewesen“.

Dem Gutachter müssen die Grundregeln einer wissenschaftlichen und experimentellen Beweisführung

bekannt sein. Es ist mit ausreichender Sicherheit anzunehmen, daß es keine Experimente gibt, ja

geben darf, in denen Gesunde und Herzkranke diesen Folterungen ausgesetzt werden, um dann

daraus den Schluß zu ziehen, daß in der einen Gruppe weniger sterben als in der anderen.

Hier wird suggestiv eine nicht vorhandene Naturwissenschaftlichkeit vorgetäuscht.

9) Der Satz „Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Tod des Marcus Omofuma und speziell

der Verklebung des Gesichtes ist mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nicht zu

belegen“, scheint einer klaren Kompetenzüberschreitung nahe zu kommen. Die strafrechtlich relevante

Sicherheit zu beurteilen ist Sache des Gerichtes, Sache des Gutachters ist es dem Gericht hinreichend

präzise Beweise zu liefern.

Zumindest geböte Anstand und Seriosität dem Satz einen weiteren hinzuzufügen, nämlich den, daß

auch das Gegenteil nicht mit hinreichender Sicherheit zu belegen ist.

 

Das Wiener Gutachten ist aus den oben zahlreichen angeführten Gründen gelinde

gesagt bedenklich und von doch auffallendem Wohlwollen gekennzeichnet. Wem

dieser für ein Gutachten ungewöhnliche Stil nützt ist unschwer ersichtlich.

Wissenschaftliche Belege, diffizilere Untersuchungsmethoden werden weitgehend

vermisst und können durch zum Teil recht ungewöhnliche Hypothesen und

Vermutungen nicht kompensiert werden.

Die so notwendigen intensivmedizinischen und klinischen Gesichtspunkte werden

wie auch die einfachsten Regeln der Kenntnisse der Ersten Hilfe ausgeklammert.

Unangebrachtes Selbstbewußtsein oder andere Gründe haben dazu, anerkannte

Experten der Kardiopathologie nicht in das Begutachtungsverfahren

miteinzubeziehen. Sachgemäße Lagerung von Gewebsteilen muß eine

Nachbefundung auch heute noch ermöglichen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1.  Im Fall des Todes von Marcus Omofuma liegen zwei widersprüchliche Gutachten

     vor. Werden sie daher die Einholung weiterer Gutachten von international

     anerkannten Klinikern und Pathologen anregen?

 

2.  Werden Sie auch dafür sorgen, daß bei diesen weiteren Gutachten, die beim

     Wiener Gutachten vernachlässigten Untersuchungen nachgeholt werden?

 

3.  Hat der bulgarische Gutachter bereits eine Übersetzung des Wiener Gutachtens

     erhalten?

 

4.  Wurde er zu einer Stellungnahme zu dem Wiener Gutachten, das doch in klare

     Widerspruch zu seinem Gutachten steht, aufgefordert. Wenn ja, wie lautet die

     Stellungnahme? Wenn nein, warum nicht?