793/J XXI.GP
der Abgeordneten Glawischnig, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Land - und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Müllverbrennung im Dampfkraftwerk St. Andrä/Ktn.
Am 28. 1. 2000 erteilte der Landeshauptmann von Kärnten die abfallrechtliche
Versuchsbetriebsgenehmigung zur "Mitverbrennung von nicht gefährlichen Abfällen
(Ersatzbrennstoffen) im Dampfkraftwerk (DKW) St. Andrä“ "in einer Gesamtmenge
von 10.000 t/a bis 20.000 t/a bis zum 31. 1. 2002“. Zwei Jahre lang müssen nun die
Nachbarn dieses Werks zusätzliche Luftschadstoffe, Lärm und Geruchsemissionen
hinnehmen, ohne dass die Behörde ihren Einwendungen in einem ordentlichen
Verwaltungsverfahren nachgegangen wäre. Gegen die
Versuchsbetriebsgenehmigung können die Nachbarn keine Berufung an die
nächsthöhere Instanz erheben. Unseres Erachtens verfolgt die
Versuchsbetriebsgenehmigung nur den Zweck, den Nachbarn die Mitsprache und
Berufungsmöglichkeit zu nehmen und so eine schnelle Inangriffnahme des Projekts
zu ermöglichen.
Unseres Erachtens handelt es sich um eine UVP - pflichtiges Projekt, da Anhang 1
des UVP - G die Umweltverträglichkeitsprüfung im Fall der thermischen Behandlung
von nicht gefährlichen Abfällen mit einer Kapazität von mindestens 20.000 Tonnen
pro Jahr (Zif 4) vorschreibt. Bei Anwendung des UVP - G wäre ein Versuchsbetrieb
unzulässig, stattdessen wäre eine Umweltverträglichkeitserklärung und ein
Umweltverträglichkeitsgutachten zu erstellen. Die BürgerInnen wären durch Auflage
der Projektunterlagen und eine öffentliche Erörterung zu informieren.
Bürgerinitiativen könnten Parteistellung erlangen und so die Rechtmäßigkeit des
Verfahrens kontrollieren.
In der Sache handelt es sich um einen äußerst sensiblen Standort. Der Bezirk
Wolfsberg zählt zu den am stärksten von forstschädlichen Luftverunreinigungen
betroffenen Gebieten in Österreich. Das Bioindikatornetz weist im Bezirk Wolfsberg
viele Schwefel - Grenzwertüberschreitungen auf. In den letzten drei Jahren wurden im
Nahbereich des Dampfkraftwerks die Vegetationsgrenzwerte an 29 bzw. 72 Tagen
überschritten. (Bescheid vom 28. 1. 2000, GZ 8W - Müll - 349/13/2000).
Mit der Mitverbrennung von Abfällen in alten Dampfkraftanlagen wird der Stand der
Technik unterlaufen, denn eine Neuanlage hätte weitaus strengere Grenzwerte
einzuhalten (siehe Anlage 1 zum LRG - K und
LRV - K). Im Folgenden eine
exemplarische Gegenüberstellung Grenzwerten der Versuchsbetriebsgenehmigung
DKW St. Andrä und der im laufenden Genehmigungsverfahren für die MVA
Zistersdorf sachverständig geforderten Grenzwerte (Dipl. Ing. Scheid, Begutachtung
des Projektes Müllverbrennungsanlage Zistersdorf in luftreinhaltetechnischer
Hinsicht):
|
Schadstoff |
MV St. Andrä 20 % |
MVA Zistersdorf |
|
Flourwasserstoff |
0,7 |
0,3 |
|
Chlorwasserstoff |
10 |
7 |
|
SO2 |
116 |
20 |
|
NOx |
300 |
70 |
Werte in mg/m3 HMW, bezogen auf 0 Grad, 1013 mbar, 11 % Bezugssauerstoff, trockenes Abgas.
Das Dampfkraftwerk St. Andrä stand zu dem in den letzten Jahren nur mehr in
Reservebetrieb, so betrug die tatsächliche Betriebszeit im Heizjahr 97/98 nur 6 statt
12 Monate. Die tatsächliche zusätzliche Belastung durch den Einstieg in die
Müllverbrennung ist daher enorm. Dies durch die Zunahme der klassischen
Luftschadstoffe wie SO2, NOx und CO, aber auch durch die mit der Müllverbrennung
gegebenen neuen Luftschadstoffe wie Dioxine, Cadmium, Quecksilber,
Chlorwasserstoff, Fluorwasserstoff usw.
Die Anlage ist offensichtlich eine gefahrengeneigte Anlage im Sinne von § 82
Gewerbeordnung. Österreich ist seit Feber 99 bei der Umsetzung der RL zur
Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (Seveso
II) säumig. Es wäre daher von der Behörde die unmittelbare Anwendung der RL zu
prüfen gewesen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
Zur Ausgangslage/Brennstoffe, „Ersatzbrennstoffe“/Emissionen
1. a) Welche Brennstoffe dürfen in welchem Ausmaß gemäß ordentlicher
Genehmigungen im Dampfkraftwerk St. Andrä eingesetzt werden (Bitte
um Bekanntgabe der diesbezüglichen Bescheide)?
b) Seit wann ist der Einsatz von Altölen erlaubt und in welchem Umfang?
2. Welche Emissionsgrenzwerte für welche Luftschadstoffe muss die Anlage
aufgrund ordentlicher Genehmigungen oder gesetzesunmittelbar einhalten
(Bitte um Bekanntgabe der diesbezüglichen Bescheide)?
3. Warum wird die Müllverbrennung bis 20.000 Tonnen pro Jahr im
Dampfkraftwerk St. Andrä nicht der UVP unterzogen, wurde dem Betreiber ein
derartiger Antrag
gemäß UVP - G nahegelegt?
4. a) Welche der Voraussetzungen des § 354 GewO liegen vor, um einen
Versuchsbetrieb anordnen zu können?
b) Warum ist ein zweijähriger Versuchsbetrieb notwendig?
5. a) Aufgrund welcher gesetzlicher Bestimmungen wurden die
Luftschadstoffemissionen aus der Müllverbrennung beschränkt?
b) Hat die Behörde die Mitverbrennung der Abfälle als Erweiterung der
Anlage im Sinne des § 5 LRG - K eingestuft und die Grenzwerte für
Neuanlagen zur Anwendung gebracht? Wenn nein, warum nicht?
c) Welchen Anteil haben 20.000 Tonnen Abfall am tatsächlichen jährlichen
Brennstoffeinsatz im DKW St. Andrä (Heizperiode 1997/1998)?
6. Laut Auflage 6. der Versuchsbetriebsgenehmigung dürfen Rückstände aus
dem Betrieb der Verbrennungsanlage der Verwertung zugeführt werden. Heißt
das, dass Filter und Asche aus der Rauchgasreinigung, welche zu den
gefährlichen Abfällen zählen (da die Anlage nun auch eine
Müllverbrennungsanlage ist), erneut der Verbrennung zugeführt werden
dürfen?
7. Stimmt es, dass für den Lärmschutzwall Aschen und Fällungsprodukte der
Rauchgasreinigung, das sind wassergefährdende Stoffe, zum Einsatz kommen
sollen?
8. Der luftreinhaltetechnische SV wird im Versuchsbetriebsbescheid zitiert wie
folgt: "Die Analyse der Messergebnisse des Bezugsjahres 1998 zeigt, dass
durch das geplante Vorhaben die Grenzwerte des IG - L - sowohl für gas - als
auch für partikelförmige Luftschadstoffe - mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht
tangiert werden." (Hervorhebung durch die Verf.). Eine solche SV - Aussage ist
nicht geeignet, den gesetzlich geforderten Immissionsschutz nachzuweisen.
Was macht die Behörde, wenn es zu einer Überschreitung der
lmmissionschutzgrenzwerte laut IG - L kommt?
9. In der Versuchsbetriebsgenehmigung wird die Verbrennung von Abfällen
erlaubt, die grundsätzlich als gefährliche Abfälle gemäß der Festsetzungs -VO
einzustufen sind:
|
SN 17211 |
durch organische Chemikalien verunreinigte Sägemehle und - späne |
|
SN 17212 |
durch anorganische Chemikalien verunreinigte Sägemehle und - späne |
Nur die Beifügung „wenn nicht als Aufsaugmittel für gefährliche Abfälle
eingesetzt“ macht sie zu „nicht gefährlichen“ Abfällen.
Filter - und Aufsaugemassen (SN 31434), Polierwolle und Polierfilze (SN
58205), sowie
Filtertücher (58208) dürfen grundsätzlich verunreinigt sein,
jedoch mit „nicht schädlichen Beimengungen“. Frage: Wie wird die Behörde
überprüfen, ob es sich tatsächlich um nicht gefährliche Abfälle handelt und was
passiert, wenn die Einschränkungen des
Versuchsbetriebsgenehmigungsbescheids nicht eingehalten werden?
10. Entspricht die Versuchsbetriebsgenehmigung in Kraftwerken den für die
Mitverbrennung von Abfällen vom Umweltbundesamt empfohlenen Standards
(BE - 119)?
11. a) Unterliegt das DKW St. Andrä, insbesondere die Müllverbrennung, der
Richtlinie zur Beherrschung von Gefahren bei schweren Unfällen mit
gefährlichen Stoffen?
b) Welche gefährlichen Stoffe und Mengen dieser Stoffe hat die ÖDK
betreffend DKW St. Andrä gemäß Artikel 6 der Seveso II - RL gemeldet?
c) Wurde seitens der ÖDK für die Mitverbrennung der Abfälle im DKW St.
Andrä ein Sicherheitsbericht gemäß Artikel 9 der Seveso II - RL vorgelegt?
d) Wurde für das Werk ein externer Notfallplan im Sinne Artikel 11 der
Seveso II - RL erstellt?
e) Wurde die Bevölkerung im Sinne Artikel 13 der Seveso II - RL informiert,
insbesondere über die gefährlichen Stoffe im Betrieb, die Gefahren von
Unfällen einschließlich ihrer potentiellen Folgen für die Bevölkerung?
12. Warum hat die Genehmigungsbehörde im Versuchsbetriebs -
genehmigungsbescheid die Seveso II - RL nicht zur Anwendung gebracht,
sondern auf die veraltete Rechtslage nach der Störfall - VO Bezug genommen?