850/J XXI.GP
des Abgeordneten Mag. Maier
und Genossen
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend „Sofia - Connection mit österreichischer Beteiligung (z.B. Firma Augustin, Salzburg
und Firma Walter, Niederösterreich)?“
Manche Fuhrunternehmen (Spediteure bzw. Frächter) in der Europäischen Gemeinschaft
verstoßen nach Presseberichten und Erfahrungen der Gewerkschaften seit Jahren gegen das
nationale Recht einzelner Mitgliedstaaten sowie auch gegen das Gemeinschaftsrecht („graue
und illegale Kabotage“).
Das ,‚Erfolgsrezept“ der hart umkämpften europäischen Transportbranche lautet: Gründung
von Tochterfirmen. Niederlassungen und Registrierung von Lkws in Mittel - bzw. Osteuropa
(z.B. Bulgarien) sowie Beschäftigung für Fahrer aus Billiglohnländer auch für Transporte
innerhalb der EU. Die Fahrzeuge tragen Kennzeichen aus Drittstaaten (z.B. Sofia) und
solange die Fahrzeuge nicht zwischen den EU - Staaten fahren, ist diese Praxis legal. Die
wirkliche Praxis sieht allerdings ganz anders aus. Gütertransporte der Fuhrunternehmen
finden jedoch grenzüberschreitend innerhalb der Europäischen Union statt. Die Fahrer
werden zu Dumpinglöhnen für Transporte innerhalb der EU eingesetzt
(innergemeinschaftlicher Kabotageverkehr).
Damit werden feste Tarife (Kollektivvertragslöhne) sowie Aufenthalts - und
Arbeitsrechtsbestimmungen (z.B. Lenk - und Ruhezeiten) umgangen. Diesen absoluten
Wettbewerbsverletzungen gehen zu Lasten korrekt tätiger Speditionen / Frächter die ihren
Sitz in einem EU - Mitgliedsland haben. Für die Fahrer bedeutet dies ruinöser Lohn und
Preisdruck.
Die Reutlinger Spedition Willi Betz - Europas größter Spediteur - hat dieses illegale System
perfektioniert, aber auch andere Spediteure versuchen dies in der EU nachzuahmen. So nach
dem Bericht in „Der Zeit“ vom 3.2.2000 auch die Salzburger Spedition „Augustin“ und die
Niederösterreichische Spedition „Walter“. Letztere verfügt jedoch nach gewerkschaftlicher
Informationen über kein einziges Fahrzeug, sondern vermietet nur die Planen.
Bulgarien ist das Zauberwort und der Trick, mit dem „Betz“ die Konkurrenz in Europa in
Grund und Boden fährt. Entscheidend für das Betz - Modell ist eine ausgeklügelte Logistik
(Rechenzentren mit Alcatel - Satellitennavigation). Bei Transporten zwischen EU - Ländern ist
diese Kombination aus Logistik und Lohndumping ebenso unschlagbar, aber illegal!
Fahrer, die nicht aus EU - Staaten stammen aber innerhalb der EU fahren, benötigen eine
Arbeitsgenehmigung. Diese haben sie nicht, ihre Legitimation besteht meist aus einem
Touristenvisum für die sog. Schengen - Staaten (also die Mehrzahl der EU - Mitglieder, die
Personenkontrollen im Grenzverkehr meistgehend abgeschafft haben) oder einer
Gewerbeberechtigung bzw. Arbeitsgenehmigung für Werkstattarbeiten.
Gegen die Spedition Betz ermitteln zur Zeit die Staatsanwaltschaften Tübingen,
Stuttgart und Freiburg.
Wer mit offenen Augen auf österreichischen (oder europäischen) Autobahnen fährt, wird
ebenfalls bemerken, dass immer mehr Lkws von österreichischen oder deutschen
Transportunternehmen in einem anderen Staat (meist Drittstaat, z.B. Bulgarien) registriert
sind. So sind z.B. von den 4.000 LKW des größten deutschen Frächters Willi Betz nunmehr
500 in der BRD angemeldet. Im Regelfall werden derartige Fahrzeuge von Lenkern aus
Bulgarien, Tschechien, Polen etc. zu Dumpinglöhnen gelenkt, wobei diese meist nur über ein
Touristenvisum verfügen. Der Artikel der Zeitung „Die Zeit“ vom 3.2.2000 beschreibt diese
Situation sehr deutlich. Diesem Artikel ist auch zu entnehmen, dass osteuropäische LKW -
Lenker der Salzburger Spedition Augustin (Steindorf bei Straßwalchen) und der
niederösterreichischen Spedition Walter (Wiener Neudorf) ohne Arbeitserlaubnis an der
deutsch - schweizerischen Grenze erwischt wurden.
Der europäischen Transportarbeiter - Föderation ist dieser Skandal bekannt, zahlreiche
Forderungen wurden an die EU - Kornmission gerichtet (z.B. europäischer
Sozialversicherungsausweis; einheitliche Kompetenzen der staatlichen Kontrollorgane).
Unklar ist nämlich, welche nationalen Behörden für die unterschiedlichen Kontrollen
zuständig sind. ‚,Betz hat beispielsweise 135 Lastwagen in Frankreich angemeldet, beschäftigt
dort aber nur 15 Fahrer. Die meisten Lastzüge werden von Bulgaren gelenkt. Sind sie aber nur
zwischen den Niederlanden und Belgien unterwegs, kann weder die niederländische noch die
belgische Polizei eingreifen, selbst wenn der Fahrer nur ein Touristenvisum aber keine
Arbeitserlaubnis hat. Die mangelnden Kontrollmöglichkeiten eröffnen einen rechtsfreien
Raum, den Betz und seine Nachahmer ausnutzen (Die Zeit: 3.2.2000).“
Am 7.3.2000 wurde in Brüssel im Rahmen des sozialen Dialoges dieses Problem diskutiert
und es wurde eine Arbeitsgruppe gebildet (Fahrer aus Drittstaaten mit EU - Fahrzeugen). Bis
Sommer 2000 müssen Ergebnisse vorliegen.
Die österreichische Bundesregierung hat die Beantwortung dieser gleichlautenden Anfrage
(527/AB XXI.GP) mit fadenscheinigen und formalen Gründen verweigert, obwohl hier ein
Koordinierungsbedarf besteht und die damaligen Antragsteller nicht zuletzt aus Spargründen
diese Anfrage auf die Bundesregierung konzentrierten. Desweiteren zeigt sich in dieser
Antwort sehr deutlich, welche Geringschätzung diese österreichische Bundesregierung den
freigewählten Abgeordneten und damit dem österreichischen Parlamentarismus
entgegenbringt.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Verkehr,
Innovation und Technologie folgende
Anfrage:
1. Ist Ihnen dieser Artikel „Die Sofia - Connection“ in der Zeitung „Die Zeit“ vom 3.2.2000
bekannt?
2. Sieht Ihr Bundesministerium ebenso das
Problem der grauen und illegalen Kabotage?
3. Wenn ja, welche Maßnahmen wird Ihr Bundesministerium gegenüber diesen illegalen
Praktiken unternehmen?
4. Gegen welche Bestimmungen im Güterbeförderungsrecht, Aufenthaltsrecht,
Ausländerbeschäftigungsrecht und Sozialversicherungsrecht wird bei oben beschriebener
Praxis der grauen und illegalen Kabotage verstoßen?
5. Welche österreichischen Behörden sind befugt, die Verletzungen auf den verschiedenen in
Frage 24 genannten Rechtsgebieten bei Grenz - bzw. Straßenkontrollen oder bei
Betriebskontrollen festzustellen und gegebenenfalls zu ahnden?
6. Hält Ihr Bundesministerium die gegenwärtigen Befugnisse der verschiedenen Behörden
für ausreichend und für genügend koordiniert? Oder gibt es nach Ihrer Auffassung auf
dem Gebiet der „grauen bzw. illegalen Kabotage“ Rechts - und / oder
Überwachungslücken?
7. Wer ist in Österreich zuständig für die Kontrolle der Aufenthalts- und der
Arbeitsgenehmigung von Fahrern aus EU - Staaten und Drittstaaten (z.B. Mittel - und
osteuropäische Staaten)?
8. In welcher Form wird die Aufenthalts- und die Arbeitsgenehmigung von LKW - Fahrern
aus EU - Staaten und Drittstaaten in Österreich kontrolliert?
9. Wurden diesbezügliche Kontrollen durch das jeweils zuständige Ministerium bereits
veranlasst? Wie viele Kontrollen gab es 1999?
10. Gab es jemals in Österreich (so wie in der BRD im Juli 1999) eine Schwerpunktkontrolle
durch die jeweils zuständigen Ministerien über in der EU zugelassene Fahrzeuge, die von
Fahrern aus Drittstaaten chauffiert wurden und überwiegend grenzüberschreitenden EU -
Gütertransporte durchführten?
11. Wenn nein, weshalb nicht?
12. Wenn ja, wie viele verfügten über eine österreichische Arbeitsgenehmigung bzw. eine
Arbeitsgenehmigung eines EU - Staates?
13. Wie viele besaßen keine Arbeitsgenehmigung?
14. Wie viele besaßen nur ein Tourismusvisum?
15. Welche behördlichen Maßnahmen werden eingeleitet, wenn diese LKW - Fahrer nur über
ein Touristenvisum oder über eine Gewerbeberechtigung verfügen?
16. Wo und wie erhalten die Mittel - oder Osteuropäische Fahrer ihre Visa zur Einreise in die
EU?
17. Mit welcher Art von Visum werden die
Fahrer ausgestattet?
18. Sind Fahrer mit einem Touristenvisum befugt Transporte mit einem Fahrzeug aus einem
Drittland nach bzw. in Österreich sowie in der EU durchzuführen?
19. Unter welchen Bedingungen dürfen Fahrer aus Drittstaaten mit Fahrzeugen, die in der
Gemeinschaft zugelassen sind, Transporte in Österreich und in der EU
innergemeinschaftlichen Kabotageverkehr durchführen?
20. Welche Sanktionsmöglichkeiten gegenüber dem Lkw - Eigentümer bzw. gegenüber dem
Fahrer bestehen, wenn der Fahrer in Österreich ohne gültiges Visum bzw.
Arbeitsgenehmigung für den EU - Binnenverkehr angetroffen wird?
21. Wurden bei Verstößen im Sinne der Fragen 18, 19 und 20 Strafen durch die zuständige
Behörden ausgesprochen?
22. Wurden dabei nur die Fahrer bestraft und / oder auch die betreffenden Unternehmer?
23. Wenn ja, welche Strafen (z.B. Fahrverbot; Aufenthaltsverbot)?
24. Wie viele der österreichischen Spediteure bzw. Frächter haben ein Tochterunternehmen
bzw. eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat bzw. in einem Drittstaat (ersuche
um detaillierte Aufschlüsselung auf die einzelnen Länder)?
25. Wie viele Speditionsunternehmen bzw. Frächter haben ihre Hauptniederlassung in
Österreich (ersuche um Aufschlüsselung auf die Bundesländer)?
26. Über wie viele Fahrzeuge verfügen diese?
27. Wie viele dieser Fahrzeuge sind in Österreich angemeldet?
28. Wie viele Fahrzeuge österreichischer Spediteure bzw. Frächter sind in anderen EU -
Ländern angemeldet (ersuche um Aufschlüsselung auf die einzelnen Staaten)?
29. Wie viele Fahrzeuge österreichischer Spediteure bzw. Frächter sind in Drittländern
angemeldet (ersuche um Aufschlüsselung auf die einzelnen Staaten)?
30. Um wie viel Prozent liegen die bei oben beschriebener Praxis bezahlten Löhne der
osteuropäischen Fahrern unter den in Österreich üblichen Fahrerlöhnen?
31. Welche Maßnahmen wird Ihr Bundesministerium hinsichtlich des Lohndumpings durch
die Beschäftigung von Fahrern aus Drittstaaten gegenüber den betroffenen Speditionen
unternehmen?
32. Wie viele Überprüfungen gemäß der RL 88/599/EWG zur Einhaltung der Bestimmungen
der EU - Verordnungen der EU - Verordnung 3820/85 über die Harmonisierung von
Sozialvorschriften im Straßenverkehr wurden 1999 vorgenommen (Ersuche um
Aufschlüsselung auf Bundesländer)?
33. Welches Ergebnis erbrachten diese
Überprüfungen?
34. Wie viele und welche Strafen wurden ausgesprochen (Ersuche um Aufschlüsselung auf
Bundesländer)?
35. Wurden dabei nur die Fahrer bestraft und / oder auch die Unternehmer?
36. Ist es richtig, dass osteuropäische Lastwagenfahrer der österreichischen Speditionen
August (Salzburg) und Walter (Niederösterreich) in den vergangenen Monaten ohne
Arbeitserlaubnis an der deutsch - schweizerischen Grenze erwischt wurden?
37. Wann ja, wie ist der Stand der Verfahren in der BRD?
38. Werden Sie für beide Betriebe besondere Kontrollen angeordnet?
39. Tritt Ihr Bundesministerium wie die europäische Transportarbeiter - Föderation für einen
gemeinsamen europäischen Sozialversicherungsausweis und einheitliche Kompetenzen
der staatlichen Kontrollorgane bzw. eine europäische Kontrollbehörde mit
Durchgriffsrecht in den Mitgliedstaaten ein?
40. Wenn nein, warum nicht?
41. Wie hoch beziffert Ihr Bundesministerium die Verluste, die der mittelständisch
strukturierten österreichischen Transportbranche durch die oben beschriebene illegale
Praxis entstehen?
42. Wie hoch schätzt Ihr Bundesministerium den Einnahmenausfall durch die Beschäftigung
von Fahrern aus Drittländern für die Sozialversicherung?
43. Wie hoch schätzet Ihr Bundesministerium den Steuerausfall durch das Anmelden von
LKW in Drittstaaten (z.B. MOE - Staaten) ein? (In Deutschland wird der Schaden auf DM
120.000 jährlich pro Lastwagen geschätzt.)
44. Wie ist die Zusammenarbeit mit den EU - Partnern bei der Bekämpfung der grauen bzw.
illegalen Kabotage durch osteuropäische Fahrer auf in der EU zugelassenen Fahrzeugen?
45. Hat das Thema graue bzw. illegale Kabotage in den EU - Gremien bereits eine Rolle
gespielt? Welche Lösungsmöglichkeiten sind dabei diskutiert worden?
46. Welche Haltung wird Ihr Bundesministerium gegenüber der EU - Kommission zu dieser
Problematik (Fahrer aus Drittstaaten mit EU - Fahrzeugen) einnehmen?
47. Sieht Ihr Bundesministerium bei den einschlägigen europäischen Rechtsvorschriften noch
einen Harmonisierungsbedarf?