867/J XXI.GP

 

DRINGLICHE ANFRAGE

 

gem. § 93 Abs. 2 GOG-NR

 

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer

und Genossinnen

an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport

betreffend massive Belastungen der kleinen und mittleren Einkommensbezieher ab 1. Juni

2000 und der Ankündigung eines ,,Belastungsstopps“ am 2. Juni 2000.

 

Am 2. Juni 2000 scheint es einem Teil der Koalition bewusst geworden zu sein, dass die

Auswirkungen der schwarzblauen Belastungspakete ab 1. Juni 2000 besonders massiv die

BezieherInnen von kleinen und mittleren Einkommen treffen. Dagegen verspricht diese

Koalition noch im Laufe dieser Legislaturperiode undifferenziert Geschenke an ihr Klientel.

 

Charakteristisch für die Politik dieser Koalition ist es, unter dem Vorwand der

Budgetkonsolidierung massive Umverteilungspakete zu beschließen, die die kleinen und

mittleren Einkommen besonders belasten und die hohen Einkommen entlasten.

Ein Beispiel für solche Umverteilungspakete sind die im Zuge des Budgetbegleitgesetzes

beschlossenen Erhöhungen der indirekten Steuern (Stromsteuer, Tabaksteuer,

motorbezogenen Versicherungssteuer, Umsatzsteuer auf Speisen, Besteuerung des

Weinverkaufs durch Weinbauern, Erhöhung der Steuern auf Kaffee und Tee, Erhöhung der

Biersteuer, der Alkoholsteuer, der Schaumweinsteuer, Erhöhung des

Kunstförderungsbeitrages) und Gebühren (massive Erhöhungen bei Reisepässen und

Führerscheinen, Wegfall der Gerichtsgebührenbefreiung für Bausparkassendarlehen und

Eintragungen ins Grundbuch etc.) Damit werden den unteren und mittleren

Einkommensgruppen, die von der Steuerreform 2000 besonders profitiert haben, diese

Einkommenszuwächse nun gezielt weggenommen.

 

Ein weiteres massives Umverteilungspaket plant diese Koalition im Bereich der Sozial - und

Familienpolitik: Die Ansprüche der PensionistInnen, die in der grossen Mehrzahl zu den

kleinen EinkommensbezieherInnen zählen, werden massiv beschnitten, dagegen werden

zusätzliche Familienleistungen in Milliardenhöhe für Personengruppen, die diese gar nicht

benötigen (z.B. durch die Aufhebung der Einkommensobergrenze bei der Mehrkindstaffel),

ausgeschüttet. Auch dieser negative Umverteilungskreislauf wird nichts zur

Budgetkonsolidierung beitragen.

Eine besondere Zielgruppe dieser Koalition sind die Unternehmer, die ebenfalls mit einem

milliardenschweren Umverteilungspaket begünstigt werden sollen. Unter dem Vorwand der

Lohnnebenkostensenkung werden die Sozialversicherungsträger und deren Versicherte

belastet um die dadurch freiwerdenden Mittel zu Steigerung der Unternehmergewinne

einsetzen zu können. Angesichts der günstigen konjunkturellen

Situation stellen diese Maßnahmen reine Umverteilungspolitik ohne wirtschaftspolitische

Steuerungsfunktionen dar.

 

Darüber hinaus wurden von der Regierung bereits weitere Gebührenerhöhungen angekündigt,

die einen Mehrerlös von 4 Milliarden Schilling ab 2001 bringen sollen. Durch diese

Gebührenerhöhungen werden ebenfalls gezielt untere und mittlere Einkommensgruppen

belastet.

 

Die Gewinner und Verlierer dieser Politik der Umverteilungspakete stehen schon nach 100

Tagen eindeutig fest: durch die Umverteilungsungspakete der Koalition verliert das untere

Einkommensdrittel 1,6 Prozent seines Einkommens, das mittlere Einkommensdrittel 1,1

Prozent und das oberste Einkommensdrittel hingegen nur 0,8 Prozent. Das heißt: die unteren

Einkommensbezieher werden gezielt doppelt so stark belastet wie die obersten

Einkommensbezieher. Anderseits profitiert überwiegend das oberste Einkommensdrittel von

den Maßnahmen der Familienpolitik und der Lohnnebenkostensenkung.

Jener Teil der Koalition, der sich als der stärkere Partner in der Koalition sieht, hält angesichts

der Auswirkungen dieser Politik, die mit 1. Juni 2000 für die kleinen und mittleren

Einkommensbezieher voll spürbar wurde fest, dass: „wir auch bei der Budgetpolitik die Linie

vorgeben, und die kann nicht heißen, dass wir weiterhin an den Rädern der steuerlichen

Belastung und der Gebührenbelastung drehen.“ Ferner wird festgestellt: „Es wird die

Entschlossenheit dieser Regierungsmitglieder geben, einen Belastungsstopp durchzusetzen,

und dafür das System in vielen Bereichen massiv zu verändern.“

 

Aus der Partei der Frau Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport waren in den

letzten Wochen vermehrt einander widersprechende Aussagen über den künftigen Kurs zu

vernehmen. Nachdem das Budget 2001 die Nagelprobe für große Strukturreformen sein wird,

stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und

Sport nachfolgende

Anfrage:

 

1.   Werden Sie durch Ihr Veto im Ministerrat verhindern, dass die Mehrwertsteuer von 10%

      bzw. 20% erhöht wird?

2.   Werden Sie durch Ihr Veto im Ministerrat verhindern, dass der 13./14. Monatsbezug mit

      mehr als 6% besteuert wird?

3.   Werden Sie durch Ihr Veto im Ministerrat verhindern, dass weitere Gebührenerhöhungen

      beschlossen werden?

4.   Werden Sie durch Ihr Veto im Ministerrat verhindern, dass die Ermessensausgaben,

      insbesondere Förderungen für sozial, kulturell, und gesellschaftlich wichtige Tätigkeiten,

      weiter gekürzt werden?

5.   Werden Sie durch Ihr Veto im Ministerrat verhindern, dass es zu keinen weiteren

      Leistungskürzungen und Gebührenerhöhungen im Gesundheitsbereich für kleine und

      mittlere Einkommensbezieher kommt?

6.   Werden Sie durch Ihr Veto im Ministerrat verhindern, dass es zu weiteren Kürzungen bei 

      den PensionistInnen kommt?

7.   Werden Sie durch Ihr Veto im Ministerrat verhindern, dass es durch die Aussetzung der

      von der SPÖ und ÖVP beschlossen Maßnahmen - Steuerreform 2000 und Familienpaket

      - nicht zu neuen Belastungen kommt?

8.   Werden Sie durch Ihr Veto im Ministerrat verhindern, dass es durch die geplante

      „Vollkostenkalkulation für öffentliche Dienstleistungen“ zu neuen Belastungen der

      kleinen und mittleren Einkommensbezieher kommt?

9.   Werden Sie durch Ihr Veto im Ministerrat verhindern, dass es durch die Erhöhung von

      sonstigen Steuern und Abgaben zu neuen Belastungen der kleinen und mittleren

      Einkommensbezieher kommt?

10. Werden Sie durch Ihr Veto im Ministerrat verhindern, dass es durch die angekündigte

      Verschärfung des Budgetkonsolidierungskurses zu neuen Belastungen der kleinen und

      mittleren Einkommensbezieher kommt?

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG dringlich zu

behandeln.

 

Wien, am 6. Juni 2000