899/J XXI.GP
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend den Tod eines Flüchtlingskindes im „Gelinderen Mittel“
Aufgrund des angeführten Artikels vom 25.4.2000 in der Zeitung „der Standard“ stellen
die unterfertigten Abgeordneten folgende
ANFRAGE:
1. Wie beurteilen Sie die Umstände, die zum Tod des mit seiner Familie in Gols im
„Gelinderen Mittel“ untergebrachten afghanischen Flüchtlingskindes Hamid S.
geführt haben?
2. Wieviele AsylwerberInnen waren zum Stichtag 1.5.2000 im „Gelinderen Mittel“,
wieviele in
Bundesbetreuung, wieviele in Schubhaft?
3. Was sind die Kriterien, nach denen AsylwerberInnen in Schubhaft oder ins
„Gelindere Mittel“ kommen bzw. in Bundesbetreuung aufgenommen werden?
4. Wie stellt das Innenministerium sicher, daß AsylwerberInnen professionell betreute
Unterbringungsmöglichkeiten vorfinden?
5. Wie stellt das Innenministerium sicher, daß die im „Gelinderen Mittel“ befindlichen
AsylwerberInnen Betreuung auf medizinischer, rechtlicher und psychologischer
Ebene erfahren?
6. Da das „Gelindere Mittel“ eine abgemilderte Art von Schubhaft bedeutet, sind die
Personen im „Gelinderen Mittel" isoliert und bei der Befriedigung ihrer elementaren
Bedürfnisse (wie in diesem Fall nach medizinischer Betreuung) auf Unterstützung
von außen angewiesen. Wie stellt Ihr Ministerium sicher, daß diese Betreuung
gewährleistet wird?
7. Die Mißstände in Pensionen und Gaststätten, in denen AsylwerberInnen im
Rahmen des „Gelinderen Mittels“ untergebracht werden, mußten Ihrem Ministerium
schon länger, jedoch spätestens seit den Medienberichten wie z.B. am 10.5.1999 in
„Der Standard“, bekannt sein. Warum wurden diese Mißstände bis 16.5.2000 nicht
abgestellt, sodaß ein Flüchtlingskind sterben mußte?
8. Von wann bis wann war der Vertrag der Pension Wolfram in Gols mit dem
Innenministerium zur Unterbringung von AsylwerberInnen im Rahmen der
Bundesbetreuung gültig?
9. Wurde der Vertrag mit der genannten Pension später aufgelöst bzw. wurde die
Pension aus der Bundesbetreuungsliste des Ministeriums gestrichen? Wenn ja,
waren Beschwerden über die Zustände in der genannten Pension für die Streichung
ausschlaggebend?
10. Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl schließt grundsätzlich keine Verträge mit den
Pensionen ab, in denen im Rahmen des „Gelinderen Mittels“ AsylwerberInnen
untergebracht werden. Was halten Sie von diesem vertragslosen Zustand?
11. Werden die im „Gelinderen Mittel“ im Zuständigkeitsbereich der BH Neusiedl
untergebrachten AsylwerberInnen als „Touristen“ eingebucht, da zwischen der BH
und den Pensionen keinerlei offizielle Verträge existieren?
12. Sind Sie der Meinung, daß die Kontrolle der im Rahmen des „Gelinderen Mittel“
tätigen Pensionen wesentlich erschwert wird, wenn kein Vertrag zwischen dem
zuständigen Amt und den QuartiergeberInnen besteht? Wenn ja, was gedenken Sie
gegen diesen Zustand zu unternehmen?
13. Sind Ihnen auch andere Bezirkshauptmannschaften bekannt, die die Unterbringung
von AsylwerberInnen in Pensionen in einem vertragslosen Zustand regeln?
14. Findet eine regelmäßige Überprüfung der hygienischen und menschenrechtlichen
Standards in den Pensionen und Gaststätten statt, in denen Personen im Rahmen
des
„Gelinderen Mittels“ untergebracht werden? Wenn ja, mit welcher
Häufigkeit?
Wenn nein, warum nicht?
15. Wie ist die Vorgangsweise im Falle der Feststellung von Mängeln bei Überprüfung
von diesen Pensionen und Gaststätten?
16. Haben festgestellte Mängel und niedrige Unterbringungsstandards die Kündigung
des Vertrages mit der Pension oder der Gaststätte seitens des Innenministeriums
zur Folge? Wenn ja, wieviele solcher Fälle wurden bis jetzt registriert
(aufgeschlüsselt nach Jahren)? Wenn nein, warum nicht?
17. Warum ist die Regierung und insbesondere Ihr Ministerium nicht bemüht, alle
AsylwerberInnen durch Aufnahme in Bundesbetreuung nicht nur unterzubringen,
sondern ihnen auch einen menschenwürdigen Aufenthalt zu ermöglichen und
insbesondere ausreichend medizinisch und psychologisch zu betreuen?
18. Inwiefern sehen Sie Verantwortung ihres Ministeriums daran gegeben, daß das
Flüchtlingskind Hamid S. im Gelinderen Mittel, also in der Obhut der zuständigen
Fremdenpolizeibehörde, offensichtlich nicht die notwendige medizinische Betreuung
zum richtigen Zeitpunkt erhielt?
19. Unter französischer EU - Ratspräsidentschaft wird die Aufnahme von
AsylwerberInnen ein zentrales Thema bei der Harmonisierung europäischer
Asylpolitik werden. Dabei schneidet Österreich laut der Studie "Sozialhilfe für
Asylsuchende im europäischen Vergleich“, die vom schweizerischen Bundesamt für
Flüchtlinge des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements in Auftrag
gegeben wurde, besonders schlecht ab. Sind derzeit Änderungen in den Bereichen
der Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden gedacht? Wenn
ja, in welchem Zeitrahmen?
Wenn nein, warum nicht?