918/J XXI.GP
der Abgeordneten Petrovic, Stoisits, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend tödliche Schußverletzungen
Falter - Artikel, vom 31.5.2000, Seite 14:
„Bleib stehen, du Sau“
Polizei. Ein unbewaffneter Mann wird von der Polizei erschossen. Weil sich beim
Öffnen der Autotür unglücklicherweise ein Schuss gelöst hat", so der
Polizeipräsident. An der Geschichte ist einiges faul.
Glauben Sie mir, diese Sache stinkt. Der Mann ist nicht so gestorben, wie es die
Polizei schildert. Da wurde gepfuscht. Der Erschossene saß - linke Schulter links,
rechte Schulter rechts - ganz normal im Auto. Das wird ein ordentliches Nachspiel
bei Gericht haben.“ Vergangenen Mittwoch bekam der Falter einen vertraulichen
Hinweis aus Ermittlerkreisen. Der sachkundige Informant (dem Falter namentlich
bekannt) war erbost: „Da wird den Medien eine Variante präsentiert, die so nicht
stimmen kann.
Harte Worte. Es wäre das erste Mal, dass die Polizei einen unbewaffneten Mann
erschießt und die Öffentlichkeit anschließend falsch informiert. Doch es ist
tatsächlich einiges faul.
der Heinrich - Collin - Straße. Der Verdacht Handel mit großen Mengen Cannabis.
Zwei Verdächtige, Imre B. und Lajos S., kommen aus dem Lokal und steigen in ihren
Bus, einen amerikanischen Van. Die Polizei schlägt zu. Laut Aussendung von
Polizeipräsident Stiedl soll sich nun Folgendes zugetragen haben: „Der eine Beamte
konnte den Beifahrer, Lajos S., aus dem Auto zerren. Der Fahrer, Imre B., versuchte
trotzdem auszuparken. Daran wollte ihn der zweite Kriminalist hindern. „ Mit
gestreckter und entsicherter Waffe bedroht er den unbewaffneten Haschischdealer.
„Doch plötzlich‘, so Präsident Stiedl, „hätte sich die Tür mit großer Wucht geöffnet
Durch die große Wucht der schweren Tür, die auf die linke Schulter des Beamten
gefallen war, dürfte sich der Schuss gelöst haben. Vieles an dieser Story ist
widersprüchlich:
Zum Beispiel der so genannte „Schusskanal“. Die Kugel, die Imre B. traf, hinterließ
Spuren in dessen Körper. Anhand derer
konnte rekonstruiert werden, dass der
vermeintliche Dealer „ganz normal“ am Steuer gesessen ist Gesicht nach vorne.
Rechte Schulter rechts, linke links. Aber sitzt ein Mann, der laut Polizei eine schwere
Autotür „mit voller Wucht“ aufreißt, ganz normal am Steuer? Polizeisprecherin Doris
Edelbacher bietet eine neue, kuriose Lösung an: „Vielleicht ist die Türe ja von selber
aufgegangen?“
Zweiter Widerspruch: Der Polizist, ein Rechtshänder behauptet, von der Tür an
der linken Schulter getroffen worden zu sein. Deswegen hätte sich „plötzlich der
Schuss gelöst“. Wie man auf Polizeifotos sehen kann, verläuft der Schusskanal in
einem Winkel von etwa 20-30 Grad. Das Einschussloch befindet sich rechts von der
Türe. Im Klartext: Während die Türe aufgerissen wurde, hätte der Polizist die rechte
Hand weit ausstrecken und den Lauf der Waffe nach links halten müssen, um in
einem derart steilen Winkel schießen zu können. Ist der Polizist vielleicht gar nicht so
nahe am Wagen gestanden, dass ihn die Türe hätte treffen können? Hat er vielleicht
aus einer größeren Distanz auf den Wagen geschossen, um die Österreicher am
Wegfahren zu hindern?
können. „Die Tatorteinsatzgruppe hat den Wagen genau untersucht, es wurden alle
Beweise gesammelt“, versichert Max Edelbacher Leiter des Wiener
Sicherheitsbüros. Merkwürdiger Nachsatz. „Momentan ist mir das entführte Baby
wichtiger als diese Gschicht.“ Doch Schmauchspuren wurden nicht sichergestellt.
Die Justiz kann es nun nicht mehr tun: Der beschossene Wagen parkt noch immer
am Tatort, wird von den Anrainern bestaunt und betatscht. „Das ist schon
eigenartig“, sagt Dr. Denk, jener Gerichtsmediziner der die Obduktion der Leiche
durchgeführt hat. „Die Richterin will eine Tatortrekonstruktion durchführen“, erklärt
Max Edelbacher. Deswegen lässt man den Wagen einfach im Regen stehen?
Mittlerweile wurden Reste von „Schmauchspuren“ vom Regen fortgespült. Zufall?
Schlamperei? Oder doch Schützenhilfe?
Dritter Widerspruch: Kann sich ein Schuss aus einer Glock - Pistole überhaupt
„zu fällig" lösen, wie dies Polizeipräsident Stiedl behauptet? „Der Abzug der Waffe
besitzt eine integrierte Sicherung, welche eine absolute Fall - und Stoßsicherheft
bringt und eine unbeabsichtigte Schussauslösung beim Hantieren mit der Waffe
verhindert“, schreibt die Zeitschrift Internationaler Waffenspiegel. In einer
Gerichtsverhandlung, in der es um einen ähnlichen Fall ging, sagte der
Sachverständige, Divisionär Friedrich Dechant, aus: „Die Pistole Glock 17 oder 19 ist
so ausgestattet, dass ein Schuss nur bei Betätigen des Abzuges abgegeben werden
kann.“ Tausende Male sei bei Testversuchen eine Glock zu Boden geworfen
worden. Conclusio des Waffenexperten: „Eine Schussauslösung war in keinem Fall
die Folge.“ Hatte der Polizist vielleicht doch die Finger unprofessionellerweise am
Abzug? Dazu passt eine Aussage eines Augenzeugen, der aus einem nahe
liegenden Lokal Folgendes beobachtet haben will: „Der Polizist hat gesagt: ‚Bleib
stehen, du Sau', auf das Auto gezielt und dann ab gedrückt." Eine Darstellung, die
von der Polizei bestritten wird.
Die Polizei liefert selbst ein weiteres Indiz dafür dass Stiedls Story nicht der
Realität entspricht: „Der Beifahrer bestätigte in seinen Aussagen, dass sich der
Schuss unbeabsichtigt gelöst hatte“, wird argumentiert. Von der „zufällig
aufgegangenen Tür“, die den Beamten getroffen und den Schuss ausgelöst haben
soll, ist in der Zeugenaussage
plötzlich keine Rede mehr. - Zufall?
Warum werden diese Widersprüche vertuscht? Vielleicht sollte man die Besitzerin
des vis - a - vis dem Tatort befindlichen Würstelstands vernehmen: "Ich habe am
nächsten Tag eine riesige Blutlacke vor meinem Stand aufgewischt. Die haben die
Dealer sauber verprügelt.“ Das Blut am Gehsteig, so versichert Major Rabensteiner,
„ist sicher nicht vom Toten. Der war auf der anderen Seite. „ Von wem dann? Sollte
ein Übergriff vertuscht werden? „Sicher nicht Vielleicht hat wer anderer vorm
Würstelstand gerauft. Das passiert ja öfter“, meint Rabensteiner. Die Blutspuren
wurden von der Polizei nicht sichergestellt. - Zufall?
Auch die Beobachtungen von Lenka S., der Freundin des Beifahrers, sind
interessant: S. wandte sich vergangene Woche per E - Mail an die Medien. Sie
berichtet, dass die Witwe des Ermordeten am Kommissariat „ein paar Watschen“
bekommen hätte. „Die Frau wurde tatsächlich bei uns einvernommen und hat
hysterisch herum geschrien. Wir haben sie aber sicher nicht geschlagen. Der
Beamte, der sie ein vernommen hat, ist die Seele in Person“, versichert Georg
Rabensteiner.
Die Polizei hat in den eigenen Reihen ermittelt. Noch bevor die Staatsanwaltschaft
am vergangenen Samstag informiert wurde, gab der Polizeipräsident die
Ermittlungsergebnisse und die Vorstrafen des Opfers den Medien bekannt „Dealer
auf der Flucht erschossen“, stand dann in der Kronen Zeitung.“
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wie lautet der offizielle Bericht über diesen Vorfall?
2. Wie lautet die Stellungnahme der ermittelnden Beamten zu den im obigen
Artikel dargestellten Widersprüchen?
3. Von wem wird der gegenständliche Vorfall untersucht?
4. Wurde der Menschenrechtsbeirat in dieser Angelegenheit eingeschaltet? Wenn
nein, warum nicht?
5. Wurden die im Bericht erwähnten Zeugen zu dem gegenständlichen Vorfall
vernommen und wie lautet deren Aussagen?
6. Gibt es eine ärztliche Untersuchung des zweiten Verdächtigten des Beifahrers
L.S., der laut oben zitierten Bericht verprügelt worden sein soll? Wenn ja, wie
lautet dieser Bericht?
7. Hat die Witwe des erschossenen Fahrers I.B. wegen Übergriffen durch
Sicherheitsbeamte Beschwerde erhoben? Wenn ja, wie lautet diese?
8. Wurde gegen die Beamten eine Untersuchung eingeleitet? Wenn ja, welches
Ergebnis ergaben diese Untersuchungen?
9. Wurde gegen die Beamten disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet?
10. Wurde gegen die Beamten Anzeige bei der
Staatsanwaltschaft erstattet?
11. In letzter Zeit häufen sich Vorfälle wonach verdächtige Täter im Zuge des
Einschreitens der Polizei durch Schüsse tödlich verletzt werden. So auch am
30. Mai 2000 in Linz nach einem Banküberfall.
12. Wie lautet hier der Untersuchungsbericht?
13. War es notwendig, gegen den verdächtigen Täter tödliche Schüsse
abzufeuern?
14. Warum war es notwendig 15 Schüsse abzufeuern - wie berichtet wurde - um
den Täter wehrunfähig zu machen?