953/J XXI.GP
der Abgeordneten Fischl, Firlinger, Staffaneller, Hofmann, Haigermoser
und Kollegen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend der strafrechtlichen Verfolgung im Hinblick auf die Vorgangs -
weise bzw. die getätigten Handlungen im Zuge der seinerzeitigen Vergabe
des Ökopunktesystems
Im zeitlichen Ablauf der Einführung eines Systems zur automatischen Kontrolle
von Ökopunkten (Ökopunktesystem) bzw. der praktischen Erprobung der
Praxistauglichkeit eines solchen sind nach verschiedensten Informations -
quellen nach immer wieder Unregelmäßigkeiten festgestellt worden, die bis
heute keine endgültige und nachvollziehbare Klärung erfahren haben.
Das Bundesvergabeamt stellte im Mai 1997 dazu fest, daß
- die Vergabe eines Systems nicht an den Bestbieter erfolgt ist
- bei der seinerzeitigen Angebotseröffnung ein im Anbot des
Ausschreibungsgewinners Kapsch enthaltener Preisnachlaß nicht verlesen
worden ist
- Kapsch mit der Durchführung eines Pilotversuches im Jahr 1995 zudem
unzulässige Wettbewerbsvorteile erlangt habe, da die Ergebnisse des
Versuchsprojektes in die Leistungsbeschreibung der Ausschreibung
eingeflossen sind
- der Senat ernste Zweifel dran hegt, ob die Seite 15 des Anhanges XII.8 des
Angebotes der Firma Kapsch tatsächlich zum Zeitpunkt der Angebots -
öffnung vorlag (... insbesondere aufgrund des unterschiedlichen Schrift -
bildes, der nicht übereinstimmenden Lochung und....)
Im September1997dementiert die Ingenieurgemeinschaft Lässer - Feizlmayr
(ILF), welche vom Verkehrsministerium mit der Ausschreibung und
Vorbereitung der Vergabe eines elektronischen Ökopunktesystems beauftragt
war, jegliche Manipulationsvorwürfe zugunsten des Vergabesiegers Kapsch.
ILF: Daß eine Angebotsseite nicht ,wie behauptet wurde, im Originalangebot
von Kapsch enthalten war, sei auszuschließen.
Vor allem ist bis heute nicht restlos geklärt, inwieweit und in welcher Höhe die
Öffentlichkeit durch nichtgesetzteskonformes Vorgehen beider Vergabe
möglicherweise geschädigt wurde.
In diesem Zusammenhang beanstandet der EuGH - Generalanwalt im Juni 1999,
daß Österreichs Vergaberecht dem EU - Recht widerspreche und urteilt der
EuGH im Oktober 1999, daß Österreich sein Vergaberecht für öffentliche
Aufträge ändern muß.
Zudem wurde in diversen parlamentarischen Anfragen der XX. GP (z.B. Anfrage
2517/J XX. GP., 1640/J XX. GP oder 303 /J XX. GP) auf die fragwürdige
Vergabe des Ökopunktesystems und weiterer Mängel in der beabsichtigten
Mauteinführung eingegangen. Die seinerzeitigen Beantwortungen haben viele
Fragen unbeantwortet gelassen.
Schlußendlich wurden hinsichtlich der Vergabe des Ökopunktesystems und
der Umstände Vorerhebungen der Staatsanwaltschaft eingeleitet. Diese
Ermittlungen wurden vor kurzem laut Bericht des Magazins FORMAT(Ausgabe
18/2000, Seiten 80 und 81) mangels „strafrechtlichen Substrats“ gemäß
Vorhabensbericht von Staatsanwalt Orasche eingestellt, obwohl vielerlei Fakten
eindeutig auf klärenswerte Unregelmäßigkeiten hinweisen.
Zitate aus dem Gutachten des Gerichtssachverständigen Walter Jaburek:
...ergibt sich, daß Kapsch aktiv an der Erstellung des Ausschreibungstextes
mitgearbeitet hat.
Zur Auftragsvergabe an ILF betreffend Ausschreibungserstellung:
Unklar bleibt, warum das BMWVK ein Unternehmen aus einem
Nebenleistungsbereich mit der Durchführung einer technisch schwierigen
Ausschreibung beauftragt hat und warum dieses Unternehmen offenbar als
einziger Anbieter die Chance erhielt, seinen Preis nachzubessern.
Es liegt also der Verdacht nahe, daß sich das Ministerium nicht nur eines
gewerberechtlich unbefugten, des teuersten und auch eines Beraters bedient
hat, der von einem potentiellen Anbieter empfohlen wurde, und diesen nicht
einmal vom Projekt abzog, als dieses Naheverhältnis schon allgemein ruchbar
wurde.
Auch die Tatsache, daß sich in den bei Kapsch beschlagnahmten Unterlagen
eine Reihe von Vorentwürfen für die Ausschreibung des Ökopunktesystems
finden erhärtet den Verdacht, daß ein Naheverhältnis zwischen Kapsch und
dem angeblich neutralen Berater ILF bestand. Es scheint unwahrscheinlich,
daß dieses Naheverhältnis ohne Wissen der vergebenden Stelle gepflegt
wurde.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für
Justiz folgende Anfrage:
1.)
Welche Maßnahmen werden von Ihnen ergriffen werden, um die seiner -
zeitige Vergabe des Ökopunktesystems im Jahre 1996 an die Firma
Kapsch unter dem damaligen Minister Rudolf Scholten einer umfassenden
und klärenden Untersuchung zu
unterziehen?
2.)
Welche strafrechtlichen Konsequenzen sind aufgrund der Feststellungen des
Bundesvergabeamtes und der vom Gericht bestellten Gutachter, daß das
Angebot des „Gewinners“ mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
nachträglich von ILF in Zusammenarbeit mit Ministerialbeamten manipuliert
wurde, zu ziehen?
3.)
Welche strafrechtlichen Konsequenzen sind aufgrund der Feststellungen des
vom Gericht bestellten Gutachters, daß der spätere „Gewinner“ mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Ausschreibung mitverfaßt, wenn
nicht überhaupt in den kritischen Teilen verfaßt hat, und ILF sowie mit der
Materie befaßte Beamte dabei mitgeholfen oder zumindest davon gewußt
haben, zu ziehen?
4.)
Wann wurden die zitierten Vorerhebungen der Staatsanwaltschaft eingeleitet
bzw. wurde dem seinerzeitigen Bundesminister für Justiz Dr. Michalek über die
Einleitung berichtet?
5.)
Aufgrund welcher Verdachtsmomente bzw. welcher Hinweise (z. B. Anonyme
Anzeige) wurde die Staatsanwaltschaft seinerzeit tätig?
6.)
Ist es im Zuge der eingeleiteten Vorerhebungen der Staatsanwaltschaft zu
Weisungen seitens des seinerzeitigen Bundesministers für Justiz Dr. Michalek
gekommen?
7.)
Inwieweit finden die Feststellungen des Bundesvergabeamtes bzw. des
Gerichtssachverständigen Jaburek Berücksichtigung in den Vorerhebungen
der Staatsanwaltschaft?
8.)
Wurde von der Staatsanwaltschaft im Zuge der Vorerhebungen das
Bundesvergabeamt bzw. ein befugter Vertreter zu den seinerzeitigen
Feststellungen vom Mai 1997 befragt?
9.)
Wurde von der Staatsanwaltschaft im Zuge der Vorerhebungen der
Gerichtssachverständige Jaburek befragt?
10.)
Welche Handlungen hat die Staatsanwaltschaft im Zuge der Vorerhebungen
im Hinblick auf die genannten Firmen Ingenieurgemeinschaft Lässer - Feizlmayr
(ILF) und Kapsch getätigt?
11.)
Wurden von der Staatsanwaltschaft im Zuge der Vorerhebungen Mitarbeiter
des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (vormals des
Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr) befragt bzw. wurde in die
Bundesministeriums-Akten betreffend Vergabe des Ökopunktesystems Ein -
sicht genommen?
12.)
Waren der Staatsanwaltschaft im Zuge der Vorerhebungen die diversen
parlamentarischen Anfragen der XX. GP (z.B. Anfrage 2517/J XX. GP, 1640/J
XX. GP oder 303 /J XX. GP) im Hinblick auf die fragwürdige Vergabe des
Ökopunktesystems und deren Beantwortungen bekannt bzw. wurden diese
daraus resultierenden unvollständigen Erkenntnisse weiters von der
Staatsanwaltschaft verfolgt bzw. verwertet?
13.)
Stimmt es, daß wie im Magazin FORMAT berichtet, die Einstellung der
Vorerhebungen durch die Staatsanwaltschaft mangels „strafrechtlichen
Substrats" erfolgte?
Wenn ja, welche Umstände waren maßgeblich, daß die Staatsanwaltschaft
zu dieser Entscheidung gelangte?