987/J XXI.GP

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Mag Maria Kubitschek

und Genossen

an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit

betreffend Aktivitäten zur Gewährleistung der Nahversorgung der Bevölkerung

 

Die Entwicklung der Einzelhandelsmärkte in den letzten 10 - 15 Jahren ist nicht nur in

Österreich - sondern in allen europäischen Ländern - durch eine rasche Veränderung geprägt.

Die Gründe für diese Veränderung finden sich einerseits in einem geänderten Beschaftungs -

und Konsumverhalten der Verbraucher, andererseits in dem massiven Konzentrationsprozeß,

der gerade die verschiedenen Einzelhandelsbranchen kennzeichnet.

 

Eines der gravierenden Probleme, das sich aus dieser Entwicklung ergibt, ist die

Verschlechterung der Nahversorgung mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs für

eine Reihe von Verbrauchergruppen. Insbesondere in ländlichen Regionen ohne touristische

Einbindung, aber ebenso in den Stadtrandlagen führt das Nahversorgungsproblem zu einer

Beeinträchtigung der Wohlfahrt und der Lebensqualität für ältere bzw für weniger mobile

Verbraucher.

 

Die Einkaufszentren - Verordnung, die Herr Minister Farnleitner erlassen hat, konnte dieser

Problematik jedenfalls nicht gerecht werden. Im Gegenteil: nicht nur nach Meinung des

VerfGH, der die Verordnung aufgehoben hat, bestand deren primäres Ziel darin, große

Handelsunternehmen vor neuen Mitbewerbern zu schützen. (In diesem Sinne äußerte sich

bspw auch der Sprecher von Spar, Philip Markl: „Vielleicht wird uns diese Verordnung die

eine oder andere Konkurrenz ersparen“ - Kurier 25.2.98).

 

Das Instrument der Bedarfsprüfung, dessen sich sowohl die alte, als auch die von Ihnen

novellierte Fassung der Einkaufszentren - VO bedient, ist aus wettbewerbspolitischer Sicht

äußerst negativ zu bewerten. Das Konzept, das diesem Instrumentarium zugrunde liegt, ist

keine Förderungs - sondern eine Verhinderungspolitik.

 

Ø  So wird die Marktposition bestehender, großer Unternehmen gestärkt

Ø  Da externes Wachstum von Unternehmen ausgeschlossen wird, kommt es zu einer

     weiteren Verstärkung des Konzentrationsprozesses durch Übernahmen bestehender

     Unternehmen,

Ø  ein hoher Konzentrationsgrad bedroht aber nicht nur kleinere Konkurrenten in ihrer

     Existenz, sondern übt vor allem auch massiven Druck auf die gesamte Zulieferindustrie

     aus

Ø  Für die Konsumenten wird die Auswahl an Handelsunternehmen eingeschränkt;

Ø  Mit zunehmender Konzentration steigt auch die Wahrscheinlichkeit, daß sich mittelfristig

     die Preise erhöhen

 

Daß mit einer derartigen Abschottung von Märkten auch negative gesamtwirtschaftliche

Effekte verbunden sind, liegt auf der Hand:
Ø  Die Attraktivität des Standortes für neue Handelsunternehmen sinkt

Ø  Investitionen in Milliardenhöhe können nicht realisiert werden

Ø  Die Schaffung neuer Arbeitsplätze bzw die Sicherung der Arbeitsplätze in den

    vorgelagerten Sektoren werden verhindert.

 

Angesichts des selbst in einem internationalen Vergleich absolut extremen

Konzentrationsgrades im österreichischen Einzelhandel ist es aus wettbewerbspolitischer

Sicht mehr als problematisch, das Instrument einer Bedarfsprüfung einzuführen. Insbesondere

dann, wenn gleichzeitig dem Ziel der Nahversorgung keineswegs gedient wird.

Abgesehen von dem gewählten Instrumentarium, haben Sie, Herr Minister, die Zuständigkeit

für die Festlegung der Kenngrößen, die anzeigen sollen, wann erhebliche Nachteile für die

bestehenden Versorgungsstrukuten zu erwarten sind, an die Landeshauptleute delegiert.

 

Auch wenn regionale und strukturelle Besonderheiten bei der Nahversorgungsproblematik

selbstverständlich zu berücksichtigen sind, hat die Vergangenheit jedenfalls gezeigt, daß das

Problem nicht ausschließlich auf regionaler Ebene zu lösen ist. Die von Ihnen vorgesehene

Vorgangsweise führt jedenfalls eindeutig zu folgenden Konsequenzen:

 

Ø  Das Entstehen eines wenig sinnvollen Standortwettbewerbs zwischen den Bundesländern,

Ø  massive Rechtsunsicherheiten für Projektwerber - insbesondere bei Projekten, die

     Auswirkungen auf die Nahversorgung der Bevölkerung eines angrenzenden Bundeslandes

     haben

Ø  Verzögerungen bei Genehmigungsverfahren durch unklare Rahmenbedingungen und

     schließlich

Ø  höhere Kosten für die Projektwerber und die Vollzugsbehörden durch intransparente

     Regelungen und lange Genehmigungsverfahren.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Wirtschaft und

Arbeit nachstende

 

Anfrage:

 

1) Die Abgabe der Zuständigkeit für die Festsetzung der Kenngrößen, die die „erheblichen

     Nachteile für die bestehenden Versorgungsstrukturen“ anzeigen sollen, an die

     Landeshauptleute wurde von Ihnen vorgeschlagen. Welche Maßnahmen werden Sie

     setzen, um zu verhindern, daß es aufgrund der zu erwartenden länderweise

     unterschiedlichen Kenngrößen zu den oben zitierten Nachteilen für die

     Wirtschaftstreibenden kommt?

 

2) Die von ihnen vorgeschlagene Regelung zur Sicherung der Nahversorgung soll auf

     regionale und strukturelle Unterschiede eingehen. Die Erfahrungen mit landesspezifischen

     Raumordnungsgesetzen haben gezeigt, daß es zusätzlich notwendig ist, auf Bundesebene

     Maßnahmen zu setzen, um die Rahmenbedingungen für eine bessere Nahversorgung der

     Bevölkerung zu gewährleisten. Werden Sie in Ihrem Zuständigkeitsbereich bundesweit

     Maßnahmen setzen, die das Ziel haben, eine bessere Nahversorgung der Bevölkerung zu

     fördern, statt zu verhindern?

3)   Wenn ja, welche und bis wann?

 

4)   Welche konkreten Auswirkungen hat die bisherige Regelung der Einkaufszentren - VO auf

       die Situation der Nahversorgung einerseits und die Vollzugspraxis andererseits?

 

5)   Der extreme Konzentationsgrad in vielen Bereichen des österreichischen Einzelhandels

       trägt gravierend zur Verschärfung der Nahversorgungsproblematik bei. Sie können im

       Rahmen des österreichischen Wettbewerbsrechtes über die Finanzprokuratur des Bundes

       gegen diese wettbewerbspolitisch sehr bedenkliche Situation auftreten. Welche

       Maßnahmen und Aktivitäten hat Ihr Ministerium während der letzten Jahre in diesem

       Bereich gesetzt?

 

6)   Hat Ihr Ministerium bei den zahlreichen Fusionen und Übernahmen die in den letzten

      Jahren in den diversen Branchen des Einzelhandels stattgefunden haben eine aktive

       Wettbewerbspolitik betrieben?

 

7)   Wenn ja, in welcher Form?

 

8)   Hat Ihr Ministerium in den letzten fünf Jahren bei einem oder mehreren Fusions - Fällen in

      den verschiedenen Branchen des Einzelhandels von der Möglichkeit, über die

      Finanzprokuratur einen Prüfantrag zu stellen, Gebrauch gemacht?

 

9)   Wenn ja, in welchen Fällen?

 

10) Haben Sie seit Ihrem Amtsantritt im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bei

       einem oder mehreren Fusions - Fällen in den verschiedenen Branchen des Einzelhandels

       von der Möglichkeit, über die Finanzprokuratur einen Prüfantrag zu stellen, Gebrauch

       gemacht?

 

11) Wenn ja, in welchen Fällen?

 

12) Wenn nein, sind Sie der Meinung, daß beispielsweise im Lebensmitteleinzelhandel oder

       im Möbeleinzelhandel ohnehin ein funktionierender Wettbewerb besteht?

 

13) Wieviele Marktteilnehmer sind Ihrer Meinung nach für einen funktionierenden

       Wettbewerb auf einem regional abgegrenzten Markt (wie zB der Möbeleinzelhandel mit

       einem Einzugsgebiet von rund 40 km) erforderlich?