126/A XXII. GP

Eingebracht am 07.05.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

 

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Wittmann

und GenossInnen

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz um

Bestimmungen über einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt ergänzt wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz
um Bestimmungen über einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt ergänzt wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundes-Verfassungsgesetz zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. I
Nr. 99/2002, wird wie folgt geändert:

1.   Nach Art. 92 wird folgender Art. 92a eingefügt:

„Artikel 92a. (1) Die öffentliche Anklage wird von den bei den
staatsanwaltschaftlichen Behörden ernannten und ständig tätigen Staatsanwälten
wahrgenommen. Sie sind Organe der Rechtspflege.

(2) Die staatsanwaltschaftlichen Behörden unterstehen dem Bundesstaatsanwalt. Dieser
ist unabhängig und weisungsfrei.

(3) Der Bundesstaatsanwalt wird aufgrund eines Vorschlages des Hauptausschusses
vom Nationalrat in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer
Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gewählt. Seine Amtsdauer beträgt
sechs Jahre. Eine einmalige Wiederwahl ist zulässig.


 

(4) Dem Vorschlag des Hauptausschusses des Nationalrates hat eine öffentliche
Ausschreibung voranzugehen. Der Hauptausschuß hat eine öffentliche Anhörung durch-
zuführen, an der Vertreter der Richter und Staatsanwälte zu beteiligen sind. Näheres wird in
der Geschäftsordnung des Nationalrates bestimmt.

(5) Dem Nationalrat und dem Bundesrat stehen gegenüber dem Bundesstaatsanwalt die
Befugnisse nach Art. 52 mit Ausnahme der Befugnis, in Entschließungen Wünschen über die
Ausübung der Vollziehung Ausdruck zu geben, und Art. 53 zu.

(6) Der Bundesstaatsanwalt ist hinsichtlich der Verantwortlichkeit den Mitgliedern der
Bundesregierung gleichgestellt."

2.   Dem Art. 151 wird folgender Abs. 25 angefügt:

„(25) Art. 92a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. .../.... tritt mit
1
. Jänner 2004 in Kraft. Beim Inkrafttreten anhängige Verfahren sind vom
Bundesstaatsanwalt fortzuführen. Die erstmalige Bestellung des Bundesstaatsanwaltes nach
den Bestimmungen des Art. 92a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr.
.../.... hat vor dem Inkrafttreten dieses Bundesverfassungsgesetzes zu erfolgen, sodass er sein
Amt am l. Jänner 2004 antreten kann. Erfolgt bis zu diesem Zeitpunkt keine Bestellung,
kommt ab diesem Zeitpunkt bis zur Bestellung des Bundesstaatsanwaltes dem
Generalprokurator dessen Stellung zu."


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Begründung

Die Frage der Erneuerung der Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltlichen Behörden ist
bereits in der vorigen Gesetzgebungsperiode intensiv diskutiert worden. Die
sozialdemokratische Parlamentsfraktion hat am 25. Jänner 2001 unter Teilnahme von
renommierten Vertretern aus Justiz, Rechtsanwaltschaft, Wissenschaft und Politik eine
Enquete veranstaltet, bei der die Neuordnung des Weisungsrechtes und die vorgeschlagene
Einrichtung eines weisungsfreien Bundesstaatsanwaltes diskutiert wurden. Zahlreiche
Teilnehmerinnen der Enquete haben mit guten Argumenten für eine Änderung der
Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltschaftlichen Behörden argumentiert, wobei
manche diese Funktion eher beim Generalprokurator sehen wollten, andere einen neu zu
schaffenden „Bundesstaatsanwalt" als geeignetste Lösung angesehen haben.

Bereits in der vorigen Gesetzgebungsperiode hat die sozialdemokratische Parlamentsfraktion
einen Antrag auf Einrichtung eines weisungsfreien Bundesstaatsanwaltes eingebracht (329/A
XXI. GP).

Aufgrund des Prinzips der Diskontinuität der Gesetzgebungsperiode ist dieser Antrag am
Ende der XXI. Gesetzgebungsperiode untergegangen und die SPÖ bringt deshalb einen im
wesentlichen gleichlautenden Antrag wieder ein.

Inzwischen gab es Stellungnahmen von Seiten der Staatsanwälte, der Richterschaft und aus
der Wissenschaft, die im großen und ganzen den vorgeschlagenen Weg unterstützt haben. Es
scheint angebracht, eine generell für die Zukunft möglichst problemfreie Lösung für die
Weisungsspitze der Anklagebehörden zu schaffen, die einem entwickelten demokratischen
Rechtsstaat unabhängig von Tagesereignissen auf längere Sicht hin bestmöglich entspricht.

In diesem Sinn wird erneut der Vorschlag gemacht, die staatsanwaltschaftlichen Behörden
einem unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwalt zu unterstellen. Die dazu
nötigen neuen verfassungsrechtlichen Grundlagen wären in einem neuen Artikel 92a. B-VG
zu treffen.

Da dieser Vorschlag einen nicht unwesentlichen Kompetenzübergang vom Bundesminister
für Justiz an den Bundesstaatsanwalt bedeuten würde, scheint eine wesentliche
parlamentarische Mitwirkung bei der Bestellung des Bundesstaatsanwaltes
demokratiepolitisch dringend geboten. Deshalb soll der Bundesstaatsanwalt aufgrund eines
Vorschlages des Hauptausschusses des Nationalrates vom Nationalrat mit einer Mehrheit von


zwei Drittel der abgegebenen Stimmen gewählt werden. Mit dem erhöhtem Quorum soll mit
dazu beigetragen werden, dass eine bestqualifizierte Person gewählt wird, die nicht im
unmittelbaren Parteienstreit steht. Das verfassungsmäßig vorgeschriebene Konsensquorum
soll damit zu einem möglichst großen Vertrauen des Bundesstaatsanwaltes mit seinen äußerst
sensiblen Aufgaben in der Bevölkerung und in der Justiz beitragen. Auch soll der
Bundesstaatsanwalt hinsichtlich der Verantwortlichkeit den Mitgliedern der Bundesregierung
gleichgestellt sein und sollen dem Nationalrat und dem Bundesrat gegenüber dem
Bundesstaatsanwalt mit Ausnahme des Entschließungsrechtes die Befugnisse gem. Art. 52
und 53 B-VG zukommen, wobei in der Praxis insbesondere die Frage - und Auskunftsrechte
eine erhebliche Bedeutung haben werden.

Der Einbindung der Richter und Staatsanwälte in den Bestellungsvorgang des
Bundesstaatsanwaltes dient die Bestimmung, dass diese an der öffentlichen Anhörung im
Hauptausschuss des Nationalrates zu beteiligen sind.