14/A XXII.GP

Eingelangt am: 20.12.2002

ANTRAG

der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Allgemeines Behinderten-Gleichstellungsgesetz
(Beh-GStG) erlassen wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem ein Allgemeines Behinderten-Gleichstellungsgesetz (Beh-GStG)
erlassen wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

"Bundesgesetz, mit dem ein Allgemeines Behinderten-Gleichstellungsgesetz (Beh-GStG)
erlassen wird

1. Abschnitt
ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

§ 1 (Verfassungsbestimmung) Die Erlassung, Änderung und Aufhebung von Vorschriften,

die in diesem Bundesgesetz enthalten sind, sowie deren Vollziehung sind auch in den

Belangen Bundessache, hinsichtlich derer das Bundes - Verfassungsgesetz 1920 in der

Fassung von 1929 etwas anderes vorsieht.

§ 2 (1) Dieses Gesetz stellt allgemeine Regeln für die Umsetzung des Grundsatzes des

Verbots der Benachteiligung von behinderten Menschen gemäß Art.7 Abs. 13. Satz B - VG,

BGBl. 1/87/1997, auf.

(2) Dem gleichen Zweck dienende Bestimmungen in einzelnen Gesetzen

bleiben unberührt.

§ 3 (1) Behinderte Menschen sind Personen jeglichen Alters, die in einem lebenswichtigen

sozialen Beziehungsfeld körperlich, geistig, sensorisch oder seelisch dauernd wesentlich

beeinträchtigt sind. Ihnen stehen jene Personen gleich, denen eine solche Beeinträchtigung

in absehbarer Zeit droht. Lebenswichtige soziale Beziehungsfelder sind insbesondere die

Bereiche   Erziehung,   Schulbildung,   Erwerbstätigkeit,   Beschäftigung,   Kommunikation,

Wohnen und Freizeitgestaltung.

(2) Eine Diskriminierung liegt vor, wenn Menschen wegen ihrer Behinderung in der

gleichen   Teilhabe   am   Leben   in   der   Gesellschaft   oder   in   ihrer   selbstbestimmten

Lebensführung behindert werden.


(3) Unter einer Diskriminierung ist die Veranlassung, Fortsetzung oder Aufrechterhaltung
von Maßnahmen, Strukturen, Verhaltensweisen oder Feststellungen zu verstehen, die
geeignet sind, Menschen mit Behinderungen zu benachteiligen.

2. Abschnitt
GESETZLICH GEREGELTE VERFAHREN

§ 4 In allen Verfahrensgesetzen ist vorzusehen, daß behinderten Menschen der gleiche

Zugang   zu   den   Verfahren   sowie  die   gleichberechtigte  Teilhabe   an  den  Verfahren

gewährleistet ist, wie nicht behinderten Menschen.

§ 5 Es sind Vorkehrungen zu treffen, daß in ihrer Mobilität beeinträchtigte Menschen

jederzeit ungehinderten Zugang zu den Örtlichkeiten haben, an denen gesetzlich geregelte

Verfahren stattfinden.

§      6     In     Verfahren,      an     denen     gehörlose      Personen     teilnehmen,      sind

Gebärdensprachdolmetscher, beziehungsweise andere adäquate Instrumente zur

Herstellung einer gleichberechtigten Teilhabe am Verfahren einzuschalten.

§ 7 Nehmen blinde oder hochgradig sehbehinderte Personen an Verfahren teil, ist Vorsorge

dafür zu treffen, daß schriftliche Verfahrensteile in einer Form gestaltet werden, daß sie von

diesen Personen wahrgenommen und behandelt werden können.

3. Abschnitt
BILDUNGSEINRICHTUNGEN

§  8  (1)  Bildungseinrichtungen sind so zu gestalten,  daß der Zugang für behinderte

Menschen möglich ist.

(2)   Die   Erhalter  und   Betreiber  von  Bildungseinrichtungen  haben  die  erforderlichen

Vorkehrungen zu treffen, daß die genannten Einrichtungen von behinderten Menschen ohne

Schwierigkeiten erreicht werden können.

§ 9 Bildungsinhalte sind so zu vermitteln, daß sie von allen Menschen,

unabhängig von ihrer Behinderung, aufgenommen werden können.

§ 10 Bildungsbeschränkungen für behinderte Menschen dürfen gesetzlich

nicht festgelegt und auch durch die Vollziehung der Schul - und Hochschulgesetze nichtn

herbeigeführt werden.

4. Abschnitt
VERKEHR

§ 11 Öffentlich benutzbare Verkehrseinrichtungen sind so zu gestalten, daß ihre Benützung
behinderten Menschen in gleicher Weise wie Nichtbehinderten möglich ist.


§ 12 (1) Die Betreiber von öffentlichen Verkehrseinrichtungen haben ihr

rollendes Material und ihre öffentlich zugänglichen Einrichtungen den Erfordernissen von

bewegungsbehinderten und sinnesbeeinträchtigten Personen anzupassen.

(2) Betreiber von Eisenbahn - und Straßenbahnunternehmen haben
zumindest einen Waggon eines jeden Zuges behindertengerecht zu gestalten.

(3) Die jeweils ressortzuständigen Mitglieder der Bundesregierung

haben nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirats durch Verordnung festzulegen,  in

welcher zeitlichen Frist nach Inkrafttreten dieses Gesetzes die Adaptierung bestehender

Einrichtungen zu erfolgen hat, wobei unter Einrichtungen sämtliche Gebäude sowie für den

zivilen Personenverkehr

bestimmte Fahrzeuge zu verstehen sind. Diese Verordnungen bedürfen

der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats.

§ 13 Gehsteige sind insbesondere für Rollstuhlbenützer innerhalb eines

Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes abzuschrägen, wobei gleichzeitig auf die speziellen

Erfordernisse von blinden und sehbehinderten Personen Rücksicht zu nehmen ist.

Grundsätzlich sind im Hinblick auf Bestimmungen dieses, aber auch des

5. Abschnittes, Lösungen, die dem Stand der Technik entsprechen, anzustreben.

5. Abschnitt
GEBÄUDE

§ 14 (1) Bauwerke, die zur öffentlichen Benützung bestimmt sind sowie Gebäude, in denen

eine Beschäftigung ausgeübt wird, sind so zu gestalten, daß sie für behinderte Menschen

zugänglich sind.

(2) Bestehende Bauwerke sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes entsprechend

umzugestalten,   wobei   bei   historischen   und   denkmalgeschützten   Bauten   bewegliche

Adaptierungen zulässig sind. § 12 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden.

§ 15 (1) Jedes neu errichtete Gebäude, unabhängig von seinem Zweck, ist so zu gestalten,

daß es von behinderten Menschen ohne Schwierigkeiten benützt werden kann.

(2) Im Falle der Nichtbeachtung des Abs. l ist der Baubeginn zu untersagen.

§  16 Diese Bestimmungen gelten sinngemäß bei Renovierungen und Umgestaltungen

bestehender Bauwerke.

6. Abschnitt
BERUF

§ 17 (1) Berufszulassungsbestimmungen haben vorzusehen, daß behinderten der gleiche

Berufszugang offen steht, wie nicht behinderten Menschen.

(2) Berufszulassungsbestimmungen dürfen nicht in einer Weise definiert und ausgelegt

werden, daß sich hierdurch Benachteiligungen behinderter Menschen ergeben.

§ 18 (1) Feststellungen, auf Grund derer Prozentsätze der Erwerbsfähigkeit von behinderten

Menschen ermittelt werden, sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes unzulässig.


§ 25 Bestimmungen in Gesetzen und Verordnungen, die mit Bestimmungen dieses
Bundesgesetzes in Widerspruch stehen, sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr
anzuwenden.

§ 26 Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist die Bundesregierung betraut.
§ 27 Dieses Bundesgesetz tritt am ........................... in Kraft."

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Mit  Verfassungsgesetz  vom   13.   August   1997,   BGB1   1/87/1997  sind  Menschen mit
Behinderungen bekanntlich in den Art. 7 Abs. 1 B - VG aufgenommen worden.
Der Bundeskanzler hat im Dezember 1997 angeordnet, daß im Verfassungsdienst des BKA
eine Arbeitsgruppe gebildet werde, die die Bundesgesetze nach Bestimmungen durchforsten
sollte, die Benachteiligungen für Behinderte enthalten.

Diese Arbeitsgruppe hat sich am 8. Jänner 1998 konstituiert und hielt seit Feber 1998
zahlreiche Sitzungen ab. Sie wurde aus Beamten des BKA und einiger Ministerien,
Vertretern von Behindertenorganisationen und Vertretern der im Parlament vertretenen
Parteien gebildet.

Neben der Arbeitsgruppe im BKA gab es noch Arbeitsgruppen im BMAGS, im BMUK und
im BMWV, die ebenfalls jeweils zu mehreren Sitzungen zusammenkamen.
Das BKA hat am 2. November 1998 einen "Vorläufigen Gesamtbericht" versendet, der
allerdings verschiedentlich kritisiert wurde. Nach einigen ergänzenden Sitzungen erschien
anfangs Feber 1999 ein "Gesamtbericht", der in einer Sitzung im BKA am 17.Feber 1999
mit geringfügigen Änderungen von allen Teilnehmern an den Arbeitsgruppen akzeptiert
wurde. Im Zuge der Durchforstung der Bundesgesetze wurden 60 bis 70 Gesetze
besprochen, in denen Bestimmungen geortet wurden, die als behindertendiskriminierend
angesehen werden können. Eine genaue Feststellung der Zahl der Gesetze bzw. der
diskriminierenden Bestimmungen ist deshalb nicht möglich, weil innerhalb der
Arbeitsgruppe keineswegs Einhelligkeit darüber bestand, ob eine Bestimmung
diskriminierend ist oder nicht. Außerdem ergaben sich zahlreiche Fälle, in denen eine an
sich neutrale Bestimmung im Vollzug diskriminierend wurde. Es ergab sich daher, daß
gesetzliche Regelungen in manchen Fällen gar nicht abgeändert werden müßten, daß aber
ihre Auslegung und der darauf basierende Vollzug zu Diskriminierungen führt.
Es wurde daher bereits bei den Beratungen der Arbeitsgruppen der Gedanke geäußert, daß
in Ergänzung zu der Verfassungsbestimmung nicht nur Korrekturen der einzelnen Gesetze
zu erfolgen haben, sondern ein Allgemeines Behindertengleichstellungsgesetz nötig wäre.
Weiters muß berücksichtigt werden, daß trotz intensiver Arbeit bei der Durchforstung
wahrscheinlich Bestimmungen übersehen wurden, sodaß auch in diesem Zusammenhang ein
allgemeines Gesetz erforderlich ist.


(2) Es ist in jedem einzelnen Fall die Fähigkeit des Bewerbers individuell festzustellen.

(3) Entgegenstehende gesetzliche Bestimmungen sind aufgehoben.

7. Abschnitt
DISKRIMINIERUNGEN

§19 Behinderten Menschen darf der Zugang zu und die Benützung von Veranstaltungen,

Theatern, Kinos, Vergnügungslokalen, Gaststätten, Hotels und öffentlichen Bädern wegen

ihrer Behinderung nicht erschwert werden.

§   20   Bestimmungen   in   normierten   Verträgen,   Allgemeinen   Geschäftsbedingungen,

Versicherungsbedingungen und dergleichen, die behinderte Menschen benachteiligen, sind

nichtig.

8. Abschnitt
RECHTSDURCHSETZUNG

§ 21 Ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 19 stellt, sofern keine gerichtlich strafbare

Handlung vorliegt, eine Verwaltungsübertretung dar und ist mit Geldstrafe von 5.000 bis zu

30.000 S zu ahnden.

§  22  (1) In Verwaltungsverfahren,  die im Zusammenhang mit Bestimmungen dieses

Gesetzes stehen, haben betroffene behinderte Menschen Parteistellung.

(2) Ob und welchen Organisationen der Behinderten Parteistellung gewährt wird, bestimmt

eine Verordnung der Bundesregierung, wobei nur solchen Organisationen Parteistellung

zuerkannt werden darf, die eine repräsentative Gruppe von behinderten Menschen vertreten.

§ 23 (1) Jede behinderte Person ist berechtigt, für den Fall der Beeinträchtigung ihrer

Lebensgestaltung durch Verletzung der Bestimmungen dieses Gesetzes Klage vor den

ordentlichen Gerichten zu erheben.

(2) Die in dieser Klage geltend gemachten Ansprüche beinhalten sowohl Erfüllung wie auch
Schadenersatz, hinsichtlich dessen § 87 Absatz 2 Urheberrechtsgesetz anzuwenden ist.

(3) Diese Klage richtet sich sowohl gegen die zuständige Gebietskörperschaft wie auch

gegen einzelne Personen, die Bestimmungen dieses Gesetzes verletzt haben.

Im Zuge dieser Verfahren können Einstweilige Verfügungen gemäß § 24 UWG erlassen

werden.

§ 24 (1) Die ersterhobene Klage wegen einer bestimmten Verletzung dieses Gesetzes

schließt alle weiteren Klagen wegen derselben Verletzung aus.

(2) Allfällige weitere Betroffene können sich jedoch diesem Verfahren als
Nebenintervenienten anschließen.

(3) Auf Verfahren auf Grund dieses Gesetzes sind die Verfahrensbestimmungen des
Amtshaftungsgesetzes (BGBl. 20/1949 i.d.g.F.) nicht anzuwenden, doch ist die Klage
längstens binnen einem Jahr ab Kenntnis der Beeinträchtigung bei Gericht einzubringen.

9. Abschnitt
SCHLUSSBESTIMMUNGEN.


Besonderer Teil

Die Einteilung in Abschnitte soll der besseren Übersicht dienen und entspricht auch der von

den Arbeitsgruppen eingehaltenen Vorgangsweise.

Zum 1. Abschnitt:

Zu § 1: Dieses Gesetz muß eine Verfassungsbestimmung enthalten, da anderenfalls infolge

der Zersplitterung der Kompetenzbestimmungen der Bundesverfassung eine Vollziehung des

Gesetzes nicht gewährleistet ist.

Zu § 2: Diese Bestimmung stellt die Verbindung mit der Ergänzung des Art 7 B - VG aus

dem Jahre 1997 her. Da in zahlreichen Gesetzen jedoch auf Grund der Ergebnisse der oben

dargestellten Arbeitsgruppen Änderungen werden vorgenommen werden müssen, soll im

Abs 2 zum Ausdruck gebracht werden, daß die in diesem Gesetz enthaltenen Bestimmungen

als allgemeine Richtlinien gedacht sind.

Zu    §    3:     Diese    allgemeine    Begriffsbestimmung    der    Behinderung    ist    dem

"Behindertenkonzept der Bundesregierung" entnommen und hat auch als Grundlage für

andere Gesetze zu dienen. Um einen Schutz vor Benachteiligung zu gewährleisten und eine

umfassende rechtliche Gleichstellung durch die verschiedenen legislativen Maßnahmen

sowie  die  Rechtsinterpretation  zu  ermöglichen,   ist  es  notwendig,   den  Begriff der

Diskriminierung zu definieren.

Zum 2 .Abschnitt:

Bei der Behandlung der diversen Verfahrensgesetze hat sich herausgestellt, daß in allen die

gleichen Probleme auftreten, sodaß eine allgemeine Regelung geboten erscheint.

Unbeschadet dessen wurde das Problem "Gebärdensprache" bereits in Novellen zur StPO

und ZPO gesetzlich geregelt. (BGBl. I Nr.20 und 21/1999)

Zum 3. Abschnitt:

In §§ 9 und 10 wird das Problem der Ausbildung Behinderter in Form allgemeiner

Bestimmungen berührt. Die Regelung edukatorischer Probleme muß der Schulgesetzgebung

und die Probleme der Wissenschaftsvermittlung der Hochschulgesetzgebung überlassen

bleiben.

Im § 8 wird die bauliche Gestaltung von Bildungseinrichtungen geregelt, da die mangelnde

Zugangsmöglichkeit oftmals dazu führt, daß Behinderte in ihrer Bildung benachteiligt sind.

Zum 4. Abschnitt:

Mit diesen Bestimmungen sollen die oftmals geradezu lächerlichen Hindernisse beseitigt

werden, die den Behinderten die Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben

erschweren. Ihre generelle Regelung in diesem Gesetz erspart zahlreiche Bestimmungen in

einschlägigen   Gesetzen  und   Verordnungen.   Die   Zeitvorgaben   für   die   Adaptierung

bestehender   Einrichtungen   sind   durch   die  jeweils   zuständigen   Bundesminister   per

Verordnung zu regeln, wobei die vorausgehende Anhörung des Bundesbehindertenbeirats

garantieren soll, daß die zeitlichen Fristen zur Umsetzung im Sinne der Zielvorgaben dieses

Gesetzes maximal beschränkt sind. Es hätte wenig Sinn gehabt, in dieses Gesetz allgemeine

Zeitvorgaben für die Adaptierung aller Einrichtungen festzuschreiben, da in einigen Fällen

die Maßnahmen in kurzer Zeit verwirklicht werden können, in anderen Fällen jedoch im

Hinblick  auf die  wirtschaftlichen  Gegebenheiten  mehrere  Jahre  veranschlagt  werden

müssen. Eine Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats zu den Verordnungen

wird  im Sinne einer raschestmöglichen Umsetzung aller Adaptierungsmaßnahmen für

notwendig erachtet.

Mithilfe einer  Art   "Stand  der Technik"  -  Klausel  soll  in der  Frage der konkreten

Verwirklichung der Bestimmungen der §§ 11 bis 16. was die Anwendung bestehender

Standards und Normen (ÖNORM, ISO etc.) betrifft, ein Spielraum geschaffen werden.


Durch   die   Determinierung   "Stand   der   Technik"   ist   garantiert,   daß   die   optimalen

Normvorgaben zum Einsatz kommen (beispielsweise Abschrägung der Gehsteigkanten bei

gleichzeitiger   Kennzeichnung   derselben   durch   taktile   Aufmerksamkeitsfelder).   Die

Erwähnung   einer  bestimmten   Norm   in  diesem  Gesetz  hätte  dies   unter  Umständen

verhindert.

Zum 5. Abschnitt:

Diese  Bestimmungen  bezwecken  das   gleiche   für  den   Bereich   Bauwesen,   wie  die

Bestimmungen  für  den Bereich Verkehr.   Die  an sich  unsinnige  Aufsplitterung der

Bauordnungen auf die einzelnen Länder macht diese Bestimmungen besonders bedeutsam.

Die Zeitvorgaben entsprechen dem 4. Abschnitt.

Zum 6. Abschnitt:

Hier muß darauf verwiesen werden, daß das Behinderteneinstellungsgesetz eine umfassende

Regelung   für   Unselbständige   darstellt.   Das   BEinstG   ist   zwar   in   vielen   Belangen

unvollkommen und entspricht nicht den Bedürfnissen der behinderten Arbeitnehmer, doch

ist es, wie alle Arbeits - und Sozialgesetze einer dauernden Novellierung unterworfen,

sodaß die Hoffnung besteht, daß einmal ein besseres Gesetz zustande kommt.

Aus diesem Grund beschränkt sich dieser Entwurf auf die Regelung von Berufszulassungen,

ein Bereich, der im BEinstG überhaupt nicht behandelt wird.

Zu § 18: Diese Regelung wirkt darüber hinaus auch auf sozialrechtliche Materien (zB

Behinderteneinstellungsgesetz; nicht jedoch Bundespflegegeldgesetz, wo der Pflegebedarf

nach gänzlich anderen Kriterien ermittelt wird).  Der Grund,  warum die prozentuelle

Bestimmung   der   Erwerbsfähigkeit   abgelehnt   wird,   liegt   darin,   daß   sowohl   eine

Prozentgrenze an sich als auch die anzuwendenden Feststellungsverfahren willkürlich

erscheinen.

Es gibt nämlich zahlreiche Fälle ,in denen Personen, die als 90% erwerbsunfähig eingestuft

wurden, hervorragende Arbeit leisten, die der eines 100%ig Arbeitsfähigen um nichts

nachsteht und es gibt auch sehr viele Fälle, die nach ärztlicher und berufskundlicher

Begutachtung als mehr als 50%ig arbeitsfähig eingestuft werden, nichts leisten können. Es

mag für die Bürokratie sehr bequem sein, Menschen schematisch abzustempeln, doch

entspricht dieses System nicht der Wirklichkeit, schadet den Betroffenen und mißachtet ihre

Menschenwürde. Aber auch der Wirtschaft ist nicht damit gedient, daß man Personal falsch

klassifiziert.

Die zu erwartenden Einwände werden sicher vor allem Kostenprobleme anführen.

Nun  mag   es   tatsächlich   billiger   sein,   Menschen  nach  einem   Schablonensystem  zu

klassifizieren,   als   sie   richtig   zu   beurteilen,   doch   verursacht   die   Fehlbegutachtung

wirtschaftlich  viel   größere  Schäden,   als  die  zusätzlichen  Kosten  einer   individuellen

Beurteilung.

Zum 7. Abschnitt:

Hier werden zwei weitverbreitete Benachteiligungen der Behinderten verboten, wobei der 5

20   dem  Art.   IX   EGVG   (Einführungsgesetz   zu  den  Verwaltungsverfahrensgesetzen)

entnommen ist und der § 21 eine unbedingt erforderliche Regelung darstellt, da die

ausschließliche     Regelung     mittels      "genereller     Normen"     erfahrungsgemäß     zu

Fehlinterpretationen oder mißbräuchlicher Handhabung führt.

Absichtlich wurde die hart umstrittene Frage des Notariatszwangs für Verträge von Blinden

hier nicht aufgenommen, weil dieses Problem noch gar nicht gelöst ist und durch einfache

Weg lassung im Notariatszwangsgesetz geregelt werden müßte.

Zum 8. Abschnitt:

Zu § 21: Dieser ist ebenso wie der § 20 dem EGVG nachgebildet.

Zu   §   22:   Dieser   führt   die   Parteistellung   behinderter   Menschen   ein,   was   ebenso

gerechtfertigt ist, wie die zahlreichen Nachbarschafts - und Anrainerrechte, die in letzter


Zeit immer häufiger in Verwaltungsverfahren zur Geltung kommen. Ob es auch eine

sogenannte Verbandsintervention geben soll bleibe dahingestellt. Keinesfalls dürfen die

Sozialpartner hier Rechte erhalten, da diese Behinderteninteressen niemals vertreten, wenn

sie dies auch gelegentlich behaupten.

Zu § 23: Hier ist eine Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit für betroffene Personen vorgesehen,

die     in    Österreich     ungewöhnlich    ist.     Allerdings     gibt    es    bekanntlich    im

Sozialversicherungsrecht ein Vorbild, da ablehnende Bescheide der Sozialversicherungträger

in Leistungssachen vor dem Arbeits - und Sozialgericht, also einem Zivilgericht mit Klage

angefochten werden können.

Gegen die Form der Rechtsdurchsetzung im Wege einer Zivilklage wird oftmals angeführt,

daß  sie umständlich,  langwierig und kostspielig  ist,  während die  Durchsetzung  im

Verwaltungswege rascher und billiger sei.  Diese Argumente können leicht entkräftet

werden.

Erstens wird das Verwaltungsverfahren im § 23 ausdrücklich zugelassen, sodaß beide Wege

gewählt   werden   können.   Zudem   muß   leider   festgestellt   werden,   daß   in   vielen

Verwaltungsverfahren   das   Wort   RASCH   ein   Fremdwort   ist.   Dagegen   gibt  es   im

Zivilverfahren das Institut der EINSTWEILIGEN VERFÜGUNG, die tatsächlich rasch

erlassen wird.  Aus Gründen der größeren Wirksamkeit wurde auf die Regelung des

Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verwiesen.

Ergänzend wäre noch zu bemerken, daß die Einreichung einer im § 23 konzipierten Klage

gegen eine Behörde die Problematik des Art. 94 B - VG (Gewaltentrennung) nicht berührt,

das es sich hier nicht um eine Zivilklage gegen einen Bescheid handelt, sondern um eine

Klage auf Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustands und auf Schadenersatz.

Zu  §  24  Abs.2:  Diese Bestimmung mußte eingefügt werden,  um die Blockade der

Gerichtsbarkeit durch Tausende von Klagen zu verhindern. Eine interne Aufteilung der

Kosten zwischen allen Betroffenen hängt aber von ihrer prozessualen Stellung als Kläger

oder Nebenintervenient nicht ab. Bewußt wurde in diesem Antrag auf die Einführung einer

sogenannten Verbandsklage verzichtet, weil eine solche eine Entmündigung des einzelnen

Betroffenen darstellt und Verbandsklagen oftmals nicht im Interesse der Betroffenen

sondern im Interesse des jeweiligen Verbandes geführt werden.

Kosten:

Die Feststellung, welche Kosten die Vollziehung dieses Gesetzes verursachen wird, ist
schwer abschätzbar.

Die Kosten der behördlichen Vollziehung des Gesetzes werden geringfügig sein, da keine
ausufernden Verwaltungsverfahren zu erwarten sind und die Kosten allfälliger gerichtlicher
Verfahren die Gerichte nicht mehr belasten als andere Zivilverfahren auch.
Zum Teil hohe Kosten sind für die Betreiber von Einrichtungen zu erwarten, welche sohin
behindertengerecht ausgestattet werden müssen. Dies wird die öffentliche Hand ebenso
treffen wie Private. Ein Blick in die Vereinigten Staaten beispielsweise zeigt jedoch, daß
öffentliche wie private Einrichtungen und Betriebe es mittlerweile als selbstverständlich
betrachten, daß die Herstellung des verfassungsrechtlich garantierten Gleichheitsgrundsatzes
gelegentlich Anstrengungen und Kosten verursacht, denen man sich schlichtweg nicht
verweigern darf, will man die Grundfesten des demokratischen Staates nicht in Frage
stellen. Dieses Bewußtsein gilt es - als Aufgabe aller gesellschaftlich maßgeblichen Gruppen
- in jeder Hinsicht zu stärken.

Als dritte Gruppe von Kostenbetroffenen sind schließlich die behinderten Menschen selbst
zu erwähnen. Wie schon in den Erläuterungen zu § 23 ausgeführt, können die Kosten von
Zivilprozessen durch die Verfahrenshilfe und den in der ZPO vorgesehenen Kostenersatz
wesentlich reduziert werden.


Abschließend weisen die unterfertigten Abgeordneten der GRÜNEN darauf hin, daß das im
Art. 7 B - VG normierte Staatsziel der Gleichbehandlung der behinderten Menschen im
täglichen Leben durch das vorgeschlagene Gesetz entscheidend gefördert würde. Wie die
Beispiele Vereinigte Staaten, Kanada, Australien oder auch die Ansätze im Vereinigten
Königreich zeigen, führen Behindertengleichstellungsgesetze zu einem Quantensprung in
der Durchsetzung eines selbstbestimmten Lebens für alle Bürgerinnen in einer freien und
solidarischen Gesellschaft.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den zuständigen Ausschuß vorgeschlagen sowie
die Durchführung einer ersten Lesung innerhalb von drei Monaten verlangt.