224/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 24.09.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
betreffend Novellierung des Lebensmittelrechts

Das Lebensmittelgesetz aus dem Jahr 1975, das in seinen Grundzügen auf das
LMG 1951 zurückgeht, entspricht längst nicht der heutigen Situation des
Lebensmittelhandels und Konsumentinnenverhaltens. In der parlamentarischen
Enquete-Kommission "Die Reaktion auf strafbares Verhalten ..." im vergangenen
Sommer wiesen Expertinnen auf Vollzugsdefizite im Lebensmittelrecht hin und
entwickelten diverse Reformvorschläge. Unter anderem wurde bemerkt, dass
einzelne Staatsanwält
Innen, RichterInnen und vor allem die MitarbeiterInnen der
umweltkriminalpolizeilichen Abteilungen hervorragende Arbeit bei der Verfolgung von
Verstößen gegen das Lebensmittelrecht leisten. Insgesamt betrachtet bestehe
jedoch kein einheitliches Informationsniveau bei ermittelnden Behörden und
Gerichten, sodass seitens der Expertinnen von mangelnder Effizienz und häufiger
Einstellung von Verfahren gesprochen wurde. Dies führe nicht nur zu Risiken für
Leib und Leben, sondern auch zu Marktverzerrungen zu Ungunsten der rechtstreuen
Unternehmerinnen. Außerdem hafte den Ergebnissen der Strafverfahren auf Grund
der unterschiedlicher Niveaus der Ermittlungsbehörden und Gerichte eine gewisse
Willkür an.

In der Enquete-Kommission wurde außerdem angeregt, dass
Verwaltungsstrafdrohungen im Futtermittelgesetz verankert werden sollten.
Insgesamt ging die Enquete-Kommission davon aus, dass in erster Linie eine
Optimierung der Kontrollmöglichkeiten erforderlich sei, da die Präventionswirkung
vor allem in einer effizienten Kontrolle liege. Denn entscheidend für die Prävention
sei, dass der Staat auf Verstöße überhaupt reagiere, d.h. dass kontrolliert und der
Strafrahmen angewendet bzw. auch ausgeschöpft werde.

Im Lebensmittelgesetz oder seinen Verordnungen sind einerseits
verwaltungsrechtliche Sanktionen (zB falsche Kennzeichnung, wertgeminderte
Waren), für bestimmte Verstöße jedoch strafrechtliche Sanktionen vorgesehen.
Zweiteres betrifft vor allem das Inverkehrbringen von gesundheitsschädlichen
Produkten aber auch insbesonders von verdorbenen, verfälschten oder
nachgemachten Produkten.

Im Bereich der Verwaltungsstrafen werden folgende Problemzonen geortet:

1.                  Viele Verfahren werden vielfach aus formalen Gründen vom Unabhängigen
Verwaltungssenat eingestellt. (Ein Beispiel: ein Verfahren wegen nicht
gekennzeichneter Äpfel, die ein Lebensmittelhändler verkauft hat, wurde in der
Berufung vom Unabhängigen Verwaltungssenat eingestellt, weil in der
Tatbeschreibung der strafenden Behörde die beanstandete Ware als "Äpfel"


beschrieben war, anstelle der näheren Beschreibung "Äpfel der Obstart Malus
sylvestris Mill.")

Ein anderes aktuelles Beispiel: Obwohl die Lebensmittel-
kennzeichnungsverordnung neben der Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums
bei bereits abgelaufener Ware auch einen ausdrücklichen Hinweis auf den
Umstand des überschrittenen Haltbarkeitsdatums zwingend vorsieht,
entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat, dass dieser zwingende
Hinweis bereits durch die (ohnehin vorhandene) Angabe des
Haltbarkeitsdatums gegeben sei. Obwohl dies der geltenden Rechtslage
widerspricht, ist eine Berufung gegen dieses Urteil mangels Parteistellung der
Behörde nicht möglich.

Durch eine derartige Entscheidungspraxis wird dazu beigetragen, dass
insbesonders im Bereich der Kennzeichnung die Moral zur Einhaltung von
Kennzeichnungsvorschriften entsprechend unbefriedigend ist.

2.                  Verwaltungsstrafen fallen niedrig aus und sind damit keinerlei Anreiz für
Unternehmungen die strafbewehrten Handlungen zu unterlassen. Der
Gesamtbetrag an verhängten Strafen betrug im Jahr 1997 etwa 1,5 Millionen
Schilling. Pro eingeleitetem Verwaltungsverfahren ergibt dies einen
Durchschnittsbetrag von rund öS 1.000,- (unbedingte Geldstrafen, die vom
Gericht verhängt wurden, lagen 1997 sogar bei öS 126,-je verfolgtem Fall).

3.                 Ein wesentliches Problem stellt die Überantwortung der lebensmittelrechtlichen
Verantwortlichkeiten auf die Arbeitnehmer, im Regelfall den Filialleiter, dar.
Damit werden vielfach Arbeitnehmer mit Strafsanktionen konfrontiert, die
aufgrund der internen betrieblichen Strukturen nicht die notwendigen
Entscheidungsbefugnisse          besitzen und die notwendigen
Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis haben.

Durch die Möglichkeit der Nennung eines verantwortlichen Beauftragten je
Filialbetrieb von großen Handelsketten, ist auch bei Rechtsverletzungen, die in
vielen Filialbetrieben (oft durch indirekte innerbetriebliche Anweisung bzw. sehr
schwer nachweisbare Weisungen durch die Konzernleitung oder
Geschäftsführung) gleichzeitig auftreten, zumeist immer der jeweilige Filialleiter
verantwortlich. Damit werden die Fälle als Einzelfälle behandelt und kumulierte,
höhere und damit effektivere Strafbeträge, wie sie im Fall von
Tatwiederholungen anwendbar wären, unterbleiben.

Bei den Gerichtsstrafen stellt sich die Lage folgendermaßen dar:

1.                 Im Bereich der gerichtlichen Strafen ist die Sanktionsmöglichkeit an das
subjektiven Verschulden eines Täters geknüpft. Hat der ermittelte Täter die Tat
subjektiv nicht verschuldet, wird freigesprochen. Die Suche nach anderen
möglichen Tätern beginnt. (Beispiel: Auch bei eindeutig nachgewiesener
Belastung eines Frischhuhnes mit Salmonellen, durch die dieses Produkt als
gesundheitsschädlich zu beurteilen ist, kann der angezeigte Verkäufer des
Produktes freigesprochen werden, da er (im Regelfall) subjektiv an dem
Vorhandensein von Salmonellen nicht schuld ist. Dies führt dazu, dass trotz
möglicher Gesundheitsschädigung durch ein derartiges Produkt niemand
gestraft werden wird.)


2.                 Auf der Suche nach weiteren möglichen Verantwortlichen eines Deliktes (zB
derjenige der die Salmonellenbelastung zu verantworten hat) tritt
Verfolgungsverjährung ein. (Verfolgungsverjährung beträgt ein Jahr bei Taten
die mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bedroht sind.)

3.                 Der Strafrahmen könnte zunehmend (von Richtern) als zu drakonisch im
Vergleich zu anderen Straftaten außerhalb des Lebensmittelbereiches
angesehen werden und dies könnte Einfluss auf die Spruchpraxis gewinnen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird beauftragt, zur Beseitigung der Vollzugsdefizite und zur
Anpassung an die bestehenden und angestrebten EU-Standards sowie auf Basis der
bei der Enquete-Kommission zum Teilthema „Verhältnismäßigkeit
verwaltungsstrafrechtlicher Strafandrohungen und Ausgewogenheit von gerichtlichen
und verwaltungsstrafrechtlichen Strafandrohungen im Verhältnis zueinander"
eingebrachten Empfehlungen eine Novellierung des Lebensmittelgesetzes
vorzunehmen.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuß vorgeschlagen.