319/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 28.01.2004
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Dr
Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
betreffend Sanierung
alter Bleiwasserrohre in Wohnhäusern
In zahlreichen Wohnhäusern ist die Versorgung
mit "bleifreiem" Trinkwasser nicht gewährleistet. Durch immer noch
vorhanden alte Blei-Wasserrohre wird das Leitungswasser innerhalb von Häusern
"verbleit". Dieses Problem ist seit Jahren bekannt.
Zum Schutz von Schwangeren und Kleinkindern
wurde von der WHO der Grenzwert für Blei im Trinkwasser mit 10 Mikrogramm pro
Liter festgesetzt. In Österreich wird dieser Grenzwert erst ab 1. 12. 2013
verbindlich. Derzeit gilt laut Trinkwasser-VO ein Grenzwert von 50 Mikrogramm,
ab 1. 12. 2003 dürfen nicht mehr als 25 Mikrogramm Blei in einem Liter Wasser enthalten sein.
Es gibt EU-Richtlinien über den Grenzwert von
Blei im Trinkwasser (Richtlinie 98/83/EG vom 3.November 1998 und Richtlinie
80/778/EWG vom 15. Juli 1980). Aufgrund dieser Richtlinien wurde 1998 eine
entsprechende Verordnung der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und
Verbraucherschutz erlassen. In einigen Bundesländern gibt es eigene
Bestimmungen über die erlaubte Bleikonzentration im Trinkwasser
Da bis 1914 bei den Häusern ausschließlich
Bleirohre zur Wasserleitung verwendet wurden, ist in derart alten Häusern
eine besondere Gefahr gegeben. Eine umfassende Untersuchung in Wien (vorgelegt
im Juni 2000) ergab, dass bei 41% der vor 1914 erbauten Häuser eine
Grenzwertüberschreitung festgestellt werden musste. Bei Wohnbauten aus der
Bauzeit zwischen 1914 bis 1945 gibt es nur in 3,6% der Fälle Handlungsbedarf.
Erst seit 1983 dürfen Bleirohre nicht mehr eingesetzt werden.
Bleirohre wurden jedoch auch in der öffentlichen
Wasserleitung, nämlich beim Hausanschluss, verwendet. 1987 waren noch ca.
30.000 Hauszuleitungen in Wien aus Blei. Im Jahr 2000 sind es aufgrund des
laufenden Austauschprogramms nur mehr 11.000. Diese sollen bis 2008
ausgetauscht werden.
Nur durch einen Austausch der alten Blei-Rohre
auch innerhalb der Häuser kann dieser Missstand tatsächlich behoben werden. Das
geht aber nur, wenn der Hauseigentümer damit auch einverstanden ist.
Unklar sind aber die mietrechtlichen
Konsequenzen bei Überschreitung dieser Grenzwerte. Hier besteht noch keine
höchstgerichtliche Rechtsprechung. Daher ist nicht klar, ob bzw. ab welcher
Bleikonzentration im Trinkwasser ernste Schäden des Hauses vorliegen. Ob und ab
welcher Konzentration es sich um notwendige Erhaltungsarbeiten im Sinne des MRG
handelt, ist daher nicht geregelt. Für MieterInnen es nicht eindeutig, wann ein
durchsetzbarer Anspruch auf Sanierung alter Bleirohre besteht und wie die
Einhaltung von Grenzwerten für Blei im Trinkwasser durchgesetzt werden kann.
Rechtslage:
Gemäß § 1096 ist der Mietgegenstand im
bedungenen Zustand zu übergeben. Gemäß § 3 Abs 1 MRG hat der/die VermieterIn nach Maßgabe der rechtlichen,
wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten dafür zu
sorgen, dass das Haus, die Mietgegenstände und die der gemeinsamen Benützung
der Bewohner dienenden Anlagen im jeweils ortsüblichen Standard erhalten
werden. Wasserleitungsanlagen zählen gemäß § 3 Abs 3 Z 2 MRG zu den
privilegierten Erhaltungsarbeiten, dh die Wasserleitungsanlagen sind ohne
Rücksicht auf ihre Wirtschaftlichkeit oder Finanzierbarkeit seitens des
Vermieters/der Vermieterin instand zu halten (Ostermayer, MRG (2000), Anm 1 zu
§ 3).
Auskunft der Verantwortlichen im Jahre
1998:
Laut Anfragebeantwortung von Prammer vom
8.9.1998 ist die Kostentragung für den Austausch von Bleirohren nicht
ausjudiziert. Einen Musterprozess (durch VKI) hat sie aber abgelehnt, weil die
Sachverständigenkosten sehr hoch sein würden und die Einzelfälle zu
unterschiedlich seien: „Um einigermaßen verlässliche Aussagen zu erhalten, wäre
daher eine Vielzahl von Musterprozessen erforderlich. Aus der Wissenschaft ist
bekannt, dass der Nachweis der Gesundheitsschädlichkeit angesichts der
Langzeitwirkung und der strengen Anforderungen an die Kausalität in der Regel
schwer zu führen ist. Eine homogene Rechtssprechung zu dieser Frage wird wohl
nur sehr schwer erzielbar sein. Aus diesen und den oben genannten Gründen wird
eine Klagsführung nicht als sinnvoller Weg angesehen, um dieses Problem einer
für die VerbraucherInnen zufriedenstellenden Lösung zuzuführen“ (1450/AB-BR,
Feber 1999).
Kommentar:
Seit der Anfragebeantwortung wurde im Auftrag
des Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfond eine Untersuchung
betreffend Blei im Trinkwasser in Wohnbauten von der EWS Consulting WRUSS
durchgeführt und am 20. 6. 2000 vorgelegt. Bestandteil dieser Untersuchung ist
auch eine Medizinisch-toxikologische Beurteilung, Blei im Trinkwasser, durch
Univ.Prof. DDr. M. Haider und Dr. Th. Haider vom September 1999. Insofern
dürfte sich die Beweissituation bedeutend gebessert haben.
§ 3 MRG ist eine taugliche Grundlage für
den/die Mieterin den Austausch der Bleirohre im Haus via Leistungsklage zu
begehren. Aufgrund des hohen Prozesskostenrisikos und wegen der
Präventivwirkung eines solchen Prozesses sollte der VKI ein solches
Musterverfahren unterstützen.
Überlegenswert wäre auch, ob in § 3 MRG
klargestellt werden sollte, dass das Mietobjekt gesundheitsverträglich sein
muss. Meines Erachtens müsste die geltende Rechtslage ausreichen, weil
gesundheitsschädliche Leitungen nicht ortsüblich sein können. Jedoch wäre es
wichtig, dass der Baurechtsgesetzgeber klarstellt, dass eine Sanierung in
Angriff genommen werden muss. Ansonsten könnte sich der/die HauseigentümerIn im Prozess allenfalls
darauf ausreden, dass das Haus ja von der Baubehörde kollaudiert wurde.
Rechtslage:
Trinkwasser ist ein Lebensmittel und
unterliegt den
Qualitätsvorschriften des LMG. Wasser für den menschlichen Gebrauch muss
ohne Gefährdung der menschlichen Gesundheit getrunken und verwendet
werden können. An der Entnahmestelle eines Verteilungsnetzes, die üblicherweise
zur Wasserentnahme dient, darf die Bleikonzentration ein bestimmtes Maß nicht
überschreiten. Dieser Wert wird gemäß Trinkwasser-VO 2001 stufenweise
angehoben:
a)
bis zum 1. 12. 2003 50 mg/l
b)
bis zum 1. 12. 2013 25 mg/l
c)
danach 10
mg/l
Näheres findet sich im Österreichischen
Lebensmittelbuch, Teil B 1.
Auskünfte der Verantwortlichen im Jahre
1998:
Die Zurverfügungstellung von Wasser an den
Mieter/die Mieterin („Wasserabgabe innerhalb von Mietsgebäuden“) ist laut parl. Anfragebeantwortung von
BM Prammer kein Inverkehrbringen von Wasser im Sinne des LMG, sodass dort keine
Kontrollen durchgeführt werden können (4404/AB vom 8.9.1998).
Kommentar:
Diese Rechtsauffassung ist nicht ganz
einsichtig. Der/die HauseigentümerIn ist WasserabnehmerIn und gleichzeitig
LieferantIn. Der/die MieterIn hat keinen Vertrag mit dem
Wasserversorgungsunternehmen, wie es bei Strom und Gas der Fall ist, sondern
bloß mit dem/der VermieterIn, welche/r für die Wasserzuleitung die
Betriebskosten verrechnet. Die Zurverfügungstellung der Wasserleitungen für
diesen Zweck wird im Wege des Mietzinses abgegolten. Wasserleitungen sind Geräte für den Transport von
Lebensmitteln im Sinne des § 6 LMG und unterliegen dergestalt der Kontrolle der
Lebensmittelanstalten. Gemäß § 2 der Geschirr-VO /BGBl 258/1960) ist es
verboten, Geräte für Lebensmittel zu gebrauchen, die aus Blei bestehen.
Rechtslage:
Das WRG regelt die Wassererschließung (in Wien
zB die Genehmigung der Hochquellleitungen und der 3. Wiener Wasserleitung) samt
Leitungsanlagen bis zum Abnehmer/zur Abnehmerin. Das ist im Fall von Wien der
Hauseigentümer/die Hauseigentümerin. Im Rahmen der wr Prüfung ist auch die
Eignung der Anlage (des Leitungsnetzes) gesundheitlich einwandfreies Wasser
bereitzustellen, zu prüfen. Damit können jedoch nur die Bleirohre des
Wasserversorgers erfasst werden, nicht die Innenanlagen in den Häusern. Diese
unterliegen der Verantwortung des Hauseigentümers/der Hauseigentümerin.
Kommentar:
Da der Wasserversorger Stadtwerke Wien selbst
tätig geworden ist, ist eine Maßnahme im Rahmen des WRG nicht notwendig. Soweit
Handlungsbedarf bei anderen Wasserversorgungsunternehmen besteht, wäre von der
Wasserrechtsbehörde eine Anpassung an den Stand der Technik nach § 21 a WRG zu
verfügen.
·
Informationskampagne des
Gesundheitsministeriums bzw der Gesundheitsämter der Länder: Da für die Risikogruppen bis zum 1. 12. 2013 kein ausreichend
bleifreies Wasser garantiert ist, müssen Schwangere und Eltern gezielt über
allfällige Gefahren informiert werden: Aufnahme in die einschlägigen
Informationsbroschüren, Aushänge für GynäkologInnen und KinderärztInnen.
·
Ausweitung der Lebensmittelkontrolle: Auch das Trinkwasser in Mietwohnungen sollte in das jährliche
Untersuchungsprogramm aufgenommen werden. Zunächst sollte ein
Schwerpunktprogramm zum Bleigehalt des Wassers, welches von WVU geliefert wird
(Hausanschluss) und welches im Mietobjekten abgegeben wird
(Wasserentnahmestelle im Haushalt) gestartet werden.
Aufträge zum Austausch von Bleirohren durch
die Wasserrechtsbehörde: Da bei allen sehr alten
Wasserversorgungsnetzen Bleianschlüsse vorhanden sind, haben die
Wasserrechtsbehörden entsprechende Aufträge zu erteilen, wenn das
Wasserversorgungsunternehmen bzw die Kommune nicht wie in Wien bereits selbst
initiativ geworden ist.
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung und insbesondere der
Justizminister werden aufgefordert, baldigst Regelungen und Initiativen auch
gegenüber den Bundesländern zu initiieren, damit die Sanierung alter
Bleiwasserleitungen rascher durchgesetzt werden kann.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an
den Justizausschuss vorgeschlagen.