42/AE XXII.GP

Eingelangt am: 23.01.2003

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

des Abgeordneten Pirklhuber, Freundinnen und Freunde


betreffend Schaffung eines Entwicklungs- und Sicherheitsraumes für eine
gentechnikfreie, nachhaltige Landwirtschaft

Die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über gentechnisch veränderte
Organismen (GVO) in der Landwirtschaft, bei Lebensmitteln, Futtermitteln und
Saatgut sind unübersichtlich, unvollständig und nicht kohärent.

Zwar verständigten sich die EU-Umweltministerinnen im Dezember 2002 auf Regeln
zur Rückverfolgbarkeit und der Etikettierungspflicht von GVO bei Lebensmitteln, um
die Wahlfreiheit der KonsumentInnen zwischen Produkten mit oder ohne GVO zu
ermöglichen und der Agrarministerrat legte für Fertigprodukte, die gentechnisch
veränderte Zutaten enthalten, 0,9 Prozent als Grenzwert fest, allerdings hatte sich
das Europäische Parlament für einen strengeren Grenzwert von 0,5%
ausgesprochen.

Gleichzeitig wird auf EU-Ebene die Regelung von GVO-Verunreinigungen von
Saatgut in fachlichen und wissenschaftlichen Ausschüssen diskutiert. Die EU-
Kommission geht derzeit von Grenzwerten aus, wonach Verunreinigungen unter 0,3
bis 0,7 Prozent (je nach Kulturart) nicht einmal gekennzeichnet werden müssen.
Diese Grenzwerte liegen deutlich über den Vorgaben der österreichischen Saatgut-
Gentechnik-Verordnung (0,1 Prozent).

Ferner lässt sich dzt. nicht vorhersehen, inwieweit die EU- Regeln für die
Überwachung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von GVO und ihrer Produkte
auf internationaler Ebene gelten werden (von den 107 Staaten, die das Cartagena-
Protokoll unterzeichnet haben, haben erst wenige Staaten das
Ratifizierungsverfahren abgeschlossen, die WTO-Verhandlungen sind noch im
Gange). Um die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung in der EU wirksam
umsetzen zu können, müssten die Bestimmungen aber auch auf Produkte, die aus
Drittländern eingeführt werden, anwendbar sein.

Das Problem besteht vor allem auch darin, dass gentechnisch veränderte Pflanzen
durch die Art ihrer Vermehrung (Pollenflug, Bestäubung durch Bienen) nicht auf jene
Felder und Bereiche beschränkbar sind, auf denen sie angebaut werden. Mehrere
Studien (u.a. Studie im Auftrag des BMSG und der OÖ Landesregierung1 sowie von

' Werner Müller. GVO-freie Bewirtschaftungsgebiete: Konzeption und Analyse von Szenarien und
Umsetzungsschritten


der EU-Kommission2) haben inzwischen belegt, dass eine Streuung von
gentechnisch veränderten Organismen bei einem großflächigem Einsatz dieser
Technologie nicht zu verhindern ist. Dadurch können gentechnisch veränderte
Pflanzen oder ihre Pollen auch in Produkten auftauchen, die im Rahmen des
biologischen Landbaues hergestellt werden. Vor diesem Hintergrund könnte der
biologische Landbau in einem mittel- bis langfristigen Zeithorizont überhaupt
verdrängt werden3. Die Wahlfreiheit der KonsumentInnen, sich für ein GVO-freies
Produkt entscheiden zu können, wäre damit auch nicht mehr gegeben.

Auf lange Sicht ist die Koexistenz von GVO-freier Produktion und dem Einsatz der
Gentechnik in der kleinräumigen österreichischen Agrarstruktur nicht oder nicht mit
vertretbarem Aufwand möglich. Ebenso ist die Vermehrung von Saatgut, das frei von
unbeabsichtigten Verunreinigungen mit GVO ist, in Frage gestellt. Ziel muss es
daher sein, unter der Berücksichtigung der Sicherheitszonen für Biobetriebe, des
Umweltschutzes und der Aufrechterhaltung der Biodiversität flächendeckend
gentechnikfreie Zonen festzulegen und auszuweisen.

Da diese dringenden, für die Zukunft der österreichischen Landwirtschaft und
Umwelt bestimmenden Fragen in der nächsten Zeit zur Entscheidung anstehen
werden, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschliessen:

Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, folgende Maßnahmen zu
treffen bzw. auf EU-Ebene für folgende Maßnahmen einzutreten:

1.   Aufrechterhaltung des EU-Moratoriums für die Zulassung gentechnisch
veränderter Organismen und der nationalen Artikel-16-Verbote, solange nicht
EU-weit ein dem Vorsorgeprinzip entsprechendes, kohärentes
Regelungssystem geschaffen ist

2.   Erstellung eines flächendeckenden Konzeptes zur Schaffung von
Bewirtschaftungsgebieten, in denen unter Berücksichtigung des Biologischen
Landbaues, des Umweltschutzes und der Biodiversität gentechnisch
veränderte Organismen nicht ausgebracht werden dürfen sowie Festlegung
und Ausweisung solcher Gebiete (Errichtung von “gentechnikfreien Zonen")

3.        Unterstützung von Initiativen zur Errichtung von gentechnikfreien Zonen auf
EU-Ebene, in Kooperation mit Nachbarstaaten sowie im nationalen,
regionalen und lokalen Bereich

                                                           

" Mitteilung der Kommission "Eine Strategiesche Vision für Biowissenschaften und Biotechnologie", KOM
(2001) 454 endg.: oder “Biowissenschaften und Biotechnologie: Eine Strategie für Europa". KOM (2002) 27
endg.

³ Sh. Stelzer. Moratorium der Gentechnik? Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben der Errichtung
gentechnikfreier Bewirtschaftungsgebiete, S. 7. Universität Wien, präsentiert am 13.12.2002


4.   EU-weite Festsetzung der Grenzwerte für Saatgutverunreinigungen mit GVO
von max. 0,1 Prozent (bzw. der technisch möglichen Nachweisgrenze)

5.   Haftbarmachung der Hersteller für die wirtschaftlichen und anderen Schäden
im Zusammenhang mit der Freisetzung von GVO und Verankerung dieser
Haftung in den einschlägigen Richtlinien, Verordnungen und Gesetzen

6.  Verzicht auf GVO-Saatgut als notwendige Voraussetzung für Teilnahme am
Österreichischen Programm für umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL)

7.   Unterstützung der österreichischen Pflanzenzüchter und der österreichischen
Saatgutindustrie in ihrer Bereitschaft, hochqualitative Sorten und GVO-freies
Saatgut auf den Markt zu bringen.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuß für Land- und
Forstwirtschaft vorgeschlagen.