451/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 22.09.2004
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Glawischnig, Pirklhuber, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Sicherstellung der Existenz einer gentechnikfreien Landwirtschaft in Österreich („Gentechnik-Schutzpaket“)

 

 

 

 

Nach einer Unterbrechung von sechs Jahren hat die EU-Kommission im September 2004 mit der Eintragung von 17 Genmais-Sorten in das EU-Sortenregister erstmals den Anbau von Genmais in allen EU-Staaten erlaubt. Damit ist das Moratorium für die Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) gefallen und es droht eine Welle von neuen GVO-Zulassungen. Derzeit liegen 23 weitere Anträge vor, davon 11 für Einfuhr und Verarbeitung, die übrigen auch zum Anbau. Dabei geht es um Mais, Raps, Zuckerrüben, Sojabohnen, Reis und Baumwolle. Österreich ist bis heute nicht ausreichend vor den Risken dieser Zulassungswelle geschützt.

 

Die von der Bundesregierung vorgelegte Novelle zum Gentechnikgesetz kommt sehr spät und ist nicht geeignet, die Existenz der gentechnikfreien österreichischen Landwirtschaft aufrechtzuerhalten. Weder die Koexistenz- noch die Haftungsfrage werden in ausreichendem Umfang gelöst. Zu befürchten ist eine schleichende gentechnische Kontamination sowohl der konventionellen als auch der ökologischen Landwirtschaft. Wind und Bienen werden sich nicht an diverse Sicherheitsabstände zwischen Gentech-Feldern und gentechnikfreien Kulturen halten, Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen werden sich auf Dauer nicht von gentechnikfreien Kulturen und Wildpflanzen fernhalten lassen. Das von der EU-Kommission und der Gentechnik-Industrie beschworene friedliche Nebeneinander von Gentechpflanzen-Anbau und gentechnikfreier Landwirtschaft („Koexistenz“) wird in der Praxis zu vorprogrammierten Konflikten führen.

 

In Anbetracht der kleinen Struktur der Österreichischen Landwirtschaft, der breiten Beteiligung der österreichischen Betriebe am Österreichischen Programm für umweltgerechte Landwirtschaft ÖPUL (75 % der Betriebe und 88% der landwirtschaftlichen Nutzfläche), des hohen Anteils an ökologisch sensiblen Gebieten (Nationalparke, Natura 2000-Gebiete, Schutzzonen laut Alpenkonvention) sowie des relativ hohen Anteils an Biobetrieben (rund 12 % der erfassten Betriebe und 14 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche) ist der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Österreich untragbar.

 
Auch wird der Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft und bei Lebensmitteln von der großen Mehrheit der österreichischen Bevölkerung abgelehnt, was durch das von 1,2 Millionen Menschen unterzeichnete Gentechnikvolksbegehren aus 1997 zum Ausdruck kommt.

 

 

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Die Bundesregierung wird ersucht, im Zusammenhang mit der Novellierung des Gentechnikgesetzes folgende Maßnahmen zu setzen:

 

 

1.             Sicherstellung der dauerhaften Existenz einer gentechnikfreien Landwirtschaft in den Zielbestimmungen des Gesetzes, denn nur dann ist „Koexistenz“ und „Wahlfreiheit“ überhaupt möglich

 

2.             Streichung der Förderung der Gentechnik aus den Zielbestimmungen des Gesetzes, um Zielkonflikte mit dem Vorsorgeprinzip zu vermeiden

 

3.             Verankerung einer verursacherbezogenen Haftung (volle Beweislastumkehr, gesamtschuldnerisch und verschuldensunabhängig), damit Betriebe, die die Gentechnik anwenden, auch für die von ihnen verursachten Schäden aufkommen; Vorschreibung einer wirksamen Deckungsvorsorge (z.B. Haftpflichtversicherung) für alle Betriebe, die GVO anwenden; Schaffung aller notwendigen Voraussetzungen, damit Geschädigte ihre Ansprüche auf Nutzungsbeeinträchtigungen vor Gericht geltend machen können

 

4.             Vollständige und rechtzeitige Information der Öffentlichkeit bzw. der Betroffenen über den Umfang von Genehmigungen, die Standorte von genehmigten Freisetzungen, Risikobewertung, Ergebnisse des Monitorings

 

5.             Schaffung eines rechtlichen Rahmens zur Errichtung gentechnikfreier Gebiete in Österreich

 

6.             Schaffung von geschlossenen gentechnikfreien Gebieten zum Anbau von Saatgut

 

7.             keine Zulassung von GVO in ökologisch sensiblen Gebieten vor dem Hintergrund der Verpflichtungen aus der Konvention zur Biodiversität und dem Vorsorgeprinzip

 

8.             Erhöhung des Strafrahmens entsprechend den potentiellen Risiken

 

9.             Verbot von experimentellen Freisetzungen von GVO in Österreich

 

10.         Verzicht auf gentechnisch verändertes Saatgut als notwendige Voraussetzung für die Teilnahme im österreichischen Programm für umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL)

 

11.         Unterstützung von Initiativen zur Errichtung von gentechnikfreien Zonen auf
EU-Ebene, in Kooperation mit Nachbarstaaten sowie im nationalen,
regionalen und lokalen Bereich

 

12.         verstärkte Förderung der ökologischen Risikoforschung zur Verbesserung der Risikoabschätzung von GVO

 

13.         Unterstützung der Initiative der Bundesländer bei der Schaffung von bundesweit möglichst einheitlichen Gentechnik-Vorsorgegesetzen.

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.