453/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 22.09.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Mag. Maier, Gradwohl, Ing. Kummerer, Mag. Gassner
und GenossInnen
betreffend Agrarisches Betriebsmittelrecht und Lebensmittelrecht - Lebensmittelkette
Mit dem
Agrarrechtsänderungsgesetz 2004 wurden durch die Mehrheit im Nationalrat die
Zielsetzungen des ausführlich begründeten
Entschließungsantrages 142/A (E) XXII GP nicht
berücksichtigt. Der SPÖ-Antrag wurde durch die Regierungsparteien
abgelehnt. Dies ist
absolut unverständlich, da in den nächsten Monaten die europäischen Vorgaben
zur
Lebensmittelsicherheit (Lebensmittelkette) - mehrere Verordnungen und
Richtlinien -
umgesetzt und in das österreichische Recht intabuliert werden müssen. Die
Neuregelungen
betreffen alle Ebenen der Lebensmittekette, somit auch das agrarische
Betriebsmittelrecht.
Grundlage für diese europäische Rechtsakte war das Weißbuch für
Lebensmittelsicherheit.
Neben lebensmittelrechtlichen Bestimmungen betreffen diese das
Futtermittelrecht und
insbesondere das Veterinärrecht (Hygiene), sowie die damit verbundenen
amtlichen
Kontrollen.
Dieses
Reformvorhaben ermöglicht nun auch Bestimmungen des Lebensmittelrechts,
Veterinärrechts sowie des agrarischen Betriebsmittelrechts abzugleichen und
abzustimmen,
sowie eine neue Kompetenzregelung in allen
Bereichen der Lebensmittelkette zu Gunsten des
Gesundheitsressorts vorzunehmen, um eine einheitliche und interessenspolitisch
unabhängige
Vollziehung zu gewährleisten. Die Notwendigkeit der Abstimmung und
Abgleichung der
lebensmittelrechtlichen Bestimmungen mit
denen des agrarischen Betriebsmittelrechts wurde
bereits 2002 in einer Studie der AK Salzburg und AK Wien im Detail
nachgewiesen.
Unter anderem sind nun folgende Rechtsakte in den nächsten Monaten in
das nationale Recht
zu integrieren bzw. umzusetzen:
• Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 29.
April 2004 zur Lebensmittelhygiene
•
Verordnung (EG) Nr.853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 29.
April 2004 mit spezifischen
Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen
Ursprungs
•
Verordnung (EG)
Nr. 854/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.
April 2004 mit besonderen
Verfahrensvorschriften für die amtliche Überwachung von
zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs
•
Richtlinie
2004/68/EG des Rates vom 26. April 2004 zur Festlegung der
Veterinärbedingungen für die Einfuhr und die Durchfuhr bestimmter lebender
Huftiere in bzw. durch die Gemeinschaft,
zur Änderung der Richtlinien 90/426/EWG
und zur Aufhebung der Richtlinie 72/462/EWG (Text von Bedeutung für den EWR)
•
Verordnung (EG) Nr. 882/2004 Europäischen Parlaments und des Rates vom
29. April
2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel-
und
Futtermittelrechts sowie der
Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz.
Umgesetzt wurden
die grundsätzlichen politischen Forderungen des Weissbuches zur
Lebensmittelsicherheit in der Verordnung
(EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 28. Jänner 2002 zur Festlegung der allgemeinen
Grundsätze und
Erfordernisse des Lebensmittelrechtes, zur Errichtung der Europäischen Behörde
für
Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur
Lebensmittelsicherheit
(Lebensmittel-Basis-Verordnung). Ergänzt
wurden nun diese grundlegenden Bestimmungen
durch diese speziellen Futtermittel- und Lebensmittelvorschriften für
diverse Bereiche.
Entscheidend dabei ist, dass die sogenannte
„Lebensmittel-Basis-Verordnung" de fakto
keinen Unterschied zwischen Lebensmittel und Futtermittel macht und daher auch
einheitliche Kontrollvorgaben erlassen wurden (VO (EG) Nr. 882/2004).
Eine wesentliche Neuregelung dabei ist: Die zuständigen Behörden sind
nicht mehr allein für
die Erzeugung sicherer
Nahrungsmittel verantwortlich. Die Verantwortung trifft den
Lebensmittelunternehmer - in der Primärproduktion den „Landwirt". Die
zuständigen
Behörden haben hingegen die Verantwortung für eine wirksame amtliche Kontrolle
(Artikel
17 (EG) 178/2002).
Die Transparenz
des Systems mit klarer Zuordnung der Verantwortlichkeiten war unter
anderem eine der Hauptforderungen der
Europäischen Verbraucherorganisationen im Rahmen
der politischen Diskussion zum Weissbuch zur Lebensmittelsicherheit der
Europäischen
Kommission.
Das
Gemeinschaftsrecht geht nun von dem Grundsatz aus, dass Futtermittel- und
Lebensmittelunternehmer (in der Primärproduktion der „Landwirt") auf allen
Stufen der
Produktion, der Verarbeitung und des Vertriebs in den ihnen unterstehenden
Unternehmen
sicherstellen, das Futtermittel und
Lebensmittel die für ihre Tätigkeit relevanten Vorschriften
des Futtermittel- und Lebensmittelrechts erfüllen. Aufgabe der
Mitgliedsstaaten ist es,
innerstaatlich das europäische
Futtermittel- und Lebensmittelrecht sowie die Bestimmungen
über Tiergesundheit und Tierschutz durchzusetzen, zu überwachen und zu
überprüfen, dass
die entsprechenden Anforderungen von den Unternehmern auf allen Produktions-,
Verarbeitungs- und Vertriebsstufen
eingehalten werden. Zu diesem Zweck müssen effektive
amtliche Kontrollen durchgeführt werden, eine Aufgabe die den
Lebensmittelaufsichtsorganen, den Amtstierärzten und Organen des agrarischen
Betriebsmittelrechts auf Länderebene
zukommen wird.
Dieses neue
europäische Regelwerk ist in den nächsten eineinhalb Jahren durch Österreich
umzusetzen, Kontrollaufgaben werden damit
ausgebaut und europaweit harmonisiert, womit
natürlich auch neue Kontrollaufgaben für die zuständigen Behörden erwachsen.
Der europäische
Ansatz zur Lebensmittelsicherheit ist, wie deutlich aus den Verordnungen
(EG) Nr. 178/2002 und (EG) Nr. 882/2004
ersichtlich ist, ist ein klar strukturierter, wobei in
der EU-Kommission die Kompetenzen bei der Generaldirektion „Gesundheit
und
Verbraucherschutz" liegen.
Aber erst die
öffentliche Diskussion und der Druck einiger Mitgliedsstaaten beim BSE-
Skandal führte in den letzten Jahren auf europäischer Ebene zu diesen
entscheidenen
Reformen und legislativen Maßnahmen. So ist
positives Beispiel für eine gelungene Reform
mit Kompetenzverschiebung die Generaldirektion „Gesundheit und
Verbraucherschutz"
(SANCO) in der Europäischen Kommission. Sie
ist als Ergebnis der Schlussfolgerungen des
„Nichtständigen BSE-Untersuchungsauschusses des Europäischen
Parlaments" geschaffen
worden.
Damit wurde in der EU-Kommission die Verbraucherpolitik enorm gestärkt.
Das Europäische
Parlament (EP) setzte dabei durch,
dass die zersplitterten Zuständigkeiten für Gesundheit,
Lebensmittelrecht, Hygiene, Tierhaltung und Futtermittelkontrollen unter dem
Dach einer
aufgewerteten „Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz"
zusammengefasst
wurden. Die Generaldirektion
Landwirtschaft musste dafür die Kompetenzen abgeben.
Somit ist nun
auch die artgerechte Haltung und Fütterung der Tiere in der EU-Kommission
jetzt Angelegenheit des
Verbraucherschutzkommissars. Ihr untersteht auch das Lebensmittel-
und Veterinäramt der EU, dessen Inspektoren in der Europäischen Union die
Einhaltung von
europäischen Vorschriften überwachen. Darüber hinaus sind in dieser
Generaldirektion eine
Reihe von wissenschaftlichen Beratergremien angesiedelt, wobei nun der
Ausschuss
„Lebensmitelkette und Tiergesundheit" der für die Lebensmittelsicherheit
entscheidende
Ausschuss ist.
Das
österreichische Bundesministeriengesetz in der geltenden Fassung entspricht
dieser
europäischen Vorgabe nicht. Auch mit dem
Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz
und Gründung der „Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit"
(AGES) wurde
diesem einheitlichen und
produzentenunabhängigen Kontrollprinzip „from the stable to the
table" mehrfach nicht entsprochen, unter anderem deswegen da die
mittelbare
Bundesverwaltung weder rechtlich noch organisatorisch in dieses Kontrollkonzept
eingebunden wurde.
Die behördliche
Kontrolle wurde bislang bei der Vollziehung des agrarischen
Betriebsmittelrechts im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung in den
Bundesländern
direkt bei der Primärproduktion kaum durchgeführt. Eine durchgehend gesicherte
Prozesskontrolle in der Lebensmittelkette
ist aber nur dann möglich, wenn die Kontroll- und
Untersuchungsaktivitäten bei der Primärproduktion abgesichert sind.
Über mangelhafte Kontrollen vor Ort wurde in den letzten Jahren auch durch
mehrere EU-
Kontrollberichte berichtet. Zuletzt nach dem Inspektionsbesuch in Österreich
vom 1. bis 5.
Dezember 2003, bei dem eine Bewertung der Systeme zur Kontrolle des
Inverkehrbringens
und der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmittel pflanzlichen
Ursprungs
erfolgte.
Das Bundesgesetz mit dem die Agentur für Gesundheit und
Ernährungssicherheit gegründet
wurde, enthielt in erster Linie
organisationsrechtliche Maßnahmen hinsichtlich der
Zusammenlegung von Bundesanstalten als Teil einer fragwürdigen
Verwaltungsreform,
wobei eine Zentralisierung im Mittelpunkt stand. Der gesundheitspolitische
Versorgungsauftrag
wurde hinsichtlich der Dominanz haushaltspolitischer Zielsetzungen und
betriebswirtschaftlicher
Effizienzkriterien beeinträchtigt, die Eigentümerkonstruktion von
Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, sowei Bundesministerium für Land-
und
Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft erschwerte überdies nach Ansicht
des
Rechnungshofes den Aufbau der AGES. Daher trat der Rechnungshof neuerlich für
eine
einheitliche Zuordnung der Eigentümervertretung und der für die AGES
maßgeblichen
Agenden in das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen ein, da dieses dem
auf die
Wahrung der Gesundheit ausgerichteten Unternehmenszweck entsprechen und der
Kompetenzregelung der EU-Kommission folgen
würde.
Es ist daher aus Sicht der Antragsteller sinnvoll und schlüssig diese
Kompetenzänderung im
Zuge der Umsetzung der diversen EU-Rechtsakte zur Lebensmittelsicherheit
vorzunehmen,
um damit insbesondere
unterschiedliche Kontrollansätze zwischen Lebensmittel und
agrarische Betriebsmittel (Futtermittel)
auszuschalten.
Im Sinne einer interessenspolitisch unabhängigen behördlichen
Prozesskontrolle erscheint es
auch in den Bundesländern dringend
angebracht, Kompetenzänderungen dahingehend
vorzunehmen, dass alle Rechtsmaterien, die die Lebensmittelkette betreffen (zB
Landesveterinärverwaltungen,
Futtermittelwesen) nicht mehr dem jeweiligen Agrarlandesrat
unterstellt werden. Dies sollte über eine Art 15a BVG-Vereinbarung
erreicht werden.
Eine von den Kammern für Arbeiter und Angestellte für Wien und Salzburg
2002 in Auftrag
gegebene rechtsvergleichende Studie
setzte sich unter anderem mit dem Vergleich der
Straftatbestände des Lebensmittelrechts und denen des agrarischen
Betriebsmittelrechts
auseinander. In dieser Studie wurden zum einen die Straftatbestände des LMG und
des
agrarischen Betriebsmittelrechts und zum anderen die Kontrollmöglichkeiten der
Behörden
miteinander verglichen und untersucht.
Zum agrarischen
Betriebsmittelrecht gehören: Futtermittelgesetz, Düngemittelgesetz,
Saatgutgesetz, Pflanzenschutzmittelgesetz,
Pflanzenschutzgesetz, Pflanzgutgesetz und
Biozidgesetz.
Ziel der Studie
war es, herauszufinden, welche effizienten Maßnahmen und
Sanktionsmechanismen im Bereich des
Lebensmittelrechts und des agrarischen
Betriebsmittelrechts geschaffen werden müssten.
Dabei wurden Änderungen der Rechtslage bis September 2001
berücksichtigt. Wegen ihrer
besonderen Bedeutung sowohl für das
Lebensmittel- als auch für das agrarische
Betriebsmittelrecht wurde die Verordnung Nr. 178/2002 des Europäischen
Parlaments und
des Rates vom 28.01.2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und der
Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung des Europäischen Behörde
für
Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur
Lebensmittelsicherheit
nachträglich in ihren Grundzügen eingearbeitet. Mit dieser EU-VO wurde u.a. das
Futtermittelrecht dem Lebensmittelrecht im Sinne des Kontrollprinzips von
„Stall bis zum
Teller" gleichgestellt. Diese Zielsetzungen
wurden von der EU-Kommission weiter verfolgt.
Bereits Anfang
Februar 2003 hat die Europäische Kommission einen neuen Vorschlag
verabschiedet, mit dem die amtlichen Lebens- und Futtermittelkontrollen
reformiert werden
sollen. Die nun vorliegende Verordnung (Nr.
882/2004) sieht ein einheitlicheres, gestraffteres
und effizienteres Kontrollsystem sowie strengere Durchsetzungsmaßnahmen
vor. Die
Verordnung gehört auch zu den Maßnahmen, die im Weißbuch zur Lebensmittel
Sicherheit
vom Januar 2000 angekündigt worden waren.
Die wichtigsten Grundsätze des Lebensmittelrechts sind in der
Verordnung 178/2002/EG
festgelegt, die VO (EG) Nr.
882/2004 legt dar, wie diese Grundsätze auszulegen und
umzusetzen sind.
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass zahlreiche
EU-Richtlinien, die
neben dem Lebensmittelrecht die
Lebensmittelkette im weiteren Sinne betreffen, in
Österreich noch nicht umgesetzt wurden
(1822/AB XXII GP vom 26. Juli 2004).
Aus Sicht der
Auftraggeber aber auch des Verfassers dieser Studie (Univ. Ass. Dr. Robert
Kert) ergaben sich unter weiterer
Berücksichtigung bereits bekannter Problembereiche (z.B.
Legistik, legislative Defizite, Kompetenzlage, Vollziehung) sowie der
Ergebnisse der
Diskussion der Enquetekommission zum Teilthema "Verhältnismäßigkeit
verwaltungsstrafrechtlicher Strafdrohungen und Ausgewogenheit von gerichtlichen
und
verwaltungsstrafrechtlichen Strafdrohungen im Verhältnis zu einander"
nachfolgende
Schlussfolgerungen:
•
Betrachtet man das Lebensmittelrecht und das agrarische
Betriebsmittelrecht in einer
Gesamtschau fällt auf, dass die
untersuchten Gesetze vielfach nebeneinander bestehen,
Ähnlichkeiten
aufweisen, in entscheidenden Punkten aber doch wesentlich von einander
abweichen. Insbesondere bei den angedrohten
Strafen fallen Inkonsistenten auf, die nur
so zu erklären sind, dass keine Abgleichung der angedrohten Strafen
vorgenommen
wurde. Die bemerkenswert großen Unterschiede in den Strafdrohungen können in
den wenigsten Fällen mit der Wertigkeit des verletzten Rechtsgutes begründet
werden.
• Auffallend
ist die unterschiedliche Terminologie der untersuchten Gesetze, wie ein
Vergleich der Bedeutungen des Wortes „Inverkehrbringen"
in den einzelnen Gesetzen
zeigte, das in den meisten Gesetzen eine zentrale Rolle spielt, da es
viele der
Tathandlungen charakterisiert.
Wenn aber solche
elementare Begriffe in derart verwandten Rechtsgebieten wie dem
Lebensmittelrecht und dem agrarischen Betriebsmittelrecht unterschiedlich
verstanden
werden, ist die Rechtssicherheit nicht in
ausreichendem Maße gegeben. Eine Abgrenzung
der einzelnen Tathandlungsbegriffen in den einzelnen Gesetzen ist
damit beinahe
unmöglich.
•
Ein wesentlicher
Grund für diese Divergenzen, der sich beim Vergleich von
Lebensmittelrecht und agrarischem Betriebsmittelrecht zeigt, ist die Tatsache
dass die
Kompetenzen für die Vollziehung, aber auch für die Erstellung der
Gesetzesentwürfe
bei unterschiedlichen Ministerien liegt.
Für die Vollziehung des Futtermittelgesetzes, des
Saatgutgesetzes, des Düngemittelgesetzes, des
Pflanzenschutzmittelgesetzes, des
Pflanzenschutzgesetzes, des Pflanzgutgesetzes, des Biozidproduktegesetzes, ist
der
Bundesminister für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zuständig,
während die Vollziehung des Lebensmittelgesetzes, des
Fleischuntersuchungsgesetzes,
des Tierarzneimittelkontrollgesetzes (mit Ausnahme der gerichtlichen
Strafbestimmungen, für die das
Justizministerium zuständig ist), aber etwa auch des - in
diesem Zusammenhang wichtigen - Arzneimittelgesetzes in die
Zuständigkeit des
Bundesministeriums für Gesundheit und
Frauen (ehemals Bundesministerium für soziale
Sicherheit und Generationen) fällt.
•
Für von den Gerichten zu vollziehenden Strafbestimmungen trifft
ausschließlich auch
noch das Bundesministerium für Justiz eine legistische Zuständigkeit. Und es
hat den
Anschein, dass im Zuge der Erstellung von Gesetzesentwürfen nicht - oder nur sehr
eingeschränkt - versucht wird, die Gesetze aufeinander abzustimmen.
Anders ist es vielfach nicht zu erklären, warum für dieselben oder ähnliche Tatbestände
die angedrohten Strafen doch erheblich von einander abweichen und auch die legistische
Qualität der Strafbestimmungen sehr unterschiedlich ist.
Es ist daher ernsthaft zu überlegen, ob nicht auch die legistische Abfassung von
Verwaltungsstrafbestimmungen zur Gänze beim Justizministerium liegen sollte.
Um eine einheitliche Struktur der Verwaltungsstrafbestimmungen zu erreichen, wäre dies
jedenfalls zu begrüßen.
• Die
Regelungen über die behördliche Kontrolle erscheinen sowohl im
Lebensmittelgesetz als auch im agrarischen
Betriebsmittelrecht grundsätzlich
ausreichend.
Dass es dennoch
immer wieder zu sogenannten "Lebensmittelskandalen" kommt, ist
zweifelsohne weniger ein legislatives Problem als vielmehr ein Vollzugsproblem.
Es ist
daher in erster Linie eine
Effizienzsteigerung der tatsächlichen Kontrollen im Rahmen der
mittelbaren Bundesverwaltung erforderlich, indem häufiger und
einheitlicher kontrolliert
wird und dafür auch die notwendigen Kontrollorgane (z.B.: Sachverständige) sowie
Sachmittel ausreichend zur Verfügung stehen. Dies ist vom jeweils zuständigen
Landeshauptmann sicherzustellen.
• § 25a
LMG statuiert öffentliche Warnpflichten des zuständigen Bundesministers,
wenn durch eine gesundheitsschädliche Ware (Lebensmittel) eine größere
Bevölkerungsgruppe gefährdet ist, und daher eine Gemeingefährdung vorliegt.
Für keine
Rechtsmaterie des agrarischen Betriebsmittelrechts gibt es allerdings eine
ähnlich lautende Bestimmung mit der Verpflichtung des zuständigen
Bundesministers
unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen (z.B. gesundheitsschädliche
Futtermittel), die Öffentlichkeit zu
warnen. Für eine diesbezügliche Regelung spricht nun
allerdings auch die in Kraft stehende Lebensmittel-Basisverordnung der
EU, die eine
Aufklärungspflicht der Behörden vorsieht, wenn Lebensmittel oder Futtermittel
ein
Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier mit sich bringen. Aber auch nach
dem
novellierten Futtermittelgesetz (in der Fassung des
Agrarrechtsänderungsgesetzes 2002)
ist diese Verpflichtung nicht vorgesehen, obwohl die EG Verordnung Nr. 178/2002
dies
verlangt.
• Betrachtet
man die angedrohten Strafen im Lebensmittelrecht und im agrarischen
Betriebsmittelrecht, scheinen - auch wenn
es gewisse Defizite gibt - die Gründe für die
mangelhafte Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen keinesfalls in den
gesetzlich
vorgesehenen Strafbestimmungen selbst zu liegen, etwa in zu niedrigen Strafen
oder
fehlenden gerichtlichen Strafen.
Entscheidend
und wichtiger ist vielmehr, dass der Staat auf Verstöße reagiert.
Wesentlich für die Prävention
ist zweifelsohne, dass kontrolliert und die angedrohten
Strafen auch verhängt sowie dass - wenn
notwendig - auch die Strafrahmen ausgeschöpft
werden. Hier bestehen in der lebensmittelrechtlichen wie auch in der
agrarrechtlichen
Vollziehungspraxis vielfach Defizite, indem
die vorgesehenen Strafrahmen nicht einmal
annähernd ausgenutzt werden. Dies betrifft sowohl die
Verwaltungsstrafbehörden als
auch die Gerichte. Bloß im Gesetz angedrohte hohe - aber nicht verhängte -
Strafen
werden auch in Zukunft keine Lebensmittel-
oder Futtermittelskandale verhindern
können.
•
Die Einführung
gerichtlicher Strafbestimmungen mit verhältnismäßig hohen
Strafdrohungen in dem im Dezember 2001 durch den Nationalrat beschlossene
Tierarzneimittelkontrollgesetz erscheint systematisch verfehlt, da das
Gesetz
grundsätzlich von seiner Regelungsmaterie her dem Veterinärrecht zuzuordnen
ist, die
darin vorgesehen gerichtlichen
Strafbestimmungen inhaltlich aber Regelungsbereiche des
Lebensmittelgesetzes betreffen. Die hohen Strafdrohungen könnten nur
durch das
Tatbestandserfordernis einer abstrakten Gefährdung der menschlichen Gesundheit
gerechtfertigt werden.
•
Für die Frage, ob
die Strafdrohungen des Lebensmittelgesetzes, und auch jene des
agrarischen Betriebsmittelrechts
ausreichend sind, ist die Frage entscheidend, in welchem
Verhältnis die Strafbestimmungen jener Gesetze und jene des
Strafgesetzbuches
(StGB) stehen. Auch wenn die Tatbestände des StGB keineswegs durch jene des
LMG
als lex specialis verdrängt werden, sollte
aufgrund der unterschiedlichen Ansichten in der
Literatur und Praxis das Verhältnis des Lebensmittelgesetzes zum StGB
durch den
Gesetzgeber geklärt und durch gesetzliche Festschreibung der Subsidiarität
des
Lebensmittelgesetzes die volle Anwendbarkeit des StGB neben dem LMG
gewährleistet
werden.
• In Bezug auf die Sanktionierung von Verstößen
gegen EG Recht sorgt vor allem die
Sanktionierung von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares EG Recht für
Schwierigkeiten
sowohl im Lebensmittelgesetz als auch im agrarischen
Betriebsmittelrecht. Damit den europarechtlichen Anforderungen an das
Erfordernis der
Gleichstellung von Verstößen gegen originär österreichisches Recht und EG Recht
entsprochen wird, wird im Normalfall eine
Verweisung auf EG Verordnungen als ganzes
nicht ausreichend sein, da damit nicht klar ist, welche der in den Verordnungen
genannten
Bestimmungen gemeint, und wie die Verstöße zu bestrafen sind. Die
Sanktionen müssen
zum einen jenen entsprechen, die für nach Art und Schwere gleichartige Verstöße
gegen
nationales Recht angedroht sind. Ansonsten
entsprechen sie nicht den Anforderungen des
sog. Assimilationsprinzips: Dies kann nur dadurch erreicht
werden, in den bestehenden
österreichischen Strafbestimmungen
entsprechende Strafbestimmungen auch für Verstöße
gegen das Gemeinschaftsrecht zu schaffen.
Hier besteht vor allem auch im Lebensmittelgesetz ein dringender
Änderungsbedarf,
da beispielsweise § 74 Abs. 6 LMG
diese Anforderungen keinesfalls erfüllen kann.
• Darüberhinaus müssen die Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend
sein. Um das zu erreichen müssen Verstöße gegen manche EG Verordnungen,
etwa gegen
die Verordnung Nummer 2377/90 zur
Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die
Festsetzung von Höchstmengen von Tierarzneimitteln in Nahrungsmitteln
tierischen
Ursprungs oder Teile der novel-food-Verordnung, jedenfalls mit gerichtlichen
Strafen
geahndet werden.
•
Diese gemeinschaftsrechtlichen
Anforderungen werden vor allem auch bei der
Implementierung der im Jänner 2002 erlassenen EG-Verordnung Nr. 178/2002 zur
Festlegung der allgemeinen Grundsätze und
Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur
Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur
Festlegung für
Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (Lebensmittel-Basis-Verordung) zu beachten
sein,
die neben Lebensmitteln auch Futtermittel umfasst, und ein allgemeines Verbot
enthält,
unsichere Lebensmittel und Futtermittel in Verkehr zu bringen.
•
Schließlich scheint es im Lebensmittelrecht und im agrarischen
Betriebsmittelrecht (wie
auch in anderen
Verwaltungsgesetzen) geboten, eine originär
(verwaltungs)strafrechtliche
Verantwortlichkeit Juristischer Personen einzuführen,
da es sehr oft Unternehmen sind, die als potentielle Täter in Frage
kommen, und
wirkungsvolle Strafen vielfach nur gegen Unternehmen verhängt werden können.
• Die strengen formalen Erfordernisse für ein
Verwaltungsstrafverfahren, die vom VwGH
verlangt werden, führt dazu, dass
das LMG wie auch das agrarische Betriebsmittelrecht
durch die Bezirksverwaltungsbehörden nicht
mehr vollzogen werden können. Die Folge
sind einerseits Verfahrensverschleppungen und Verfahrenseinstellungen,
andererseits die
Flucht in das Strafrecht durch den Gesetzgeber.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Entschließung:
Der Nationalrat hat beschlossen:
Die
Bundesministerin für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
wird
aufgefordert, gemeinsam mit der
Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bis 31.12.2004
ein Maßnahmenpaket dem Nationalrat vorzulegen, das folgende Punkte enthält:
1. Änderung des Bundesministeriengesetzes, mit dem
die Kompetenzen für das agrarische
Betriebsmittelrecht - insbesondere das Futtermittelwesen - der Bundesministerin
für
Gesundheit und Frauen übertragen werden. Damit soll eine einheitliche und
interessenspolitisch unabhängige
Vollziehung durch das für Gesundheitsangelegenheiten
ressortzuständige Bundesministerium im Sinne der EU-Kommission erreicht werden.
2.
Vollständige
nationale Umsetzung bzw. Integration der im Jänner 2002 erlassenen
Verordnung Nr. 178/2002 zur Festlegung der
allgemeinen Grundsätze und Anforderungen
des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für
Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur
Lebensmittelsicherheit
(Lebensmittel-Basis-
Verordnung) im Lebensmittelgesetz, wobei die
futtermittelrechtlichen Vorschriften im LMG
soweit als möglich aufzunehmen sind.
3. Klare gesetzliche Festlegungen von Sanktionen bei
Verstößen gegen das EG Recht in den
bestehenden Strafbestimmungen des LMG (z.B. Änderung § 74 Abs. 6 LMG),
des
Veterinärrechts und des agrarischen Betriebsmittelrechts.
Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein,
im
Bedarfsfall müssen gerichtliche
Strafen vorgesehen werden.
4.
Gesetzliche Festschreibung der Subsidiarität des Lebensmittelgesetzes,
damit die volle
Anwendbarkeit des StGB neben dem
LMG durch die unabhängigen Gerichte
gewährleistet wird.
5.
Schaffung einer einheitlichen Terminologie und Harmonisierung der
Begriffe für das
Lebensmittelrecht und das agrarische Betriebsmittelrecht, sowie dies
europarechtlich
möglich ist.
6.
Abgleichung der
Strafandrohungen im Lebensmittelgesetz und agrarischen
Betriebsmittelrecht mit dem Ziel,
einheitliche Strafdrohungen für dieselben oder ähnliche
Tatbestände in den einzelnen Materiengesetzen zu erreichen.
7.
Die Einführung von
Mindeststrafen für den Bereich des Lebensmittelrechts sowie des
agrarischen Betriebsmittelrechts (analog zum Biozid-Produkte-Gesetz), da die
angedrohten Strafen in der Vollzugspraxis im Regelfall nicht verhängt werden.
Mindeststrafen könnten eine Möglichkeit
bieten, dass Strafen überhaupt verhängt werden
bzw. das Strafmaß der bislang verhängten Strafen zu erhöhen.
8.
Änderung der §§ 15, 48 ff. Lebensmittelgesetz dahingehend, dass die
Bestimmungen auch
in der Praxis durch die zuständigen Behörden anwendbar sind. Durch eine
Vereinfachung
der Bestimmung des § 15 LMG
verbunden mit dem Erlass von den notwendigen
Durchführungsverordnungen sollten die Strafbestimmungen im
Tierarzneimittelkontrollgesetz dem Lebensmittelgesetz wieder zugeordnet werden.
9.
Schaffung der
gesetzlichen Grundlagen zur Erlassung eines für die Vollziehung
verbindlichen Revisions- und Probenplanes
durch den zuständigen Bundesminister für das
jeweils folgende Kalenderjahr zur Effizienzsteigerung der Kontrollen
für das gesamte
agrarische Betriebsmittelrecht
(analog zum § 36 LMG und § 34 Abs. 4
Biozidproduktegesetz). Dieser ist vor Beginn des jeweiligen Kalenderjahres zu
veröffentlichen.
10. Die gesetzliche Festlegung einer öffentlichen Warnpflicht des zuständigen
Bundesministers
für alle Rechtsmaterien des agrarischen Betriebsmittelrechts, durch die
möglichen Gesundheitsschädigungen von
Menschen bzw. Tieren vorgebeugt werden soll.
Jedenfalls sollte das Instrument grundsätzlich für solche Fälle eingesetzt
werden, in denen
eine potentielle Gesundheitsgefahr für eine große Zahl von Menschen oder
Tieren durch
eine Kontrollbehörde oder durch die AGES festgestellt bzw. gegen europäische
oder
nationale Vorschriften zum Schutz der
Gesundheit verstoßen wurde.
11. Diese öffentliche
Warnpflicht sollte auch bei wiederholten Verstößen gegen
Bestimmungen zum Schutz der menschlichen
Gesundheit im weiteren Sinn, also auch bei
Verdorbenheit von Waren einsetzen. Dafür spricht auch die
„Lebensmittelbasisverordnung", die eine Aufklärungspflicht der
Behörden vorsieht, wenn
ein Lebensmittel oder Futtermittel ein Risiko für die Gesundheit von Mensch und
Tier mit
sich bringen kann (Erweiterung des § 36 LMG).
12.
Absicherung der Vollziehbarkeit der Bestimmungen des
Lebensmittelgesetzes und jenen
des agrarischen
Betriebsmittelrechts, damit den formalistischen Erfordernissen des
VwGH entsprochen werden kann.
13.
Um eine einheitliche Struktur der Verwaltungsstrafbestimmungen zu
erreichen, sollte die
legistische Abfassung der
Verwaltungsstrafbestimmungen im Lebensmittelrecht sowie
agrarischen Betriebsmittelrecht in Zukunft zur Gänze beim Justizministerium
liegen.
14. Einführung einer
originär(verwaltungs)strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer
Personen.
Zuweisung: Landwirtschaftsausschuss