481/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 18.11.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Mag.a Terezija Stoisits, Mag.a Ulrike Lunacek, Freundinnen und
Freunde

betreffend Menschenrechtsverletzungen in China

Die hohen Wachstumsraten der chinesischen Wirtschaft machen China zum
künftigen Hoffnungsmarkt für Österreich. So spricht der Präsident der
Wirtschaftskammer Österreich in einer Aussendung vom 7. Mai 2004 davon, die
Exporte nach China bis 2007 um zwei Drittel steigern zu wollen. Nach den USA ist
das asiatische Land bereits der zweitwichtigste außereuropäische Markt für
österreichische Unternehmen geworden. Doch die wirtschaftliche Öffnung und
Modernisierung Chinas muss auch mit tiefgreifenden politischen Reformen
einhergehen. Die Einhaltung der Menschenrechte ist hier an erster Stelle zu nennen.
Obwohl in der chinesischen Verfassung seit März 2004 erstmals festgelegt ist, dass
„der Staat die Menschenrechte achtet und schützt", ist die Praxis davon noch weit
entfernt.

Täglich finden schwere Menschenrechtsverstöße in China statt. Dazu gehören (die
Artikel   beziehen   sich   auf   die   „Allgemeine   Erklärung   der   Menschenrechte"):

         Recht auf Leben (Art. 3.): Noch immer wird die Todesstrafe in China in
großem Umfang eingesetzt. Amnesty International schätzt, dass 2003 1639
Todesurteile verhängt und 726  Hinrichtungen durchgeführt wurden  (die
tatsächlichen Zahlen dürften aber deutlich höher sein).

         Verbot von Sklaverei und Leibeigenschaft (Art. 4): China betreibt das größte
Zwangsarbeitssystem der Welt. Laut Amnesty International werden mehr als
250.000 Menschen in Zwangsarbeitslagern festgehalten. Sie werden meist
ohne Gerichtsverfahren festgehalten und müssen schwerste körperliche und
gesundheitsgefährdende Arbeit verrichten.  Die hergestellten Waren, wie
Maschinen und Textilien, werden (getarnt) auch für den Export produziert.1

         Folterverbot (Art. 5): Folter ist in vielen staatlichen Einrichtungen nach wie vor
weit verbreitet. Laut Amnesty International gehören dazu Tritte, Schläge,
Elektroschocks, das Aufhängen an den Armen, Anketten in schmerzhaften
Positionen  sowie   Schlaf-   und   Nahrungsentzug.   Inhaftierte   Frauen  sind
überdies sexuellen Übergriffen bis hin zur Vergewaltigung ausgesetzt.

         Gleichheit vor dem Gesetz (Art.  7): Verweigerung des Ausstellens und
Verlängerns von neuen Reisepässen, um im Ausland lebende chinesische
StaatsbürgerInnen zu einer Rückkehr nach China zu bewegen

         Willkürliches Festnahmeverbot und Gerechtes Verfahren (Art. 8 bis 10):
Verhaftungen     erfolgen     oft     willkürlich,     Gefangene     werden     ohne
Gerichtsverfahren    festgehalten.    Todesurteile    werden    sofort,    ohne

1 Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) Österreich: „Macht dem Laogaidui ein Ende!
Das System der Zwangsarbeit in der Volksrepublik China: Opfer, Methoden, Praktiken, und sein
weltweiter Einfluss". S. 11/12.1994.


Berufungsmöglichkeit vollstreckt. Einweisungen in Zwangsarbeitslager ohne
faire gerichtliche Verfahren kommen ebenfalls vor.

         Freie Religionsausübung (Art. 18): Obwohl die freie Religionsausübung in der
chinesischen Verfassung verankert ist, ist diese nicht gewährleistet. Mit einem
„Staatsvorbehalt"     wird     die     Gründung     und     der     Bestand     von
Religionsgemeinschaften behindert.

         Gedanken- und Gewissens-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit (Art. 18 bis
20):
Die Medien stehen unter staatlicher Zensur, kritische JournalistInnen
werden mundtot gemacht und in Arbeitslager gesperrt. Auch herrscht eine
strenge Zensur des Internets: So wurden in diesem Jahr bereits tausende
Internet-Cafes      geschlossen,      die      Suchmaschine      Google      darf
regierungskritische Websites in China nicht auflisten, laut Angaben von
Amnesty International wurden im Jahr 2003 mindestens 150 Personen wegen
Verbreitung von „Falschinformationen" verhaftet. Friedliche Versammlungen
werden oft gewaltsam und mit Hilfe militärischer Kräfte zerschlagen. Am 24
August 2004 hatten AntragstellerInnen bei den Polizeibehörden eine offizielle
Petition für eine Demonstration am  18. September eingereicht. Am  18.
September tagte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei. Am Platz
des Himmlischen  Friedens sollte gegen Korruption,  Behördenwillkür und
andere Missstände protestiert werden. Was folgte, war eine Verhaftungswelle
gegen die AntragstellerInnen. Nach Angaben von „Human Rights in China"
seien Unterlagen beschlagnahmt, Eigentum zerstört und mehr als 36.000
Menschen verhaftet worden.

         Recht   auf   Bildung   (Art.   26):    Das   Bildungssystem   wird   auch   als
„Umerziehungsinstrument" benützt. Der Zugang zum Bildungssystem wird für
Gruppen, die von der chinesischen Regierung nicht anerkannt sind, erschwert
bzw. verunmöglicht. Sprache, Kultur und Geschichte von Minderheiten wie
den Tibeterlnnen können durch die „Zwangssinisierung" im Bildungssystem
nicht weiter gegeben und gepflegt werden.

Betroffen sind vor allem folgende Gruppen:

         Demokratiebewegung: Seit dem Massaker am Tiananmen-Platz im Jahr 1989
wird jeglicher Versuch einer Diskussion über diese Ereignisse unterdrückt.
AktivistInnen haben nach wie vor mit Verhaftungen zu rechnen. Bekanntestes
Opfer ist der durch die Aufdeckung von SARS bekannt gewordene Jiang
Yanyong, der sich im März 2004 in einem offenen Brief an die chinesische
Führung gewandt und eine Revision des offiziellen Urteils über Tiananmen
gefordert hatte.

         Tibeterlnnen: Systematische Zerstörung tibetischen Kulturgutes, planmäßige
Vertreibung von Tibeterlnnen, Zwangsassimilierung (Sinisierung), die Rechte
auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Religionsfreiheit sind sehr
eingeschränkt. Tibeterlnnen, die die Unabhängigkeit Tibets fordern, werden
verhaftet.

         Uiourlnnen: Systematische Verfolgung des in der Nordwestprovinz Xinjiang
lebenden islamischenTurkvolkes der Uiguren durch gezielte Ansiedelung von
Han-Chineslnnen    und    Unterdrückungsmaßnahmen.    Die    chinesischen
Behörden rechtfertigen Repressionen mit dem „Krieg gegen den Terrorismus".
So  auch   im  Oktober 2003,   als  eine   100 Tage  andauernde  massive
Säuberungskampagne        der        Sicherheitskräfte         begann.         Die
Repressionsmaßnahmen    zielen    jedoch    nicht    nur    auf    islamistische


Fundamentalisten,     sondern     auch     auf     die     Unterdrückung     von
Unabhängigkeitsbestrebungen ab.

         Falun   Gong-Praktizierende:   Systematische   Verfolgung   der  Angehörigen
dieser Meditationstechnik, staatliche  Hetzkampagnen (die in den  letzten
Jahren auf andere  Länder,  u.a. auch Österreich, ausgeweitet wurden),
staatliche   Repressionsmaßnahmen   (Arbeitslager,   Psychiatriemissbrauch,
Folterungen etc.)

         Staatlich    nicht    anerkannte    Glaubensgemeinschaften    (BuddhistInnen.
ChristInnen    etc.):
    In    China    sind    Islam,    Daoismus,    Buddhismus,
Protestantismus und Katholizismus anerkannt. Alle religiösen Gruppen und
Menschen, die sich nicht den offiziellen Vereinigungen anschließen, so auch
etwa 40 bis 60 Millionen nicht-registrierte ProtestantInnen und 12 Millionen
„Untergrundkatholiken", laufen Gefahr, als „staatsfeindlicher Kult" angesehen
und verfolgt zu werden (gezielte Festnahmen, Einweisungen in Arbeitslager,
Folterungen, Hinrichtungen).

Besorgnis erregend ist auch die Tatsache, dass Übergriffe nicht nur in der VR China
passieren, sondern dass zunehmend im Ausland lebende ChinesInnen und
ausländische KritikerInnen Repressalien ausgesetzt sind. Berichtet werden neben
der Überwachung im Ausland auch Repressalien, indem AusländerInnen
Einreisevisa oder im Ausland lebenden ChinesInnen die Verlängerung ihrer
Reisepässe verweigert werden. Weiters versucht die chinesische Regierung,
Regierungen anderer Länder vor allem über wirtschaftlichen Druck für ihre
repressive Politik einzunehmen.

In Nepal etwa wurde der anerkannte uigurische Flüchtling Shaheer Ali nach
chinesischen Interventionen von den nepalesischen Behörden abgeschoben und in
China hingerichtet. Die Intervention Chinas in Österreich, keine Sonderbriefmarke
mit dem Motiv des Dalai Lama herauszubringen, nimmt sich dagegen harmlos aus.
Weniger harmlos klingt sich dagegen ein Bericht der Internationalen Gesellschaft für
Menschenrechte (IGFM) Österreich2: „Ein Mitarbeiter des chinesischen Konsulats in
Wien bat einen chinesischen (Falun Gong-)Praktizierenden um ein Gespräch, um mit
ihm über Falun Gong zu sprechen ...Als er jedoch erkannte, dass er keinen Erfolg
damit (mit der Überzeugungsarbeit, Anm.) hatte, fing er mit Drohungen und
Einschüchterungen an, die bis hin zur Bedrohung des Lebens führte."

China hat den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte noch
immer nicht ratifiziert. Dieses Abkommen ist einer der beiden Pakte, die 1966 zur
rechtlich bindenden Umsetzung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von
1948 vorgelegt wurden. Die deutsche Regierung macht ihre Zustimmung zur
Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber China, das derzeit innerhalb der EU
diskutiert wird, von der Ratifizierung dieses Paktes abhängig. Das Embargo war
bereits im Dezember 2003 vom Europäischen Parlament mit dem Hinweis auf die
immer noch „unbefriedigende" Menschenrechtslage in China bekräftigt worden.

Die EU führt mit China einen strukturierten politischen Dialog seit 2002 durch. Der
nächste EU-China-Gipfel soll am 8. Dezember 2004 stattfinden. Der
Menschenrechtsdialog wird auf hochrangiger Ebene seit 1997 alle zwei Jahre
durchgeführt. In den Jahren 2001 und 2002 drückte die EU-Präsidentschaft große

2 IGFM Österreich, Arbeitskreis China: „Die Verfolgung von Falun Gong unter spezieller
Berücksichtigung von Vorkommnissen im Zusammenhang mit Österreich", September 2004


Besorgnis über die Menschenrechtssituation in China bei ihrem Eröffnungsstatement
anlässlich der Jahresversammlung der UN-Menschenrechtskommission, UNCHR,
aus.

Der Europäische Rat stellte am 11. Oktober 2004 neben positiven Entwicklungen
(wie etwa die Steigerung der Rechtssicherheit) fest: „Despite these developments,
the Council expresses its concern about continuing violations of human rights, such
as the freedom of expression (including press freedom and internet), freedom of
religion and freedom of assembly and association. It also concludes that there has
been no progress in the respect for the rights of persons belonging to minorities, in
particular as regards religious freedom, and a continued erosion of minority culture,
in particular in Tibet and Xinjiang. The Council deplores the continued widespread
application of the death penalty as well as the persistence of torture, despite
acknowledgement of this problem by the Chinese authorities. The overall
assessment of developments shows a mixed picture of progress in some areas and
continuing concerns in others."

Das Büro von Außenministerin Ferrero-Waldner schrieb in einem Mail vom 4.
Februar 2004 an einen Falun Gong-Aktivisten: „Das Außenministerium ist sich der
schwierigen Lage der Anhänger von Falun Gong in China bewusst und teilt Ihre
Besorgnis. Die MitarbeiterInnen des Außenministeriums setzen sich daher auf allen
Ebenen für den Schutz der Grundrechte der Mitglieder der Falun Gong ein. Öster-
reich hat seine Bedenken über die weitverbreiteten Menschenrechtsverletzungen
bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht. (...)Österreich nimmt an den Beratungen
der Europäischen Union zu diesem Thema aktiv teil und verfolgt Entwicklungen im
Bereich der Menschenrechte in China mit großer Aufmerksamkeit. Das
Außenministerium wird auch in Zukunft initiativ zur Formulierung der
Menschenrechtspolitik der Europäischen Union gegenüber China beitragen, damit
diese ihr gemeinsames Gewicht für eine Verbesserung der Lage der
Menschenrechte (...) einsetzen kann."

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die österreichische Regierung wird aufgefordert

-   sich im Rahmen der EU und in bilateralen Kontakten verstärkt und entschiedener
als bisher um eine Verbesserung der Menschenrechtslage in China zu bemühen,

-   Menschenrechtsverletzungen in China nicht nur im Wege der „stillen Diplomatie"
sondern verstärkt öffentlich anzusprechen,

-   sich im Rahmen der EU für diplomatische und wirtschaftliche Schritte einzusetzen,
wenn sich die Menschenrechtslage in China nicht deutlich verbessern sollte,

-   im Rahmen der EU für den Fortbestand des Waffenembargos einzutreten,


-    im   Falle   von   Diskriminierung   von   in   Österreich   lebenden   chinesischen
StaatsbürgerInnen    seitens    chinesischer    Behörden    (etwa    ungerechtfertigte
Verweigerung   der   Ausstellung   oder   Verlängerung   von   Reisepässen)   dieser
entschieden entgegenzutreten,

-  energisch Fällen von ungerechtfertigter Verweigerung von Visaausstellungen für
österreichische StaatsbürgerInnen entgegenzutreten,

-   bei  künftigen  Besuchen  chinesischer PolitikerInnen  in Österreich  bzw.  von
österreichischen Regierungsmitgliedern in China Menschenrechtsorganisationen im
Vorfeld einzubinden.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Auschuss für Menschenrechte
vorgeschlagen.