485/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 09.12.2004
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Rest-Hinterseer, Pirklhuber Freundinnen und Freunde
betreffend Reform der EU-Zuckermarktordnung
Die Europäische Kommission hat Reformvorschläge für den Zuckersektor vorgelegt, die folgende wesentlichen Punkte beihalten (Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, KOM (2004) endg.):
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Eine in zwei
Stufen erfolgende deutliche Kürzung der institutionellen Stützungspreise für
EU-Zucker bei gleichzeitiger Abschaffung der Interventionen und Einführung
eines Referenzpreises.
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Einführung
eines teilweisen Ausgleichs für die Zuckerrübenerzeuger in Form einer
produktionsentkoppelten Direktzahlung.
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Vereinfachung
der derzeitigen Quotenregelung durch Zusammenlegung der A- und der B-Quote zur
nur noch einer Quote sowie Kürzung des sich hierbei ergebenden Gesamtumfangs
dieser Quote. Die geltenden Bestimmungen über C-Zucker sollen unverändert
bleiben.
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Umstrukturierung
des EU-Zuckersektors durch Eröffnung der Möglichkeiten zur Quotenübertragung
zwischen Mitgliedstaaten und Einführung einer Förderregelung für die Umstellung
von Zuckerfabriken, um die notwendigen Anpassungen zu erleichtern.
Darüber hinaus
sollen die Vorschläge eine Grundlage bilden, um mit den Entwicklungsländern
einen Dialog aufzunehmen, bei dem geprüft wird, auf welche Weise die EU einen
Beitrag zu den erforderlichen Anpassungen der Zuckererzeugung in den
AKP-Staaten (Afrika, Karibik und Pazifikraum) und in Indien liefern kann. Zu
berücksichtigen sind auch die Ergebnisse der Doha-Runde der
Welthandelsorganisation sowie die Anfechtung von Teilen der derzeitigen
Zuckermarktordnung in einem Panel der WTO.
Die derzeitige EU-Zuckermarktordnung (ZMO) weist gravierende Mängel auf und muss dringend reformiert werden. Allerdings geht der Kommissionsvorschlag in die falsche Richtung. Wenn die Zuckererzeugung eine vernünftige Perspektive für die europäischen und die Bäuerinnen und Bauern in den Entwicklungsländern bieten soll, dann müssen soziale und ökologische Aspekte bei der Wahl der Steuerungsinstrumente eine zentrale Rolle spielen.
Das größte Problem an der derzeitigen ZMO ist die gezielte Überproduktion. Obwohl die Produktionsbegrenzung zentrales Element ihrer Ordnung ist, werden 125% bis 150 % des Eigenbedarfs produziert. Die subventionierten Exporte haben die Weltmarktpreise gedrückt und Erzeuger in Entwicklungsländern verdrängt. Die EU-Zuckerpreise - und damit auch die Importzölle - sind völlig ausgeufert. Sie sind dreimal so hoch wie die Weltmarktpreise, und die gebundenen Importzölle betragen weit über 300 %. Nur einige wenige privilegierte Entwicklungsländer haben Marktzugang.
Sowohl von den Befürwortern des Status Quo als auch von denen einer Liberalisierung des Marktes wird meist als Hauptargument für jeweilige Zuckermarktordnungs-Reformvorschläge das Argument der Armutsbekämpfung in den Entwicklungsländern herangezogen. Dabei zu berücksichtigen ist jedoch, dass Zuckerrohr in vielen Entwicklungsländern ein Anbauprodukt der Plantagenwirtschaft oder allenfalls einiger feudaler Großbetriebe ist. Auch ist die Zuckerwirtschaft gering verflochten mit der Restwirtschaft und gibt daher nur schwache, wenig breitenwirksame Wachstumsimpulse an die Volkswirtschaft weiter. Mehr Zuckerexporte bedeuten auch, dass bestes potentielles Ackerland für den Zuckerrohranbau umgewidmet wird, das auch für kleinbäuerliche Nahrungsmittelproduktion genutzt werden könnte.
Jede Begründung mit der Armutsbekämpfung ist auch daran zu messen, ob die Handelsmaßnahme einen effektiven Beitrag zur Verbesserung der zum großen Teil katastrophalen Arbeitsbedingungen der Zuckerarbeiterinnen und -arbeiter in den Entwicklungsländern leisten kann. Nach Einschätzung der Internationalen Arbeitergewerkschaft der Nahrungsmittelindustrie (IUF) haben sich die Arbeitsbedingungen und Lebensverhältnisse der Arbeiterinnen und Arbeiter in fast allen Entwicklungsländern erheblich verschlechtert. Zwangs-, Wanderarbeit und Tagelohn nimmt zu. Darüber hinaus wächst die Bedrohung der Arbeitsplätze in der bestehenden Zuckerwirtschaft durch die Produktion von Zuckerersatzstoffen natürlicher, synthetischer oder gentechnischer Art und durch das Vordringen moderner Managementsysteme und Landbautechniken.
Mit den Zuckererzeugerländern - zuerst mit den AKP-Staaten und den ärmsten Ländern - muss ausgehandelt werden, wie viel Zucker in die EU importiert werden kann, ohne die europäischen Bäuerinnen und Bauern und bestimmte Regionen ganz aus diesem Produktionszweig zu verdrängen. Von den Exportmöglichkeiten von Zuckerrohr sollen die Erwerbstätigen auf den Plantagen und in den Zuckerfabriken sowie die Volkswirtschaften der Entwicklungsländer profitieren. Die derzeit bestehenden Marktzugangsmöglichkeiten für die Entwicklungsländer sind jedoch ungleich verteilt. Sie tragen nur noch wenig zu einem weltweit gerechten Handel bei. Handelspolitische Reformen müssen daher verknüpft werden mit Mechanismen und Kriterien, die auf eine Verbesserung der Umwelt- und Lebensbedingungen der Betroffenen angelegt sind.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, sich im Zusammenhang mit der Reform der
EU-Zuckermarktordnung für folgende Ziele bzw. Maßnahmen einzusetzen:
1.
Festhalten an einer mengenregulierten
Zuckerproduktion in der EU mit Hilfe von Produktionsquoten bis zum Jahr
2019
2. Senkung der Produktionsmengen und Einstellung des Exportes von direkt oder indirekt subventioniertem Zucker
3. Kompensation der Zuckerbauern für die Quotensenkung in Form der Einbeziehung der Zuckerrübenfläche in die entkoppelten Flächenprämien im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Agrarreform
4. Entwicklung von Produktionsalternativen im Bereich Futter- und Energiepflanzen
5. Einführung ökologischer Kriterien (cross-compliance) in der Zuckermarktordnung analog zu anderen Bereichen in der Agrarpolitik
6. kontingentierter Marktzugang für die "am wenigsten entwickelten Länder" (LDC) und Verteilung der AKP-Quoten nach der Bedürftigkeit der Länder
7.
Bindung der Lieferrechte der
Entwicklungsländer an soziale und ökologische Mindestbedingungen
8. Sicherstellung, dass durch die Schaffung eines Marktzuganges in die EU die Ernährungssouveränität bzw. der Zugang zu Land für arme Bevölkerungsgruppen nicht negativ beeinträchtigt wird
9.
Bindung der europäischen
Zuckerkonzerne an einen Verhaltenskodex für Unternehmertätigkeit (auch im
Ausland und für Zulieferbetriebe) sowie Schaffung von verbindlichen Sozial- und
Umweltstandards für die internationale Zuckerwirtschaft auf allen Ebenen (ILO,
ISO, WTO, OECD).
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung
an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft
vorgeschlagen.