52/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 26.02.2003
(Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich)

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sburny, Lunacek, Rest-Hinterseer, Freundinnen und- Freunde
betreffend österreichische Position zum GATS

Mit dem Dienstleistungsabkommen GATS (General Agreement on Trade in
Services), das im Rahmen der Welthandelsorganisation am 1.1.1995 in Kraft trat,
wurde ein Rahmenwerk für die fortschreitende Liberalisierung des internationalen
Handels mit Dienstleistungen geschaffen. Seit Februar 2000 findet nun eine
Neuverhandlung dieses Abkommens statt, wobei seit 30. Juni 2002 alle WTO-
Mitgliedstaaten ihr Liberalisierungsforderungen an Drittländer bekannt gegeben
haben und bis 31. März 2003 ihre Liberalisierungsangebote bei der WTO deponieren
müssen. Ab diesem Termin beginnt die „heiße Phase" der Verhandlungen, die bei
der fünften Ministerkonferenz im September 2003 in Cancun, Mexiko, ihren ersten
Höhepunkt finden wird. Der Abschluss der Verhandlungen ist bis 2005 vorgesehen.

Die GATS-Verhandlungen werden EU-intern im Netzwerk der verschiedenen
Ratsausschüsse gemäß Art. 133 EG beraten und vorbereitet. Über die Ergebnisse
der Ausschusstagungen wird das österreichische Parlament nur im Rahmen des
EU-Informationsverfahrens (Art. 23e B-VG) informiert, eine aktive Miteinbindung und
formelle Beschlussfassung zu den laufenden Verhandlungen ist nicht vorgesehen.

Bei den GATS-Verhandlungen geht es um die globale Marktöffnung für den Handel
mit Dienstleistungen, die in zahlreichen Fällen aus gutem Grund strikt geregelt sind,
beispielsweise, um einen hochwertigen und gleichberechtigten Zugang zu
öffentlichen Diensten zu garantieren und den sozialen Zusammenhalt zu
gewährleisten.

Derzeit unterliegen viele Dienstleistungen in weitaus stärkerem Ausmaß als der
Güterhandel innerstaatlicher Regulierung. Zudem sind in Europa und in vielen
Entwicklungsländern - anders als in den USA - vor allem die Basisdienstleistungen
vorwiegend staatlich geregelt. Hier liegt die strategische Bedeutung des GATS. Es
impliziert eine Reichweite und Eingriffstiefe in innerstaatliche Regulierung, die in
keiner Weise mit der auf den Gütermärkten vergleichbar ist. Wenn Gesundheit,
Sozialsysteme, Bildung, Information, öffentliche Wasserversorgung, Kultur u.ä. zur
Ware werden, so ist dies ein qualitativ grundsätzlich anderer Vorgang, als wenn der
Warenhandel durch Abschaffung von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen
erleichtert wird. Werden nämlich bei öffentlichen Dienstleistungen Verpflichtungen
eingegangen, so würden die Gestaltungsmöglichkeiten der Politik im Hinblick auf die
Grundversorgung der Bevölkerung massiv eingeschränkt und übergeordnete Ziele
vernachlässigt. Viele der Versorgungsleistungen würden für große Teile der
Bevölkerung zu Luxusgütern oder mussten von der öffentlichen Hand teuer
zugekauft werden.

Das Argument, dass etwa eine Liberalisierung des Bildungs- und
Gesundheitswesens nicht in die Reichweite des GATS fällt, trifft aus folgenden
Gründen nicht zu: Artikel l Abs. 3b und c des GATS besagt zwar, dass
Dienstleistungen, die „in Ausübung hoheitlicher Gewalt" und „weder zu
kommerziellen Zwecken, noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren
Dienstleistungserbringern" erbracht werden, von dem Abkommen ausgenommen
sind. Da es aber neben dem öffentlichen und gemeinnützigen Bildungs- und
Gesundheitswesen auch rein kommerzielle Anbieter gibt, greift diese
Ausnahmeregel nicht mehr. Auch wenn derzeit einzelne Länder etwa eine
Liberalisierung des Bildungs- und Gesundheitswesens nicht anstreben, könnten
diese Bereiche in einer der nächsten Liberalisierungsrunden sehr wohl zur
Disposition stehen. GATS sieht nämlich in Art. XIX vor, dass regelmäßige
Verhandlungsrunden zwischen den WTO-Mitgliedsländern stattfinden sollen, "um
einen höheren Stand der Liberalisierung zu erreichen".

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass

-    die Verhandlungen gestoppt werden, bis eine wissenschaftliche Analyse über
   die ökonomischen, sozialen, ökologischen, gender- und demokratiepolitischen
   Auswirkungen bisheriger und eine Einschätzung künftig denkbarer
   Liberalisierungsschritte im Dienstleistungsbereich vorliegen

-   die Verhandlungsunterbrechung dahingehend genützt wird, die Liberalsierung
  von Dienstleistungen im Rahmen des GATS-Prozesses einer breiten
  öffentlichen Diskussion zu unterziehen und alle betroffenen Gruppen,
  Bundesländer und Gemeinden miteinzubeziehen

- die nationalen Parlamente und das EU-Parlament in den
  Verhandlungsprozess miteinbezogen werden

- Leistungen der Daseinsvorsorge (z.B. Gesundheit, Bildung,
   Sozialeinrichtungen) vom GATS ausgenommen bleiben

-  Entwicklungsländern die Möglichkeit eingeräumt wird, ihre eigenen
    Dienstleistungssektoren aufzubauen und zu entwickeln.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Wirtschaftsausschuss
vorgeschlagen.