58/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 26.02.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Am 12.06.2015 erfolgte eine vertraulichkeits-/datenschutzkonforme Adaptierung.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Maier, Dr. Jarolim, Mag. Gisela Wurm

und Genossinnen

betreffend Verbesserung der Stellung der Privatbeteiligten in der StPO

 

Mehr und bessere Rechte für Privatbeteiligte sind in der Strafprozessordnung notwendig. Anlass für eine Gesetzesänderung sollten u.a. die Erfahrungen aus den jüngsten „Monsterverfahren", wie dem Bautreuhand-lmmag-Strafverfahren l oder aktuell dem Kaprun-Prozess sein. Es kann nicht sein, dass geschädigte Privatbeteiligte - wie im WEB l Strafverfahren - fast 13 Jahre auf ein Strafurteil warten müssen und dann auf Zivilgerichte verwiesen werden.

 

In der Strafentscheidung des LG Salzburg im sog. WEB l Strafverfahren wurden die Ansprüche der Privatbeteiligten nämlich nicht angesprochen und somit nicht mitentschieden. Es erfolgte mündlich eine Verweisung der Ansprüche auf den Zivilrechtsweg. Begründet wurde dies unter anderem damit, weil von keinem der Angeklagten Ersatzansprüche anerkannt worden waren.

 

In einem Strafprozess können die durch eine Straftat Geschädigten durch Anschluss als Privatbeteiligte ihre zivilrechtlichen Entschädigungsansprüche - wie u. a. Vermögensschaden, Sachausgaben, Ungültigerklärung von Rechtsgeschäften, aber auch Schmerzengeld - gegen den Beschuldigten geltend machen und vom Strafgericht die Entscheidung darüber begehren (§§ 4, 47, 365 ff. StPO). Das Gericht hat bei Freispruch des Beschuldigten den Privatbeteiligten mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Bei der Verurteilung kann es zum (Teil-) Zuspruch des Begehrens bzw. zur (gänzlichen oder teilweisen) Verweisung auf den Zivilrechtsweg (§§ 366, 372 StPO) kommen. Damit besteht für geschädigte Opfer die Möglichkeit einigermaßen kostengünstig Ersatzansprüche zugesprochen zu erhalten, ohne das finanzielle Risiko eines Zivilverfahrens eingehen zu müssen.

 

Es entspricht aber bedauerlicherweise der ständigen Gerichtspraxis, dass es praktisch nur bei einem Anerkenntnis durch den/die Angeklagten bzw. Verurteilten zu solchen zivilrechtlichen Zusprüchen kommt.

 

In der Rechtsliteratur besteht generell die Ansicht, dass der OGH die entsprechenden Feststellungen ergänzen könnte, wenn sich dies aus den Prozessunterlagen ableiten lässt.

Der Oberste Gerichtshof hat in weiterer Folge im WEB l Strafverfahren im Mai 2002 die Strafurteile gegen N.N., DDr. Dieter Röslhuber, Georg Geyer, Dipl.-Vw. Helmut Scheufele, Dr. Hans-Jürgen Gold und Herbert Neuberger bestätigt. Die Genannten wurden zu langjährigen Haftstrafen zwischen sechs und neun Jahren rechtskräftig verurteilt.

 

Er hat jedoch für mehrere geschädigte Privatbeteiligte (für die die AK-Salzburg das Prozesskostenrisiko übernommen hat), überraschenderweise in den meisten Fällen auch die geltend gemachten Schadenersatzbeiträge zugesprochen.

 

Die Arbeiterkammer Salzburg vertrat die Auffassung, dass es aus grundsätzlichen Überlegungen notwendig ist, gegen das Erkenntnis des Landesgerichtes Salzburg zu berufen. Es lag ein absolutes rechtspolitisches Interesse vor, den Obersten Gerichtshof zu zwingen, zu den konkretisierten Ersatzansprüchen im Strafverfahren Stellung zu nehmen und über die Ansprüche der Privatbeteiligten eine Entscheidung zu treffen. Bekämpft wurde die Verweisung der geschädigten Opfer auf den Zivilrechtsweg.

 

Rechtspolitisch geht es generell um die Rolle und Stellung der Privatbeteiligten im Strafverfahren. Daher ist es auch notwendig, die Rechtsstellung der Verbrechensopfer (in diesem Fall der geschädigte Anleger) prozessual durch eine Änderung in der StPO zu stärken. In diesem WEB-l-Strafverfahren wurden die strafprozessualen Mängel deutlich aufgezeigt. Generell zeigte sich aber auch, dass unsere Rechtsordnung für derartige Monsterverfahren (Wirtschaftskriminalität) nicht geeignet ist. Defizite in der Justizverwaltung wurden mehrfach deutlich.

 

Die derzeitige Rechtslage und Verfahrenpraxis ist für geschädigte Opfer insgesamt unbefriedigend, da Geschädigte im Strafprozess hinsichtlich ihrer zivilrechtlichen Ansprüche eine periphere Stellung einnehmen. Es hat zwar einen klaren Grund, dass sich die historische Gesetzgebung dazu entschieden hat, zwischen der zivilrechtlichen Regulierung eines Schadensfalls und der öffentlichen Androhung strafbarer Handlungen zu unterscheiden, und beide jeweils in ein gesondertes Verfahren zu verweisen. Die Privatbeteiligung kann jedoch grundsätzlich ein sehr sinnvolles Instrument sein, insofern eine strafrechtliche Verurteilung die darauffolgenden zivilrechtlichen Auseinandersetzungen wesentlich erleichtern oder ersetzen kann. Geschädigte verfolgen daher ein sehr berechtigtes Interesse vor dem Hintergrund ihrer zivilrechtlichen Ansprüche mit Nachdruck darauf hinzuwirken, dass bereits im Strafverfahren auch das zivilrechtliche Verschulden des Täters festgestellt wird.

 

Das Hauptproblem stellt für einen geschädigten Privatbeteiligten im Strafverfahren bisher dar, dass die öffentlichen Ankläger - wenn nicht gerade ein Kapitalverbrechen abzuhandeln ist - bei der Strafverfolgung teilweise mit relativ großer Gleichgültigkeit vorzugehen scheinen. In derartigen Verfahren muss ein Geschädigter mit einem Privatbeteiligungsanschluss sehr häufig zur Kenntnis nehmen, dass die Klärung zivilrechtlicher Ansprüche keinen Schwerpunkt in der Tätigkeit der Staatsanwaltschaften darstellt.

 

Allerdings kann es gerade im Bereich von Strafverfahren mit einer großen Anzahl von Geschädigten andere Konstellationen geben, in denen für alle oder einen Großteil der Geschädigten mehr oder weniger der gleiche Sachverhalt gilt und nur geringfügigste Präzisierungen ergänzend für eine zivilrechtliche Beurteilung ausreichen (siehe z. B. WEB-Geschädigte, Rieger-Bank-Geschädigte, European Kings Club-Geschädigte usw.). In solchen gesellschaftspolitisch und volkswirtschaftlich gesehen nicht unbedenklichen Fällen sollte wie in anderen europäischen Staaten eine wesentliche „Verfahrenskonzentration" im Strafverfahren erfolgen.

 

Aus all diesen Gründen ist es für ein geschädigtes Opfer aber von großer Bedeutung, schon im Strafverfahren als Privatbeteiligter mit einem eigenen Rechtsvertreter prozessual auftreten zu können. Daher sind alle Maßnahmen zu befürworten, die es Geschädigten erlauben, schon im Strafverfahren an das Gericht

 

Beweisanträge zu stellen und ein verstärktes Mitsprache- und Erörterungsrecht eingeräumt zu bekommen. Überlegenswert erscheint es in diesem Sinne auch, Privatbeteiligten unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zu einer Berufung gegen einen Freispruch einzuräumen (derzeit hat der Privatbeteiligte ja überhaupt nur dann ein Rechtsmittel, wenn der Täter zwar verurteilt, er aber unverständlicherweise dennoch auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde). Schon in diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, ob der Privatbeteiligte bei Untätigkeit des Staatsanwaltes durch eigene Berufung quasi zum öffentlichen Ankläger wird (was an sich vorerst unvorstellbar erscheint), oder ob auf ihn die Regeln über die Subsidiaranklage anzuwenden sind.

Gerade im „WEB-IMMAG-Bautreuhand-Strafverfahren I" wurden die strafprozessualen Mängel zum Nachteil der Privatbeteiligten (geschädigte Anleger) deutlich (wobei diese Kritik natürlich auch für andere Verfahren mit Privatbeteiligtenanschluss gilt):

 

          In diesem Strafverfahren konnten die Privatbeteiligtenvertreter keine Eröffnungsplädoyers halten und somit nicht die Argumente der geschädigten Anleger vorbringen.

          Sie konnten in Vertretung der geschädigten Privatbeteiligten im Verfahren keine Beweisanträge stellen (Ablehnung durch die Verteidiger).

          Die Privatbeteiligten wurden in diesem Strafverfahren direkt nie gehört, konkrete  Schadenssachverhalte - obwohl entsprechend aufbereitet durch die Parteienvertreter - konnten in diesem Verfahren somit in keiner Weise umfassend erörtert werden.

          Es war bereits eine Besonderheit in diesem Prozess, dass kein einziges Opfer als Privatbeteiligter gehört wurde und diese praktisch nur - eingeschränkt - über Privatbeteiligtenvertreter zu Wort kamen. Von Interesse ist, dass beispielsweise die deutsche Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den damaligen Salzburger Staatsanwalt Dr. Graf u. a. mit der Begründung einstellte, dass in der österreichischen Anklageschrift keine Ansprüche von Geschädigten detailliert wurden.

          Mehrere Privatbeteiligtenvertreter hatten die Anspruchsgrundlagen ihrer Klienten so aufbereitet, wie es in einem Zivilprozess erforderlich gewesen wäre. Der Richter des LG Salzburg hat trotzdem die Privatbeteiligten im Urteil auf den Zivilrechtsweg verwiesen, obwohl mit nur geringem Zusatzaufwand von vielleicht zwei oder drei Prozesstagen die vertretenen Geschädigten gehört werden hätten können.

          Ganz allgemein war es von exemplarischer Bedeutung, im gegenständlichen Fall die Ansprüche der „Verbrechensopfer" mit aller Konsequenz bis zuletzt zu verfolgen, gerade auch um Argumentationsmaterial in der Hand zu haben, welches Schicksal ein Verbrechensopfer in einem Fall wie dem beschriebenen zu erwarten hat. Das sollte auch ein Ausgangspunkt für künftige Gesetzesinitiativen sein - so die Privatbeteiligtenvertreter.

          Auch international gesehen könnte es in Zukunft von noch nicht abschätzbarer Bedeutung sein, wenn sich ein Strafgerichturteil auch mit den Ansprüchen der Privatbeteiligten im Detail auseinandersetzen muss (siehe dazu die Diskussion über Zivilklagen in Amerika).

Grundsätzlich geht es daher um die Rolle und Stellung der Privatbeteiligten und deren zivilrechtliche Ansprüche im Strafverfahren. Bei einem zukünftigen Gesetzesvorhaben ist es rechtspolitisch notwendig, die Rechtsstellung der Verbrechensopfer prozessual zu stärken. Im Interesse der Geschädigten (Opfer) soll die Miterledigung zivilrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren - nicht zum Regelfall gemacht -, aber doch entscheidend erleichtert werden!

Eine diesbezügliche Neuregelung entspricht auch den Zielsetzungen der Diversion:

Stärkere Auseinandersetzung des Täters direkt mit den Opfern - auch finanziell (Opfer-Täter-Ausgleich). Diese Tendenzen im Strafrecht müssen auch in Österreich umgesetzt werden und entsprechen einer Aufwertung von Privatbeteiligten im Strafverfahren insgesamt.

Generell zeigte sich überdies bei diesem aber auch bei anderen Strafverfahren,
dass unsere Strafrechtsordnung für derartige Monsterverfahren (insbes. bei
der Verfolgung der Wirtschaftskriminalität) nicht geeignet ist.

          Bei einer Verurteilung sind die Beschuldigten und später eventuell Verurteilten weder willens noch kaum in der Lage, tausende Geschädigte finanziell zufrieden zustellen.

          Die Organisation der Durchsetzung gleichartiger Ansprüche ist äußerst mühsam. Je besser die Vertretung der Geschädigten ist, insbesondere eine konzentrierte Interessenvertretung erfolgt, desto geringer fallen die organisatorischen Probleme in das Gewicht.

          Der Anschluss als Privatbeteiligter im Strafprozess unterbricht die Verjährung nur insoweit, als der Anspruch der Höhe nach - ziffernmässig - geltend gemacht wurde, nicht jedoch schlechthin dem Grund nach. Erfolgt die Anschlusserklärung ohne ziffernmässige Geltendmachung von Ansprüchen, wird die Verjährung von Schadenersatzansprüchen daher hiedurch nicht unterbrochen.

          Bei ausschließlicher Privatbeteiligung können Forderungen gegen Dritte (z. B. Banken), die nicht zum Kreise der vom Strafverfahren erfassten Personen gehören, in der Zwischenzeit verjähren. Daher sollte auch die deliktische Haftung von juristischen Personen überdacht bzw. ausgeweitet werden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Justiz wird aufgefordert, im Rahmen der anstehenden Novelle der StPO die Stellung der Privatbeteiligten im Strafprozess generell zu verbessern und dafür insbesondere folgende Änderungen vorzusehen:

1.        Zur Begründung der Ansprüche oder zur Abklärung des Verdachtes gegen den Beschuldigten soll Privatbeteiligten die Möglichkeit der Stellung von Beweisanträgen in jeder Lage des Verfahrens, vor allem in der Hauptverhandlung, eingeräumt werden.

2.        Akteneinsicht für Privatbeteiligte bereits während der Vorerhebungen.

3.        Verständigungspflicht gegenüber Privatbeteiligten von der Rechtskraft der Anklageschrift, der Einbringung des Strafantrages oder des Antrages auf Bestrafung und des Termins der Hauptverhandlung, verbunden mit einer Rechtsbelehrung.

4.        Teilnahme des Rechtsvertreters von Privatbeteiligten an den kontradiktorischen Vernehmungen.

5.        Unter bestimmten Voraussetzungen eine Berufungsmöglichkeit von Privatbeteiligten gegen einen Freispruch.

6.        Eine Unterbrechung der Verjährung von Schadenersatzansprüchen bei einem Privatbeteiligtenanschluss generell in der Strafprozessordnung vorzusehen.