670/A XXII. GP

Eingebracht am 07.07.2005
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Antrag

gemäß § 26 GOG

der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Mag. Barbara Prammer, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Alexander Van der Bellen und Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und über Restitutionsmaßnahmen (Entschädigungsfondsgesetz), BGBl. I Nr. 12/2001, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 108/2004, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 11 wird folgender § 11a eingefügt:

"Vorläufige Leistungen

§ 11a. (1) Das Kuratorium ist im Einvernehmen mit dem Antragskomitee ermächtigt, die Erbringung vorläufiger Leistungen an Leistungsberechtigte zu beschließen.

(2) Vorläufige Leistungen können nur unter der Voraussetzung der Erfüllung von § 44 Abs. 1 und ausschließlich an Leistungsberechtigte erbracht werden, über deren Forderungen, ausgenommen gegebenenfalls Forderungen aus Versicherungspolizzen, vom Antragskomitee entschieden wurde, und nachdem eine allfällige Frist zur Stellung eines Antrags auf neuerliche Entscheidung abgelaufen ist.

(3) Richtlinien über die Erbringung vorläufiger Leistungen erlässt das Kuratorium mit der Maßgabe, dass vorläufige Leistungen so zu bemessen sind, dass sie die voraussichtliche Höhe der insgesamt nach diesem Bundesgesetz an den Antragsteller zu erbringenden Geldleistungen nicht übersteigen. Das Kuratorium kann in diesen Richtlinien vorsehen, dass eine vorläufige Leistung nur zu erbringen ist, wenn ihre richtliniengemäße Bemessung einen Mindestbetrag erreicht oder übersteigt."

2. § 16 Abs 1 wird ersetzt durch:

"§16. (1) Gelangt das Antragskomitee zu der Ansicht, im Fall des § 15 Abs. 1 Z 2 mit Einstimmigkeit, dass der Antragsteller die in § 15 genannten Beweiserfordernisse erfüllt, wird das Antragskomitee einen Gesamtbetrag aller anerkannten Forderungen des Antragstellers festlegen (Forderungsbetrag). Der Forderungsbetrag wird dem Antragsteller mitgeteilt, wobei das Antragskomitee jenen Teil des Forderungsbetrages, der Forderungen aus Versicherungspolizzen betrifft, und jenen Teil des Forderungsbetrages, der alle übrigen Forderungen betrifft, gesondert mitteilen kann. Nach Ablauf der Antragsfrist gemäß § 8 und Entscheidung aller Anträge wird das Antragskomitee den jeweiligen Antragstellern auf Grundlage der festgelegten Forderungsbeträge und nach Maßgabe des gemäß § 5 für das Forderungsverfahren bereitgestellten Betrages eine verhältnismäßig zu kürzende Leistung (pro rata) zuerkennen (Zuerkennungsbetrag). Der Zuerkennungsbetrag je Antrag darf 2 Millionen US-Dollar nicht übersteigen. Nähere Bestimmungen werden in der Geschäfts- und Verfahrensordnung geregelt."

3. In § 17 werden nach den Worten

"über den Forderungsbetrag"

die Worte

 "oder einen Teil des Forderungsbetrages"

eingefügt.

4. § 21 entfällt mitsamt seiner Überschrift.

5. § 29 lautet:

 § 29. Anträge an die Schiedsinstanz sind bis spätestens 31. Dezember 2006 schriftlich beim Fonds einzubringen.“

6. § 37 Abs 3 entfällt.

 

 

Begründung:

1. zu § 11a

Abs 1: Aufgrund des hohen Alters vieler Antragstellender und der länger als ursprünglich erwarteten Bearbeitungsdauer der Anträge an den Fonds soll die Möglichkeit bestehen, im Laufe des Jahres 2006 mit der Erbringung vorläufiger Leistungen als Vorschüsse auf die endgültig zuzuerkennenden Leistungen zu beginnen. Die Erbringung vorläufiger Leistungen bleibt hierbei an die Voraussetzungen der §§ 11 (Verzichtserklärung) und  44 (Abweisung von Klagen, sog „Rechtssicherheit“) geknüpft.

Abs 2: Vorläufige Leistungen sollen nur erfolgen, nachdem alle in den Vereinigten Staaten am 30. Juni 2001 anhängigen Klagen gegen Österreich oder österreichische Unternehmen, die sich aus oder im Zusammenhang mit der Zeit des Nationalsozialismus oder dem zweiten Weltkrieg ergeben, abgewiesen worden sind. Vorläufige Leistungen sollen nur an Antragstellende ergehen, über deren Antrag eine zumindest teilweise positive Entscheidung ergangen ist, die nicht mehr bekämpft werden kann.

Abs 3: Vorläufige Leistungen sollen den insgesamt dem oder der Antragstellenden auszubezahlenden Betrag nicht übersteigen. Zur Vermeidung wenig wünschenswerter "Bagatellvorauszahlungen" kann ein Mindestbetrag festgesetzt werden, bei dessen Unterschreitung keine Vorauszahlung erfolgt. Eine sinnvolle Mindesthöhe könnte bei USD 500 liegen.

2. zu § 16 Abs 1

Die Möglichkeit einer Entscheidung über Forderungen aufgrund entzogener Versicherungspolizzen hängt von Recherchen ab, deren Durchführung mitunter erhebliche Zeit in Anspruch nimmt. Um die rasche Verfügbarkeit einer ausreichenden Zahl bearbeiteter und somit durch vorläufige Leistungen auszahlbarer Fälle jedenfalls sicherzustellen, bekommt das Antragskomitee (aufgrund der damit verbundenen Verwaltungskosten als ultima ratio) die Möglichkeit, im Forderungsverfahren über Versicherungspolizzen mit getrenntem Beschluss zu entscheiden. Eine gleichartige Norm für das Billigkeitsverfahren ist nicht erforderlich, da mangels näherer Vorschriften über die Entscheidungsfindung dort diese Möglichkeit ohnehin besteht.

3. zu § 17

Dies sichert die Bekämpfbarkeit und damit die Rechtskraft von Teilentscheidungen gemäß § 16 Abs 1.

4. zur Streichung des § 21

Die Bemessung von Billigkeitszahlungen pro Haushalt hat sich als ein juristisch schwer fassbares, legistisch unzureichend definiertes und administrativ nur unter erheblichem Aufwand durchführbares Konzept erwiesen. § 21 des EF-G idgF sieht darüber hinaus sogar vor, dass Billigkeitszahlungen nicht nur pro (historischem) Haushalt bemessen, sondern auch pro (historischem) Haushalt geleistet werden sollen. Dies ist undurchführbar. Die Haushaltsgemeinschaften gemäß der Definition des § 21 Abs 2 EF-G idgF setzen sich oftmals aus Personen zusammen, die, aus unterschiedlichen Erdteilen kommend, unabhängig voneinander Anträge gestellt haben, in denen sie sich auf gemeinsame Vorfahren oder Vorfahren, die in häuslicher Wohngemeinschaft iSd § 21 EF-G idgF gelebt haben, beziehen. Die Leistungserbringung kann also aus praktischen Gründen lediglich pro Antragsteller und nicht pro Haushalt erfolgen.

Die Prüfung der Leistungsvoraussetzungen (zB Eigentum des Geschädigten an der Sache, deren Entzug etc) erfolgt zwangsläufig personen- und nicht haushaltsbezogen. Der "Haushalt" wird letztlich zu einer, das Verfahren massiv komplizierenden, bloßen Verrechnungseinheit, die eine mehr oder minder zufällige Umverteilung der für das Billigkeitsverfahren zur Verfügung stehenden Mittel bewirkt, an deren Gesamtsumme sich dadurch nichts ändert. Alle Verluste, die zu jeweils einem "Haushalt" gehören müssen jeweils aus dem Gesamtbestand von über 19000 Akten extrahiert werden, um danach wieder einzelne Anteile der Billigkeitszahlung auf die bezughabenden Antragsteller aufteilen zu können.

Die Streichung des § 21 zeitigt also in dem Sinne keinerlei nachteilige Folgen, dass kein Antragsteller, der bei aufrechtem § 21 eine/keine Auszahlung erhalten hätte, nun keine/eine Auszahlung erhält. Die Summe der ausgeschütteten Mittel bleibt gleich. Die Änderung ist somit, soweit dies die Auszahlungen des Fonds betrifft aufkommensneutral.

5. zu § 29

Die Schiedsinstanz für Naturalrestitutionen des Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus hat ersucht, die Frist für die Einbringung von Anträgen an die Schiedsinstanz bis 31. Dezember 2006 zu verlängern. Dieses Ersuchen wird insbesondere damit begründet, dass einige Gebietskörperschaften erst im Laufe des Jahres 2004 die Schiedsinstanz zur Prüfung von Anträgen von Naturalrestitution von öffentlichen Vermögen eingesetzt haben bzw. die Schiedsinstanz erst Ende 2004 von solchen Beschlüssen informiert wurde. Weiters erscheint es möglich, dass noch weitere Gemeinden die Schiedsinstanz zur Prüfung von Anträgen auf Naturalrestitution von öffentlichen Vermögen einsetzen wollen, auch wenn aufgrund der bisherigen Erfahrung der Schiedsinstanz nicht davon auszugehen ist, dass die Anzahl der zu erwartenden weiteren Anträge hoch ist. Mit der Fristverlängerung bis 31. Dezember 2006 soll jedenfalls auch klar demonstriert werden, dass seitens Österreichs alle notwendigen Voraussetzungen zur Umsetzung der im Entschädigungsfondsgesetz und im „Washingtoner Agreement“ verankerten umfassenden Lösungen geschaffen werden. Im Hinblick auf die möglichst rasche Erfüllung aller im Entschädigungsfondsgesetz vorgesehenen Maßnahmen ist zu unterstreichen, dass diese Fristverlängerung bis 31. Dezember 2006 die letzte Fristverlängerung ist.

6. zur Streichung des § 37 Abs 3

Gem § 37 Abs 3 EF-G idgF ist vorgesehen, dass Verfügungen über öffentliches Vermögen erst nach Ablauf der Antragsfrist gemäß § 29 EF-G erfolgen können. Diese Bindung des zuständigen Ministers hinsichtlich der Rückstellung erscheint im Zusammenhang mit der bei der Erlassung des Gesetzes nicht absehbaren Fristverlängerung nunmehr kontraproduktiv, da das weitere Hemmnis einer Rückstellung, nämlich die Rechtssicherheit, wahrscheinlich in Bälde wegfällt. Bis zum heutigen Zeitpunkt hat die Schiedsinstanz bereits eine Rückstellungsempfehlung (Weihburggasse 30) ausgesprochen. Eine weitere Verzögerung der Rückstellung an die Antragsteller wäre sowohl für die Antragsteller als auch den jetzigen Eigentümer, das Arbeitsmarktservice, bedauerlich.

 Die Schiedsinstanz regt daher an, mit der Fristverlängerung auch gleichzeitig den § 37 Abs 3 EF-G zu streichen.

In formeller Hinsicht wird vorgeschlagen, diesen Antrag unter Verzicht auf eine erste Lesung dem Verfassungsausschuss zuzuweisen.