96/A XXII. GP

Eingebracht am 26.03.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Initiativantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Wittmann
und Genossen

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Bestimmungen des Bundes-
Verfassungsgesetzes über das Wahlrecht und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz
über die Wahl des Nationalrates (Nationalrats-Wahlordnung 1992), das
Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksbegehrengesetz 1973, das
Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das
Wählerevidenzgesetz 1973 geändert werden (Demokratiereform-BVG)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes
über das Wahlrecht und Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung, das
Bundespräsidentenwahlgesetz, das Volksbegehrengesetz, das Volksbefragungsgesetz,
das Volksabstimmungsgesetz und das Wählerevidenzgesetz geändert werden

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Das Bundes-Verfassungsgesetz, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGB1.1
Nr. 99/2002, wird wie folgt geändert:

1.      Nach Art. 6 wird folgender Art. 6a eingefügt:

„Artikel 6a. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sind bei den
Wahlen zu den satzungsgebenden Organen (Vertretungskörpern) der gesetzlichen
beruflichen Vertretungen wahlberechtigt und wählbar, wenn sie ein bundesgesetzlich zu
bestimmendes Alter erreicht haben und sich seit 5 Jahren in Österreich gesetzmäßig
aufhalten. Das Nähere bestimmen die Gesetze.


(2) Ein Ausschluss vom Wahlrecht und von der Wählbarkeit kann nur die Folge einer
gerichtlichen Verurteilung sein.

(3) Als gesetzliche berufliche Vertretung im Sinne dieses Gesetzes gilt auch die
gesetzliche Vertretung von Hochschülern."

2.      Art. 26 Abs. 1 lautet:

„Artikel 26. (1) Der Nationalrat wird vom Bundesvolk auf Grund des gleichen,
unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechtes der Männer und Frauen, die
spätestens mit Ablauf des Tages der Wahl das 16. Lebensjahr vollendet haben, nach den
Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Durch Bundesgesetz werden die näheren
Bestimmungen über das Wahlverfahren getroffen."

3.      Art. 26 Abs. 4 lautet:

„(4) Wählbar sind alle Männer und Frauen, die am Stichtag die österreichische
Staatsbürgerschaft besitzen und spätestens mit Ablauf des Tages der Wahl das 19.
Lebensjahr vollendet haben."

4.      Art. 60 Abs. 3 lautet:

„(3) Zum Bundespräsidenten kann nur gewählt werden, wer das Wahlrecht zum
Nationalrat besitzt und spätestens am Tag der Wahl das 35. Lebensjahr vollendet hat.
Ausgeschlossen von der Wählbarkeit sind Mitglieder regierender Häuser oder solcher
Familien, die ehemals regiert haben."

5.      Art. 151 wird folgender Absatz 28 angefügt:

„(28) Die Art. 6a, 26 und 60 in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGB1. I
Nr...../2003 treten mit........ in Kraft."

Artikel II

Das Bundesgesetz über die Wahl zum Nationalrat, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz
BGB1.1 Nr. 98/2001, wird wie folgt geändert:


1.     § 21 lautet:

„(1) Wahlberechtigt sind alle Männer und Frauen, die die österreichische
Staatsbürgerschaft besitzen, das 16. Lebensjahr vollendet haben und vom Wahlrecht
nicht ausgeschlossen sind.

(2) Ob die Voraussetzungen nach Abs. l zutreffen, ist abgesehen vom Wahlalter, nach
dem Stichtag (§ l Abs. 2) zu beurteilen. Das Wahlalter muss spätestens am Tag der
Wahl erreicht werden."

2.     § 23 Abs. 3 wird folgender Satz angefügt:

„Zusätzlich sind in die Wählerverzeichnisse jene Personen aufzunehmen, die am
Stichtag die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, vom Wahlrecht nicht
ausgeschlossen sind und am Wahltag das Wahlalter (§ 21 Abs. 1) erreicht haben
werden."

3.     § 41 lautet:

„§ 41. Wählbar sind alle Männer und Frauen, die am Stichtag die österreichische
Staatsbürgerschaft besitzen, spätestens mit Ablauf des Wahltages das 19. Lebensjahr
vollendet haben und vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind."

4.     §129 wird folgender Absatz 1c eingefügt:

„(lc) Die §§ 21, 23 und 41 idF BGB1. I Nr. ..../2003 treten mit........... in Kraft."

Artikel III

Das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGB1. Nr. 57/1971 (WV), zuletzt geändert durch
das Bundesgesetz BGB1. I Nr. 98/2001, wird wie folgt geändert:

1.      §4 lautet:

„§ 4. Wahlberechtigt sind alle Männer und Frauen, die das Wahlrecht zum Nationalrat
besitzen. Die §§ 21 und 22 NRWO gelten sinngemäß."


2.      § 6 Abs. 1 lautet:

„§ 6. (1) Zum Bundespräsidenten kann nur gewählt werden, wer das Wahlrecht zum
Nationalrat besitzt und spätestens am Tag der Wahl das 35. Lebensjahr vollendet hat."

3.      § 28 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) Die §§ 4 und 6 idF BGB1. I Nr. ...../2003 treten mit........... in Kraft."

Artikel IV

Das Volksbegehrengesetz 1973, BGB1. Nr. 344/1973 (WV), zuletzt geändert durch das
Bundesgesetz BGB1. I Nr. 98/2001, wird wie folgt geändert:

1.      §6 lautet:

„§ 6. Stimmberechtigt ist, wer am Stichtag (§ 5 Abs. 2) das Wahlrecht zum Nationalrat
besitzt, spätestens mit Ablauf des letzten Tages des Eintragungszeitraumes (§ 5 Abs. 3)
das 16. Lebensjahr vollendet und in einer Gemeinde des Bundesgebietes den
Hauptwohnsitz hat."

2.      § 24 wird folgender Absatz 4 angefügt:

„(4) § 6 idF BGB1. I Nr. ..../2003 tritt mit.......... in Kraft."

Artikel V

Das Bundesgesetz vom 29. Juni 1989, mit dem das Verfahren über die Durchführung von
Volksbefragungen geregelt wird (Volksbefragungsgesetz 1989), BGB1. Nr. 356/1989, zuletzt
geändert durch das Bundesgesetz BGB1. I Nr. 98/2001, wird wie folgt geändert:

1.      §5 lautet:

§ 5. Stimmberechtigt ist, wer am Stichtag das Wahlrecht zum Nationalrat besitzt,
spätestens am Tag der Befragung das 16. Lebensjahr vollendet und in einer Gemeinde
des Bundesgebietes den Hauptwohnsitz hat."


 

2.      § 21 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) § 5 idF BGB1. I Nr. ...../2003 tritt mit.......... in Kraft."

Artikel VI

Das Volksabstimmungsgesetz 1972, BGB1. Nr. 79/1973 (WV), zuletzt geändert durch das
Bundesgesetz BGB1. I Nr. 98/2001, wird wie folgt geändert:

1.      §5 Abs.1 lautet:

§ 5. (1) Stimmberechtigt sind alle Männer und Frauen, die am Stichtag das Wahlrecht
zum Nationalrat besitzen und spätestens am Tag der Abstimmung das 16. Lebensjahr
vollendet haben."

2.      Die lit. b) des § 6 Abs. 3 erhält die Bezeichnung „ c) ".

3.      Die neue lit. b) des § 6 Abs. 3 lautet:

,,b) die am Stichtag die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, vom Wahlrecht
nicht ausgeschlossen sind und spätestens am Tag der Abstimmung das 16.Lebensjahr
erreicht haben werden."

4.      § 21 erhält die Bezeichnung „ § 21. (1)" und es wird folgender Absatz 2 angefügt:
„(2) Die §§ 5 und 6 idF BGB1. I Nr. ....../2003 treten mit....... in Kraft."

Artikel VII

Das Wählerevidenzgesetz, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGB1. I Nr. 98/2001,
wird wie folgt geändert:

1.      §2 Abs. l lautet:

„§ 2. (1) In die Wählerevidenz sind alle Männer und Frauen einzutragen, die die
österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, das 16. Lebensjahr vollendet haben, vom


Wahlrecht zum Nationalrat nicht ausgeschlossen sind und in der Gemeinde ihren
Hauptwohnsitz haben. Bei Ausschreibung einer Wahl sind am Stichtag zusätzlich alle jene
Männer und Frauen einzutragen, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, das 18.
Lebensjahr bis zum Ablauf des Tages der Wahl vollendet haben werden, vom Wahlrecht zum
Nationalrat nicht ausgeschlossen sind und in der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz haben."

2.      In § 2a Abs. l wird vor dem letzten Satz folgender Satz eingefügt:
§ 2 Abs. l  letzter Satz gilt sinngemäß."

3.      § 13a wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) § 2 und § 2a idF BGB1. I Nr. ......./2003 treten mit.................. in Kraft."


Begründung

1.      Die verschiedenen Berufsgruppen in Österreich mit gesetzlicher Vertretung bilden
jeweils in sich mehr oder weniger homogene Interessengemeinschaften. Die diese
Gemeinschaft bildenden Gegebenheiten - die Ausübung eines bestimmten Berufes,
Handwerkes, etc. - sind bei allen unter eine Berufsgruppe fallenden Personen gleichermaßen
vorhanden. Keinen Einfluss auf die Interessen des einzelnen Freiberuflers,
Gewerbetreibenden, etc., aber auch nicht auf die seiner Berufsgruppe hat die Frage, ob er die
österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder nicht. Daher scheint es geboten, diesem
Umstand Rechnung zu tragen und in Österreich tätigen Ausländern nach einer gewissen Zeit
das aktive und passive Mitgestaltungsrecht in ihrer gesetzlichen Interessenvertretung zu
geben.

2.      Die Senkung des aktiven Wahlalters auf das vollendete 16. Lebensjahr soll den
geänderten sozialen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die immer stärkere Einbindung
der Jugendlichen in die Verantwortung für sich selbst und die Entscheidungsmöglichkeiten
für sich selbst im Zusammenhang mit der immer höher werdenden Bedeutung und
zunehmenden Differenzierung der Ausbildung und ihrer Möglichkeiten, Rechnung tragen.

Die jüngeren Bürgerinnen sind heutzutage in vielfältiger Weise mit der Notwendigkeit,
für sich Entscheidungen, die ihre Zukunft maßgeblich beinflussen, zu treffen, konfrontiert.
Dies ist ein Ergebnis der grundsätzlich positiv zu bewertenden zunehmenden Liberalisierung
der Erziehung. Die Verantwortung für eigene Entscheidungen und Handlungen junger
Bürgerinnen hat unzweifelhaft zugenommen. Im gleichen Ausmaß ist auch eine erhöhte
Mündigkeit eingetreten. Die jüngeren Bürgerinnen sollen daher verstärkt (also durch eine
Senkung des Wahlalters) in den demokratischen Prozeß einbezogen werden und durch die
Ausübung des Wahlrechtes Einfluß auf die politischen Vorgänge nehmen können.

Der gegenständliche Antrag soll weiters dazu fuhren, dass alle Österreicherinnen und
Österreicher, die das 16. Lebensjahr vollendet - also das Wahlalter erreicht haben, auch
tatsächlich das aktive Wahlrecht bzw. Mitwirkungsrecht bei NR-Wahlen und
Bundespräsidentenwahlen sowie Volksbegehren, -abstimmungen und -befragungen ausüben
können, und alle, die das 19. bzw. das 35. Lebensjahr vollendet haben auch tatsächlich passiv
wahlberechtigt bei NR- bzw. Bundespräsidentenwahlen sind.


Bis zur Wahlrechtsreform 1992 wurde hinsichtlich des Wahlalters auf den Stichtag der
Wahl abgestellt. Bei gleichzeitiger Senkung des Wahlalters wurde zum Zwecke einer
Verwaltungsvereinfachung bei der Erstellung der Wählerverzeichnisse bei besagter
Wahlrechtsreform auf den ersten Tag des Wahljahres umgestellt.

Diese - hinsichtlich der Vereinfachung an sich vernünftige - Regelung bewirkte aber
auch eine große Trefferungenauigkeit (und damit eine massive Ungerechtigkeit) bei der
erstmaligen Erlangung des Wahlrechtes, da zwischen dem ersten Tag des Wahljahres und der
tatsächlichen Durchführung einer Wahl unter Umständen eine wesentliche zeitliche Distanz
liegt. Dadurch bleiben sehr viele junge Menschen, die zum Zeitpunkt der Wahl das Wahlalter
an sich erreicht hätten, vom Wahlrecht ausgeschlossen. So waren z.B. bei der NR-Wahl 2002
zehntausende Österreicherinnen und Österreicher, die zwischen l. Jänner 2002 und 24.
November 2002 das 18. Lebensjahr vollendet hatten, nicht aktiv wahlberechtigt, obwohl sie
das Wahlalter erreicht hatten.

Das Anknüpfen an den historischen Zufall des Zeitpunktes der Geburt ist problematisch
genug und sollte daher in möglichst direktem Zusammenhang mit der Durchführung einer
Wahl geschehen. Im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung wird auch die Erstellung
von Wählerverzeichnissen längst computerunterstützt durchgeführt, was ohnehin eine
wesentliche Vereinfachung dieser Aufgabe bedeutet. Das Abstellen auf den ersten Tag des
Wahljahres ist also obsolet. Die Grundsätze des allgemeinen Wahlrechtes werden zweifellos
mit der vorgeschlagenen Neufassung besser verwirklicht.

Hinsichtlich der Änderungen im Wählerevidenzgesetz wird daraufhingewiesen, dass
die Ergänzung der Wählerevidenz für ÖstereicherInnen mit Hauptwohnsitz im Inland
amtswegig zu erfolgen hat, wobei die Melderegisterdaten heranzuziehen sind.
Östereicherlnnen mit Hauptwohnsitz im Ausland sind berechtigt, einen Antrag auf Aufnahme
in die Wählerevidenz zu stellen, wenn sie das Wahlalter erreicht haben. Eine solche
Antragstellung soll nach der vorgeschlagenen Gesetzesänderung - übereinstimmend mit der
Regelung für Östereicherlnnen im Inland - in Hinkunft auch für jene Östereicherlnnen mit
Hauptwohnsitz im Ausland möglich sein, die das Wahlalter spätestens mit Ablauf des Tages
der Wahl erreicht haben werden.