1364/AB XXII. GP

Eingelangt am 26.03.2004
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BM für Justiz

 

Anfragebeantwortung

DER  BUNDESMINISTER

           FÜR  JUSTIZ

 

         7097/1-Pr 1/2004

 

An den

Herrn Präsidenten des Nationalrates

W i e n

 

zur Zahl 1415/J-NR/2004

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Anzeigen und Strafverfahren nach § 168a Strafgesetzbuch“ gerichtet.

Ich schicke voraus, dass die der Beantwortung der einzelnen Anfragepunkte zu Grunde liegenden Berichte der staatsanwaltschaftlichen Behörden auf vom Bundesrechenzentrum zur Verfügung gestellten ADV-Registerauswertungen beruhen. Eine Auswertungsmöglichkeit nach (strafbestimmenden) Paragraphen ist technisch erst für den Zeitraum ab 1. Jänner 2002 möglich. Bezogen auf die Zeit vom 1. März 1997 bis 31. Dezember 2001 ersuche ich daher um Verständnis, dass die Ausführungen zu den Anfragepunkten 1. bis 3. keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben können.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Bei den Staatsanwaltschaften wurden folgende, namentlich bezeichnete Pyramidenspiele zur Anzeige gebracht:

"Dein Geburtsrecht", "Condorclub", "Private Gold-Mine", "P.I.L.L. Prosper International League Limited", "Die Perle im Internet", "GTM", "Network 21", "Personal Power Seminar", "Top Selection Plus", "Women Empowering Women", "Team Trainer Success System", "View4Cash", "Parfum Verkauf", "Make Money by Easy Internet Work", "Internetlottogemeinschaft", "You have been approved. Cash Grant Amount", "Die Gesundheit im Internet", "Das Erfolgsprogramm!", "Krebskranker Junge möchte in das Guinessbuch der Rekorde - Ernold Drain", "Paradise Residence", "Darwin Vorteilspaket", "Parents of 15-Year Old Find $ 71.000 Cash Hidden in his Closet", "World Business Club Card", "Titan", "Progamm Auto-Network-Marketing", "Invicta-Veranlagungsmodell", "Transnet-System", "Pentagono-System", "Top-Jobs", "WGI-World Games Inc.", "Lottoteam", "Werte-Erhaltungs-Genossenschaft", "Teletronic", "Myservice Experts Avenue", „www.darlehen24.org“, „www.profiverdienst.org“ und "Kettenspiel".

Darüber hinaus wurden aber auch Sachverhalte angezeigt, die kein namentlich bezeichnetes (Spiel-)System erkennen ließen.

Zu 2:

Der Anbieter eines Gewinnerwartungssystems mit der Bezeichnung "Myservice Experts Avenue" wurde des Vergehens nach § 168a Abs. 1 Z 2 und 3 StGB schuldig gesprochen und zu einer gemäß § 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Im Zusammenhang mit dem Spiel „Titan“ wurden zahlreiche Personen wegen § 168a Abs. 1 Z 1 und 2 und Abs. 2 StGB zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen zwischen vier und neun Monaten verurteilt.

Wegen des Spiels „Programm Auto-Network-Marketing“ erfolgte ein rechtskräftiger Freispruch vom Vorwurf gemäß § 168a Abs. 1 Z 2 StGB.

Ein Strafverfahren im Zusammenhang mit einem namentlich nicht bezeichneten Spiel endete mit eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen (im Nichteinbringungsfall 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe).

Zu 3:

Nach den mir vorliegenden Berichten der staatsanwaltschaftlichen Behörden wurden insgesamt 36 Fälle eingestellt. Im Zusammenhang mit nachgenannten Kettenspielen erfolgten Verfahrenseinstellungen gemäß § 90 Abs. 1 StPO:

„Private Gold-Mine“, „World Games Inc.“, „Die Perle im Internet“, „GTM“, „Network 21“, „Personal Power Seminar“, „Top Selection Plus“, „Team Trainer Success System“, „View4Cash“, „Parfumverkauf“, „Make Money By Easy Internet Work“, „Die Gesundheit im Internet“, „Das Erfolgsprogramm“, “www.darlehen24.org“, „www. profiverdienst.org“, „Krebskranker Junge möchte in das Guinness Buch der Rekorde – Ernold Drain“, „Paradise Residence“, „Darwin Vorteilspaket“, „Titan“, „Invicta-Veranlagungsmodell“, „Transnet-System“, „Pentagono-System“, “Lotto Team“, „WEG-Werte-Erhaltungs-Genossenschaft“, „Teletronic“ und „Kettenspiel“.

Weitere Verfahrenseinstellungen erfolgten im Zusammenhang mit namentlich nicht bezeichneten kettenspielverdächtigen Systemen.

Eine Strafsache mit Bezug zu einem Kettenspiel namens „P.I.L.L. Prosper Interna- tional League Ltd.“ wurde gemäß §§ 227 Abs. 1, 447 StPO eingestellt.

Im Zusammenhang mit „Die Perle im Internet“ wurde ein Strafverfahren vom Gericht gem. § 90f in Verbindung mit § 90b StPO für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig eingestellt. Ein das System „Women Empowering Women“ betreffendes Strafverfahren wurde gemäß § 90c in Verbindung mit § 90b StPO gerichtlich eingestellt.

Der Vollständigkeit halber weise ich darauf hin, dass über die obgenannte Gesamtzahl hinaus mehrere Strafverfahren nach § 168a StGB wegen unbekannten Aufenthaltes der angezeigten Personen gemäß § 412 StPO vorläufig abgebrochen wurden.

Zu 4:

Ich gehe davon aus, dass mit „EU-Ausland“ nicht die Staaten außerhalb der Europäischen Union gemeint sind, sondern deren übrige Mitgliedsländer. Gegen Veranstalter von Pyramidenspielen im EU-Ausland, die diese in Österreich verbreiten, besteht im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen nach §§ 64 Abs. 1 Z 8 oder 65 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB österreichische Gerichtsbarkeit, weshalb die Einleitung eines Inlandsstrafverfahrens gegen den ausländischen Veranstalter in Betracht kommt. In einem Fall hat eine österreichische Staatsanwaltschaft die zuständige deutsche Anklagebehörde um Übernahme der Strafverfolgung wegen eines nach österreichischem Recht dem § 168a StGB zu unterstellenden Sachverhaltes ersucht.

Zu 5:

§ 168a StGB ist ein schlichtes Tätigkeitsdelikt, das die abstrakte Vermögens­gefährdung unter Strafe stellt. Strafbar macht sich zunächst, wer ein Ketten- oder Pyramidenspiel in Gang setzt oder veranstaltet (§ 168a Abs. 1 Z 1 StGB). Ein Ketten- oder Pyramidenspiel setzt in Gang, wer den ersten Teilnehmer zur Einsatzleistung veranlasst. Ein solches Spiel veranstaltet ebenso, wer die organisatorischen Maßnahmen trifft, damit es in Gang gesetzt werden kann. Die beschriebenen Tathandlungen können auch durch entsprechende Aktivitäten im Internet vorgenommen werden, eine strafrechtliche Erfassung dieser Handlungen durch § 168a StGB ist daher grundsätzlich gewährleistet.

Nach § 168a Abs. 2 Z 2 StGB macht sich strafbar, wer ein Ketten- oder Pyramidenspiel durch Zusammenkünfte, Prospekte oder auf eine andere zur Anwerbung vieler Teilnehmer geeignete Weise verbreitet. Während das Gesetz zunächst zwei Möglichkeiten der Spielverbreitung (Zusammenkünfte, Prospekte) ausdrücklich erwähnt, ist unter der dritten Tathandlung („auf eine andere zur Anwerbung vieler Teilnehmer geeignete Weise verbreitet“) ein Verbreitungsverhalten zu verstehen, durch welches tätergewollt unmittelbar oder mittelbar – aber nicht unbedingt gleichzeitig – vielen Menschen eine Systembeteiligung angeboten wird. Verbreitungshandlungen dieser Art können auch unter Zuhilfenahme des Internet gesetzt werden, weil das Internet grundsätzlich als „breite Öffentlichkeit“ anzusehen ist.

Gemäß § 168a Abs. 1 Z 3 StGB macht sich strafbar, wer sonst die Verbreitung eines solchen Systems gewerbsmäßig fördert. Darunter ist die Veranlassung oder Unterstützung der Zuführung mindestens eines weiteren Teilnehmers zu verstehen oder das Bestreben, diese Zuführung durch Werbung erreichen zu wollen. Strafbar macht sich jedoch nur, wer in der Absicht handelt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), also gewerbsmäßig handelt. Ein Systemteilnehmer macht sich überdies erst dann strafbar, wenn er über die systembedingte Anwerbung weiterer Spieler hinaus tätig wird. Auch hier ist eine Vorgangsweise unter Zuhilfenahme des Internet und die daraus möglicherweise resultierende Strafbarkeit des Täters nicht ausgeschlossen.

Die gleichen Maßstäbe sind auch auf die Deliktsqualifikation des § 168a Abs. 2 StGB anzuwenden. Soweit die inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist, kann die österreichische Justiz somit uneingeschränkt im Rahmen des § 168a StGB gegen Veranstalter von Ketten- oder Pyramidenspielen im Internet vorgehen.

. März 2004

 

(Dr. Dieter Böhmdorfer)