1373/AB XXII. GP

Eingelangt am 26.03.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Bildung, Wissenschaft und Kultur

 

Anfragebeantwortung

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1373/J-NR/2004 betreffend Eskalation der Gewalt
und der Sprache im Zuge von Studentenprotesten der Linken, die die Abgeordneten Dr. Gertrude
Brinek, Kolleginnen und Kollegen am 28. Januar 2004 an mich richteten, wird wie folgt beantwor-
tet:

Ad 1.:

In einer modernen Universität ist es nicht mehr zeitgemäß, dass die meisten universitären Entschei-
dungen in zahlreichen übergroßen paritätischen Gremien erfolgen. Klare Kompetenzverteilung und
qualitative Mitsprache anstelle bloß formaler Mitbestimmung garantieren sachliche und aufgaben-
orientierte Entscheidungsfindungen. Die Mitsprache ist neu zu definieren, mit Studierenden als
Partner der Universität.

Die Mitsprache der Studierenden insbesondere bei Studienangelegenheiten, bei der Qualitätssiche-
rung der Lehre und der Verwendung der Studienbeiträge ist in den leitenden Grundsätzen für die
Universitäten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben verankert.

         Im Senat, dem Leitungsgremium der Universität, sind die Studierenden mit 25% der Se-
natsmitglieder vertreten.

         Es können zur Beratung oder Entscheidung einzelner Aufgaben des Senats Kollegialorgane
eingerichtet werden. Diese Kollegialorgane haben in ihrer Zusammensetzung der Relation
der einzelnen Gruppen im Senat zu entsprechen. Das bedeutet, dass auch in solchen Kolle-
gialorganen die Studierenden 25 % der Mitglieder stellen.

         In den Kommissionen für Studienangelegenheiten stellen die Studierenden mindestens ein
Viertel der Mitglieder.


         Studierendenvertreter sind in Berufungs- und Habilitationskommissionen vertreten.

         Die Ergebnisse der Lehrveranstaltungsevaluierung durch die Studierenden sind zu veröffent-
lichen und werden in den Leistungsvereinbarungen berücksichtigt.

         Die Studierenden sind berechtigt, über die Verwendung der Studienbeiträge an ihrer Univer-
sität mitzuentscheiden.

Ad 2.:

Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat anlässlich der Beratungen des
UG 2002 eine vergleichende Studie zur studentischen Mitsprache im internationalen Vergleich
erstellen lassen. Die Mitsprache der studentischen Vertreterinnen und Vertreter ist sehr unterschied-
lich geregelt. Eine derartige umfassende Mitwirkung wie sie in Österreich aufgrund des Universi-
tätsgesetzes 2002 vorgesehen ist, ist in keinem der verglichenen Länder vorgesehen.

Ad 3.:

Studierende haben folgende Rechte:

         Den Studierenden steht die volle Lernfreiheit zu.

         Jeder Studierende hat das gesetzlich garantierte Recht auf vier Prüfungsantritte.

         Jeder Studierende hat das gesetzlich garantierte Recht auf drei Prüfungstermine pro Semes-
ter.

         Eine negative Beurteilung der letzten Prüfungswiederholung führt nicht mehr zum dauern-
den Ausschluss vom Studium.

         Der Rechtsschutz bei Prüfungen ist im Universitätsgesetz 2002 weiterhin voll garantiert.

Die Lernfreiheit umfasst gemäß den gesetzlichen Bestimmungen insbesondere folgende Rechte:

1.  sowohl an der Universität, an der sie zum Studium zugelassen wurden, als auch an anderen
Universitäten die Zulassung für andere Studien zu erlangen;

2.                  nach Maßgabe des Lehrangebotes und nach Maßgabe der Curricula zwischen dem Lehrperso-
nal auszuwählen;

3.                  neben einem ordentlichen Studium an der Universität der Zulassung oder anderen Universitäten
das Lehrangebot zu nutzen, für welches die Studierenden die in den Curricula festgelegten
Anmeldungsvoraussetzungen erfüllen;

4.                  die facheinschlägigen Lehr- und Forschungseinrichtungen und die Bibliothek an der Universi-
tät, an der sie zum Studium zugelassen wurden, nach Maßgabe der Benützungsordnungen zu
benützen;


5.                  als ordentliche Studierende eines Diplom- oder Magisterstudiums das Thema ihrer Diplom-
oder Magisterarbeit oder das Thema ihrer künstlerischen Diplom- oder Magisterarbeit nach
Maßgabe der universitären Vorschriften vorzuschlagen oder aus einer Anzahl von Vorschlägen
auszuwählen;

6.                  als ordentliche Studierende eines Doktoratsstudiums das Thema ihrer Dissertation nach Maß-
gabe der universitären Vorschriften vorzuschlagen oder aus einer Anzahl von Vorschlägen aus-
zuwählen;

7.                  wissenschaftliche Arbeiten in einer Fremdsprache abzufassen, wenn die Betreuerin oder der
Betreuer zustimmt;

8.                  als ordentliche Studierende nach Maßgabe der universitären Vorschriften Prüfungen abzulegen;

9.                  nach Erbringung der in den Curricula vorgeschriebenen Leistungen akademische Grade verlie-
hen zu erhalten;

10.           als außerordentliche Studierende an den betreffenden Universitätslehrgängen teilzunehmen und
die darin vorgeschriebenen Prüfungen abzulegen;

11.           als außerordentliche Studierende, die nur zum Besuch von Lehrveranstaltungen zugelassen
sind, Lehrveranstaltungen zu besuchen, für welche sie die in den Curricula festgelegten An-
meldungsvoraussetzungen erfüllen, sowie nach Maßgabe der universitären Vorschriften Prü-
fungen abzulegen;

12.           auf eine abweichende Prüfungsmethode, wenn die oder der Studierende eine länger andauernde
Behinderung nachweist, die ihr oder ihm die Ablegung der Prüfung in der vorgeschriebenen
Methode unmöglich macht, und der Inhalt und die Anforderungen der Prüfung durch eine ab-
weichende Methode nicht beeinträchtigt werden;

13.           auf Anträge hinsichtlich der Person der Prüferinnen oder Prüfer. Diese Anträge sind nach Mög-
lichkeit zu berücksichtigen. Bei der zweiten Wiederholung einer Prüfung ist dem Antrag auf

eine bestimmte Prüferin oder einen bestimmten Prüfer der Universität der Zulassung zum Stu-
dium, in dem die Prüfung abzulegen ist, jedenfalls zu entsprechen;
und

14.   nach Maßgabe des § 78 des Universitätsgesetzes 2002 auf Anerkennung erbrachter, den Uni-
versitätsstudien gleichwertiger Vorleistungen zur Verkürzung der Studienzeit.

Die Regelungen entsprechen jenen, die es bereits im UniStG gab.


Ad 4.:

Wichtige Weiterentwicklungen bei der Universitätsreform sind auf Beiträge der „Universitäts-
Plattform" zurückzuführen, die über eineinhalb Jahre eingerichtet war. Diese Plattform hat insge-
samt sieben Mal getagt, wobei die erste Sitzung am 15. Dezember 2000 stattfand. An diesen Treffen
haben Repräsentanten der Vertretungseinrichtungen der Universitäten (GÖD, Personalvertreter,
Österreichische Hochschülerschaft, Rektorenkonferenz, BUKO, PROKO, Arbeitsgemeinschaft der
Universitätsdirektoren), die Wissenschaftssprecher der vier Parlamentsparteien sowie Mitarbeiter
des Ressorts teilgenommen. Die Einladungen wurden von der Bundesvertretung der Österreichi-
schen Hochschülerschaft nur gelegentlich wahrgenommen.

Im Januar 2002 wurden auch die drei stärksten Fraktionen der ÖH vom Leiter der Hochschulsektion
im Ministerium zu einer ausführlichen Diskussion über das neue Universitätsgesetz und die Anlie-
gen der Studierendenvertreter eingeladen. Zu diesem Termin sind jedoch nur Vertreter der Aktions-
gemeinschaft erschienen.

In der Folge wurden im Universitätsgesetz 2002 die Hauptforderungen der teilnehmenden Studie-
rendenvertreter berücksichtigt und umgesetzt. Diese waren:
Mitbestimmung in Studienfragen,
Evaluierung mit Konsequenzen,
drei Prüfungstermine pro Semester,
vier gesetzlich garantierte Prüfungsantritte,
Rechtssicherheit bei Prüfungen.

Ad 5.:

Bundesergebnis Hochschülerschaftswahlen im Mai 2003:

wahlberechtigt: 184.498 Studierende

gültige Stimmen: 53.792

Wahlbeteiligung: 29,9 %

Dabei entfielen auf Bundesebene auf folgende wahlwerbende Gruppen Mandate:

AG (AktionsGemeinschaft) 14

GRAS (Grüne & alternative StudentInnen) 14

VSSTÖ (Verband Sozialistischer Studentinnen und Studenten Österreichs) 10

FLÖ (Fachschaftslisten Österreichs) 3


KSV (Kommunistischer StudentInnenverband) 2
LSF (Liberales Studentinnen und Studenten Forum) 1
RFS (Ring freiheitlicher Studenten) 1

Die Exekutive wird von VSSTÖ (Vorsitzende) sowie von den Grünen und Alternativen StudentIn-
nen (GRAS) - nämlich erste/r und zweite/r Stellvertreter/in - gestellt.

Ergebnis der Hochschülerschaftswahl an der Universität Wien:

Wahlberechtigt: 62.107

Gültige Stimmen: 18.018

Wahlbeteiligung: 29,66 %

Die Wahl der Universitätsvertretung 2003 brachte in Mandaten folgendes Ergebnis:

GRAS (Grüne alternative StudentInnen) 9

AG (AktionsGemeinschaft) 8

VSSTÖ (Verband sozialistischer Studentinnen und Studenten Österreichs) 6

KSV (Kommunistischer StudentInnenverband) 2

LUST (Liste unabhängiger Studierender) 1

LSF (Liberales Studentinnen und Studenten Forum) 1

Die Exekutive wird von einer Koalition von VSSTÖ und GRAS sowie KSV gestellt.

Ad 6. und 7.:

In § 19 des Hochschülerschaftsgesetzes 1998 (HSG 1998) ist die Studierendenversammlung gere-
gelt, wo normiert ist, dass die Fakultätsvertretungen und Studienrichtungsvertretungen zur Informa-
tion und zur Behandlung von studienbezogenen Angelegenheiten der Studierenden eine Studieren-
denversammlung einberufen können. Die Einberufung einer Studierendenversammlung hat die oder
der Vorsitzende des jeweiligen Organs vorzunehmen. Die Studierendenversammlung ist jedenfalls
einzuberufen, wenn dies mindestens 5 % der für das jeweilige Organ Wahlberechtigten schriftlich

verlangen. Eine Studierendenversammlung gemäß § 19 HSG 1998 dient ihrer Definition nach zur
Information und zur Behandlung von studienbezogenen Angelegenheiten.

Ad 8.und 9.:

Nach Angaben der Universität Wien beträgt der Schaden ca. € 12.000. Die Frage der Schadenstra-
gung ist noch nicht geklärt. Das Rektorat der Universität Wien wird versuchen, den Schaden von
der Österreichischen Hochschülerschaft ersetzt zu bekommen.


Ad 10.:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Rektor Winckler das Gespräch mit den Studierendenvertre-
tern immer gesucht hat. Diese Gesprächsbereitschaft hat er auch nach der Besetzung des Rektorats
sowie des Senatssaals und der „Tortenattacke" erneuert. Die ÖH hat diese Gesprächsbereitschaft
bisher nicht erwidert.

Es ist wichtig, dass gerade an den Universitäten die Argumente zählen und wieder zu einem kon-
struktiven und der Universität würdigen Diskurs gefunden wird. Bedauerlich ist, dass eine ganz
kleine Gruppe von Student/innen in der Öffentlichkeit ein Bild der Studierenden entstehen lässt, das
der alltäglichen Realität der engagiert studierenden und an demokratiepolitischer Fairness interes-
sierten großen Mehrheit der Studierenden in Österreich diametral widerspricht.