1444/AB XXII. GP
Eingelangt am 08.04.2004
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möglich.
Bundeskanzler
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum
Nationalrat DDr. Niederwieser und GenossInnen haben am
10. Februar 2004 unter der Nr. 1458/J an mich eine schriftliche
parlamentarische
Anfrage betreffend Österreichs Absenz als Sitz Europäischer Ämter, Behörden und
Agenturen gerichtet.
Diese Anfrage
beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Gemäß dem Beschluß der Vertreter der
Regierungen der Mitgliedstaaten beim Euro-
päischen Rat von Edinburgh im Dezember 1992 ist bei der Festlegung der
Standorte
noch zu schaffender
Einrichtungen und Dienststellen der Europäischen Union jenen
Mitgliedstaaten, in denen noch keine solchen
Institutionen angesiedelt sind, ange-
messene Priorität einzuräumen. Österreich wurde als erstem der am 1.
Jänner 1995
der Europäischen Union beigetretenen Staaten
im Juni 1997 mit der Europäischen
Stelle zur Beobachtung von Rassismus
und Fremdenfeindlichkeit der Sitz einer
Agentur zuerkannt. Finnland und
Schweden erhalten erst durch den Beschluß vom
13. Dezember 2003 ihre ersten
Agentursitze.
Nichtsdestoweniger
ging Österreich bei der Vergabe von Agentursitzen im Dezember
2003
nicht leer aus. In Österreich wird zwar keine völlig neue Agentur angesiedelt,
jedoch eine
bestehende Agentur substantiell ausgebaut.
Ich verweise diesbezüglich auf die
Schlußfolgerungen des Vorsitzes zum Europä-
ischen Rat vom 12./13. Dezember 2003, SN
400/1/03 REV 1, die dem Parlament
unter GZ 405.004/074-IV/5/03 am 16. Dezember 2003 übermittelt wurden, in
denen
auf Seite 28, dritter Absatz unter der
Überschrift „Schlußfolgerungen der auf Ebene
der Staats- und Regierungschefs
vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten (13.
Dezember 2003 in Brüssel)"
folgendes festgehalten ist:
„Im gleichen
Zusammenhang haben die im Europäischen Rat vereinigten Vertreter
der Mitgliedstaaten betont, daß es wichtig ist, Daten zur Achtung der
Menschenrech-
te zu sammeln
und auszuwerten, damit die Menschenrechtspolitik der Union auf die-
ser Grundlage konzipiert werden kann; deshalb
haben sie sich darauf verständigt,
die vorhandene Europäische
Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremden-
feindlichkeit auszubauen und ihr Mandat so auszuweiten, daß sie zu einem Amt
für Menschenrechte wird. Die Kommission hat sich ferner
damit einverstanden er-
klärt und ihre Absicht bekundet, einen
Vorschlag zu unterbreiten, mit dem die Verord-
nung 1035/97 des Rates vom 2. Juli 1997 entsprechend geändert
wird."
Da die Europäische
Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
ihren Sitz in Wien
hat, geht aus dieser Formulierung schlüssig hervor, daß auch das
Amt für Menschenrechte in Wien angesiedelt werden wird. Die bestehende Agentur
wird somit hinsichtlich ihrer sachlichen
Zuständigkeit nicht mehr nur auf Rassismus
und Fremdenfeindlichkeit beschränkt, sondern für den gesamten Bereich der Men-
schenrechtspolitik zuständig sein.
Zu den Fragen 2 bis 6:
Unbeschadet der durch
das Bundesministeriengesetz festgelegten Zuständigkeiten
für
die Politikbereiche, denen bestimmte EU-Behörden zuzurechnen sind, habe ich in
Abstimmung mit der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten meine Aufga-
be
für grundsätzliche Angelegenheiten der Mitgliedschaft Österreichs bei der EU
wahrgenommen,
um ein einheitliches Vorgehen der Bundesregierung hinsichtlich der
österreichischen Bewerbungen für den Sitz solcher Behörden sicherzustellen. Für
die
auf diese Art
vereinbarten österreichischen Kandidaturen - die ich nachstehend dar-
lege - habe ich mich auf europäischer Ebene
regelmäßig in jeweils geeigneter Weise
eingesetzt.
Im Dezember 1998 hob
der Europäische Rat bei seiner Tagung in Wien aus Anlaß
des 50. Jahrestages der Annahme der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
deren grundlegende
Bedeutung für das Handeln der Union hervor und unterstrich in
diesem Zusammenhang auch die Rolle der
Beobachtungsstelle für Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit in Wien. Die Bundesministerin für auswärtige
Angelegenheiten
hat sich immer für die Einrichtung einer
Menschenrechtsagentur ausgesprochen und
in diesem Zusammenhang stets darauf
hingewiesen, daß die bereits in Wien
ansässige Beobachtungsstelle aus
Gründen der Wirtschaftlichkeit und
Zweckmäßigkeit zu einem Amt für Menschenrechte ausgebaut werden sollte.
Dabei
konnte sich Österreich in der Folge auf
Punkt 46 der Schlußfolgerungen des
Europäischen Rates von Köln (3./4. Juni 1999) stützen, in dem angeregt
wurde, „die
Frage der Zweckmäßigkeit der Errichtung einer
Agentur der Union für
Menschenrechte und Demokratie zu
prüfen.“ Dieses - schlußendlich erfolgreiche -
Bestreben der Bundesministerin für
auswärtige Angelegenheiten habe ich
unterstützt.
In Absprache mit der Bundesministerin für
auswärtige Angelegenheiten und mir hat
sich der Bundesminister für Inneres im Jahr
2001 für die Ansiedlung des provisori-
schen Sekretariats der Europäischen Polizeiakademie eingesetzt und dabei Wien
auch als Standort für den permanenten Sitz dieser Behörde angeboten. Außerdem
hat der Bundesminister für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
bereits beim Umweltrat im März 2001 das österreichische
Interesse am Sitz der da-
mals erst geplanten Chemikalienagentur zum
Ausdruck gebracht.
Nachdem es beim
Europäischen Rat von Laeken im Dezember 2001 nicht zu der an-
gestrebten
Einigung über ein Paket von Agentursitzen gekommen war, wurde der
provisorische Sitz des Sekretariats der Europäischen Polizeiakademie am 1. März
2002 in Kopenhagen
eingerichtet. Für die Einrichtung der Chemikalienagentur legte
die Europäische Kommission erst am 23.
Oktober 2003 einen Rechtsaktvorschlag
vor, der bis dato noch nicht
angenommen wurde.
Österreich hat sich im Jahr 2003 auf
Grundlage eines Beschlusses des Ministerrates
vom 23. Mai 2003
offiziell um den Sitz der Chemikalienagentur beworben. Diese Be-
werbung wurde auch von der Stadt Wien aktiv
unterstützt. Im Rahmen des Rates
(Umwelt) am 13. Juni 2003 hat Österreich seine Kandidatur offiziell präsentiert
und
präzisiert.
Schließlich hat Österreich auf
Grundlage eines Beschlusses des Ministerrates vom
25. Oktober 2002 sein
Interesse für den Sitz des Europäischen Zentrums für Krank-
heitsüberwachung (nunmehr „Europäisches
Zentrum für Seuchenprävention und
-bekämpfung") - für dessen Einrichtung die Kommission am 8. August 2003
einen
Vorschlag präsentiert hat - aktiv kundgetan.
Zu Frage 7:
Die Beurteilung der Frage, inwiefern
die Gendarmerieschule in Gnadenwald/Tirol
einen idealen
Standort für die Europäische Polizeiakademie dargestellt hätte, stellt
keine Angelegenheit der Vollziehung des
Bundeskanzlers dar sondern fällt in die
Zuständigkeit des Bundesministers
für Inneres.
Der Bundesminister
für Inneres hat als Sitz des Sekretariats der Polizeiakademie das
Ausbildungszentrum in der Marokkanergasse in Wien angeboten.
Für den Sitz des Sekretariats der Europäischen
Polizeiakademie hatten sich neben
Wien auch Madrid, Lyon, Rom, Bramshill (in
der Nähe von London), Münster und
Den Haag beworben.
Zu Frage 8:
Österreich hat sich nicht für den Sitz der Europäischen
Behörde für Lebensmittelsi-
cherheit beworben, sondern die finnische Kandidatur für Helsinki unterstützt.
Neben
Finnland bewarben sich noch Spanien
(Barcelona), Italien (Parma) und Frankreich
(Lille) um den Sitz der Behörde.
Grund für diese Unterstützung war vor
allem die Tatsache, daß Österreich - wie be-
reits erwähnt - zum Zeitpunkt der Einrichtung
dieser Europäischen Behörde durch
die Verordnung EG/178/2002 vom 1.
Februar 2002 bereits über eine Agentur verfüg-
te (die unter Frage 1. genannte Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus
und Fremdenfeindlichkeit - EUMC - eingerichtet durch die Verordnung EG/1035/97
vom 2. Juni 1997, die 1998 in Wien ihre Tätigkeit aufnahm). Österreich war
somit an
die Beschlüsse des Europäischen Rates von
Edinburgh (vom Dezember 1992) ge-
bunden, wonach bei der Festlegung der Standorte noch zu schaffender Einrichtun-
gen und Dienststellen der Europäischen Union jenen Mitgliedstaaten, in
denen noch
keine solchen Institutionen angesiedelt sind,
angemessene Priorität einzuräumen
war.
Der Umstand, daß einzelne
Mitgliedstaaten noch nicht Sitz von Einrichtungen der EU
waren bzw. sind,
führte daher dazu, daß beim Europäischen Rat von Brüssel im De-
zember 2003 der Sitz des Europäischen Amtes
für chemische Stoffe Finnland und
der des Europäischen Zentrums für
Seuchenprävention und -bekämpfung Schweden
zugesprochen wurden.
Zu Frage 9:
Der Forschungsstandard ist in
Österreich generell auf einem Niveau, der unser Land
attraktiv
für Sitze von EU-Behörden mit wissenschaftlich-technischer Ausrichtung
macht. Österreich
wird daher auch in Zukunft, wenn die Einrichtung derartiger Insti-
tutionen zur Diskussion stehen sollte, eine
Bewerbung als Sitzland sorgfältig prüfen.
Zu Frage 10:
Am 27. November 2003
konnten die Innenminister im Rat politische Einigung über
die
Errichtung einer Europäischen Grenzschutzagentur erreichen. Im heurigen Jahr
ist die Annahme einer
Ratsverordnung zur Errichtung dieser Agentur zur Koordinie-
rung der operationellen Kooperation an den
Außengrenzen geplant. Die Frage, in
welchem Mitgliedstaat diese Agentur ihren Sitz haben wird, ist derzeit noch
offen.
Bereits Interesse bekundet haben
Polen, Ungarn, Slowenien, Estland und Malta.
Derzeit wird im Rahmen der Europäischen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu-
dem die Einrichtung einer „Agentur für die Bereiche Entwicklung der
Verteidigungs-
fähigkeiten, Forschung, Beschaffung und
Rüstung der EU" vorbereitet. Der Rat be-
schloß im Rahmen seiner Tagung am
17./18. November 2003, diese Agentur im Lau-
fe des Jahres 2004 einzurichten und
bestellte ein sog. „Agency Establishment
Team"
zur Behandlung der diesbezüglich noch zu klärenden
Strukturfragen. Die Frage des
Sitzes dieser Agentur ist zum derzeitigen
Zeitpunkt noch völlig offen. Es sind ho.
auch keinerlei informelle
Interessensbekundungen einzelner Mitgliedstaaten bekannt.
Im Sinne des bereits genannten Beschlusses
der Vertreter der Regierungen der Mit-
gliedstaaten beim Europäischen Rat von Edinburgh im Dezember 1992, daß bei der
Festlegung der Standorte noch zu schaffender
Einrichtungen und Dienststellen der
Europäischen Union jenen
Mitgliedstaaten, in denen noch keine solchen Institutionen
angesiedelt sind, angemessene Priorität einzuräumen ist, kann davon
ausgegangen
werden, daß bei der Zuerkennung allfälliger
weiterer Agentursitze die am 1. Mai 2004
beitretenden Staaten besonders berücksichtigt werden.