1617/AB XXII. GP

Eingelangt am 26.05.2004
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BM für Justiz

 

Anfragebeantwortung

DER  BUNDESMINISTER

           FÜR  JUSTIZ

 

         7109/1-Pr 1/2004

 

An den

Herrn Präsidenten des Nationalrates

W i e n

 

zur Zahl 1643/J-NR/2004

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „revolutionären Mietrechtsentwurf von Dr. Garai“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 6:

Das Mietrecht regelt die – neben dem Wohnen in Eigenheimen und Eigentumswohnungen – bedeutendste Wohnform und dient damit der Sicherstellung eines Grundbedürfnisses einer Vielzahl von Menschen. Freilich steht es dabei im Spannungsfeld grundsätzlich divergierender Interessenlagen der am mietrechtlichen Geschehen beteiligten gesellschaftlichen Gruppen und hat vor allem die Funktion, einen ausgewogenen Ausgleich zwischen diesen antagonistischen Interessen herbeizuführen und dabei auf die auch heute noch gegebenen Schutzbedürfnisse auf Seiten der Mieter Bedacht zu nehmen. Die legistische Verbesserung dieses oft als unverständlich und überkompliziert kritisierten Rechtsgebiets und dabei auch die der heutigen Bedarfslage entsprechende – behutsame – Weiterentwicklung mietrechtlicher Rechtsinstitute ist mir als Justizminister daher ein besonderes Anliegen. Das Bundesministerium für Justiz steht in einem ständigen Kontakt und Diskurs mit Experten des österreichischen Wohnrechts aus Wissenschaft und Praxis, um deren Erfahrungen und Ideen kennenzulernen, zu prüfen und allenfalls in Gesetzesnovellen einfließen zu lassen. Fachlich fundierte Anregungen aus der Praxis, die auf eine Verbesserung des österreichischen Mietrechts durch Änderungen des Gesetzes abzielen, sind für das Bundesministerium für Justiz daher grundsätzlich von Interesse, was freilich nicht bedeutet, dass diese allesamt und jedenfalls in entsprechende Gesetzesentwürfe des Bundesministeriums für Justiz übernommen würden. Das Bundesministerium für Justiz greift vielmehr nur jene Reformvorschläge auf, die es nach sorgfältiger Prüfung für sinnvoll, zweckmäßig und politisch realisierbar erachtet.

Dr. Peter Garai ist Vorsitzender eines unter anderem mit Bestandsachen befassten Rechtsmittelsenats am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien und ein anerkannter Experte des österreichischen Mietrechts. Im Sinne des oben dargelegten grundsätzlichen Interesses des Bundesministeriums für Justiz an Anregungen aus der Praxis habe ich Dr. Garai im vergangenen Jahr gefragt, ob er interessiert und bereit sei, seine Überlegungen für eine mögliche Neugestaltung des Mietrechts in Gestalt eines Gesetzesentwurfs niederzuschreiben und dem Bundesministerium für Justiz als Beitrag zu dessen legislativer Arbeit zur Verfügung zu stellen. Bei dieser Gelegenheit habe ich Dr. Garai auch die organisatorische Unterstützung des Bundesministeriums für Justiz bei der Erstellung seines Entwurfs zugesagt. In der Folge erarbeitete Dr. Garai völlig selbstständig den Entwurf für ein neues „Mietgesetz“, in den er eine Vielzahl neuer Regelungsideen einbaute. Nach Fertigstellung einer vorläufigen Fassung dieses Entwurfs sollte diese auf Wunsch von Dr. Garai einer etwas verbreiterten Meinungsbildung im Rahmen eines Expertenkreises zugeführt werden. Dazu nahm er die organisatorische Unterstützung des Bundesministeriums für Justiz in Anspruch, die darin bestand, dass dieser Vorentwurf für ein neues „Mietgesetz“ an jene Expertinnen und Experten des österreichischen Wohnrechts mit dem Ersuchen um Stellungnahme versendet wurde, die üblicherweise in der beim Bundesministerium für Justiz eingerichteten Arbeitsgruppe „Wohnrecht“ zusammenkommen (siehe Näheres zur Zusammensetzung der Arbeitsgruppe „Wohnrecht“ unten bei der Beantwortung der Fragen 32 bis 36). Ziel dieser Versendung war es einerseits, Dr. Garai Anregungen anderer Experten für die Überarbeitung und Fertigstellung seines Entwurfs zu verschaffen, andererseits aber auch, einen Diskussionsprozess über den Entwurf in Gang zu bringen und dem Bundesministerium für Justiz auch ein erstes Meinungsbild zu diesem Entwurf zu vermitteln. Diese Ziele wurden, wie die lebhafte Diskussion über den Entwurf von Dr. Garai zeigt, auch durchaus erreicht.

Inhaltliche Vorgaben für die Gestaltung seines Entwurfs habe ich Dr. Garai selbstverständlich nicht gemacht; er hat auch für diese Entwurfsarbeit keinerlei Honorar des Bundesministeriums für Justiz erhalten. Die Versendung des Entwurfs von Dr. Garai haben Beamte des Bundesministeriums für Justiz mit meinem Wissen und Einverständnis vorgenommen; ich selbst habe mich damals mit dem Entwurf noch nicht im Einzelnen inhaltlich auseinandergesetzt, zumal er ja aus Sicht seines Verfassers Dr. Garai auch noch nicht gänzlich fertiggestellt war.

Zu 7 bis 26:

Das bereits vor Jahren eingeleitete Reformprojekt zur Erneuerung des Wohnrechts ist nun nach der Neukodifikation des Wohnungseigentumsrechts und der Neuordnung des wohnrechtlichen Verfahrensrechts im Zuge der Außerstreitverfahrensreform in eine Phase getreten, in der eine entsprechende Erneuerung des Mietrechts in Angriff genommen werden kann. Damit korrespondieren die Aussagen im Regierungsprogramm für die XXII. Gesetzgebungsperiode über Maßnahmen zur Vereinfachung und verständlicheren Gestaltung des Mietrechts. Freilich ist in diesem Bereich die Erzielung eines politischen Konsenses über die inhaltlichen Eckpunkte einer solchen Neuordnung besonders schwierig. Dessen ungeachtet hat das Bundesministerium für Justiz bereits Vorarbeiten zur Umsetzung dieses Vorhabens aufgenommen; diese befinden sich jedoch noch in einem sehr frühen Stadium, und auch eine politische Willensbildung hiezu hat zumindest auf breiterer Ebene noch nicht stattgefunden. Ich bitte deshalb um Verständnis dafür, dass ich zur Zeit noch nicht sagen kann, ob überhaupt und, wenn ja, welche Vorschläge des Senatsvorsitzenden Dr. Garai in eine Novelle des Mietrechts einfließen werden. Es lässt sich auch aus heutiger Sicht noch nicht verlässlich einschätzen, wann das Bundesministerium für Justiz mit einem ausgearbeiteten Reformvorschlag zum Mietrecht an die Öffentlichkeit treten wird. Ich rechne aber damit, dass das Vorhaben, das Mietrecht einfacher und verständlicher zu gestalten, noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden kann.

Zu 27 bis 31:

Die – ebenfalls im Regierungsprogramm vorgesehene – Schaffung einheitlicher Gebäudebewirtschaftungsregeln erfordert ein einvernehmliches Zusammenwirken des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit und des Bundesministeriums für Justiz, weil das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz in die Zuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, das Mietrechtsgesetz und das Wohnungseigentumsgesetz 2002 hingegen in die Zuständigkeit des Bundesministers für Justiz fallen. Auch in diesem Zusammenhang sind die Vorarbeiten und die politische Willensbildung innerhalb der Bundesregierung noch nicht so weit gediehen, dass bereits vorausgesagt werden könnte, wie die Reform zur Schaffung einheitlicher Gebäudebewirtschaftungsregeln inhaltlich im Einzelnen ausgestaltet sein wird.

Die Fragen 27 und 29 beziehen sich erkennbar auf einen Gesetzesentwurf, der von Univ.-Prof. Dr. Call und Univ.-Lektor Dr. Hanel im Auftrag der Forschungsgesellschaft Wohnen erstellt wurde. Die Forschungsgesellschaft Wohnen hatte den Auftrag zur Erstellung dieses Gesetzesentwurfs ihrerseits vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit erhalten. Diese Fragen wären daher an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zu richten.

Zu 32 bis 36:

Die in der Frage 32 enthaltene Aussage, ich hätte im Zusammenhang mit der Erarbeitung eines neuen Mietrechts einen „Arbeitskreis Wohnrecht“ einberufen, ist in dieser Form nicht richtig. Richtig ist, dass das Bundesministerium für Justiz – wie schon erwähnt – den Vorentwurf von Dr. Garai an die Mitglieder der Arbeitsgruppe „Wohnrecht“ mit dem Ersuchen um Stellungnahme versandt hat. Die Arbeitsgruppe „Wohnrecht“ ist ein Expertengremium, das vom Bundesministerium für Justiz schon seit über einem Jahrzehnt immer wieder mit Vorschlägen für Gesetzesänderungen und anderen aktuellen Themen des wohnrechtlichen Geschehens befasst wird. Die Befassung erfolgt entweder durch Ersuchen um schriftliche Stellungnahmen oder durch die Veranstaltung von Gesprächs- und Diskussionsrunden im Bundesministerium für Justiz. Mitglieder der Arbeitsgruppe „Wohnrecht“ sind Vertreter der betroffenen Ressorts, der Interessenvertretungen der Mieter und Vermieter sowie der Immobilientreuhänder, der Sozialpartner, der gemeinnützigen Bauvereinigungen und der rechtswissenschaftlichen Lehre sowie Praktiker aus dem Kreis der Rechtsanwälte, Notare, Richter und Beamten der Schlichtungsstellen. Sie alle leisten ihre Beiträge zur Arbeitsgruppe „Wohnrecht“ freiwillig und unentgeltlich. Dafür möchte ich ihnen an dieser Stelle auch herzlich danken.

Wenngleich einige Mitglieder der Arbeitsgruppe „Wohnrecht“ auch über volkswirtschaftliche Kenntnisse verfügen, handelt es sich bei den Mitgliedern der Arbeitsgruppe „Wohnrecht“ durchwegs um Experten des Wohnrechts und nicht um Volkswirtschaftsexperten, weil Gegenstand der Erörterungen in der Arbeitsgruppe nicht Fragen der Volkswirtschaftslehre, sondern wohnrechtliche Themen sind, die in diesem Rahmen nicht primär aus ökonomischer, sondern aus Sicht der juristischen Wissenschaft und Praxis erörtert werden sollen.

Abgesehen vom Ersuchen um schriftliche Stellungnahme zum Vorentwurf von Dr. Garai wurde die Arbeitsgruppe „Wohnrecht“ noch nicht mit Vorschlägen für eine einfachere und verständlichere Gestaltung des Mietrechts im Sinne des Regierungsprogramms befasst.

Zu 37 bis 40:

Es gibt verschiedene Möglichkeiten eine Reformbemühung im Bereich des Mietrechts auf ein gesellschaftlich breites Fundament zu stellen und darüber eine umfassende Diskussion zu führen. Eine dieser Möglichkeiten könnte die Fruchtbarmachung der sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene bereits konkretisierten Konventsidee sein. Dabei gilt es freilich, die Vor- und die Nachteile eines solchen Konventsgeschehens gerade vor dem Hintergrund der sehr kontroversiellen Mietrechtsthematik gegeneinander abzuwägen. Die Fragen, ob und wenn ja wann im Zusammenhang mit einer möglichen Reform zur Vereinfachung und verständlicheren Gestaltung des Mietrechts ein „Mietrechts-Konvent“ einberufen wird und wie dieser gegebenenfalls zusammengesetzt sein sollte, sind noch nicht entschieden. Hier bleiben wohl auch die Erfahrungen mit dem Verfassungskonvent abzuwarten.

 

. Mai 2004

 

(Dr. Dieter Böhmdorfer)