167/AB XXII. GP

Eingelangt am 25.04.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen haben am
26. Februar 2003 an meinen Vorgänger eine schriftliche Anfrage mit der Nr. 140/J, betref-
fend Bekämpfung des Feuerbrandes mit hochwirksamen Antibiotika gerichtet. Ich beehre
mich, diese wie folgt zu beantworten:

Allgemeines:

Der Feuerbrand gehört zu den gefährlichsten und wirtschaftlich bedeutendsten Krankheiten
des Kernobstes und einiger verwandter Gehölze aus der Familie der Rosaceaen. Diese Bak-
teriose kann unter günstigen epidemiologischen Bedingungen zu erheblichen Schäden im
Kernobstbau sowie bei bestimmten Ziergehölzen führen. Wenn keine Bekämpfungs-
maßnahmen gesetzt werden, können befallene Pflanzen, selbst wenn es sich um aus-
gewachsene Bäume handelt, innerhalb kurzer Zeit absterben.

Da der Feuerbrand in der gesamten EU als Quarantänekrankheit eingestuft ist, besteht bei
Befall oder Befallsverdacht Meldepflicht an den amtlichen Pflanzenschutzdienst im jeweiligen
Bundesland oder an das Bundesamt für Ernährungssicherheit.

In Österreich hat sich die Krankheit in den letzten Jahren stark ausgebreitet und verursacht
inzwischen schon in fast allen Bundesländern massive Schäden in Kernobstanlagen und


Baumschulen. Bisher konnte Österreich auf Grund einer Schutzgebietsregelung (Schutzge-
biete sind Regionen, in denen der Schadorganismus nicht vorkommt) gemäß der Richtlinie
2000/29/EG ein höheres Schutzniveau gegenüber den anderen Mitgliedstaaten aufrechter-
halten und höhere Anforderungen bei der Einfuhr von Feuerbrand-Wirtspflanzen aus ande-
ren EU-Mitgliedstaaten stellen. Zudem ist die Einfuhr von Feuerbrand-Wirtspflanzen in das
Schutzgebiet aus Drittländern verboten. Die derzeitige teilweise Anerkennung Österreichs
als Schutzgebiet ist mit 31.3.2004 befristet.

Die einzige derzeit wirkungsvolle nichtchemische Bekämpfungsmaßnahme ist der starke
Rückschnitt bzw. in vielen Fällen sogar die Rodung von befallenen Pflanzen bis zu ganzen
Anlagen, wodurch große finanzielle Verluste erwachsen, welche bis zum Verlust der Exis-
tenzgrundlage vieler landwirtschaftlicher Betriebe führen können.

Darüber hinaus darf darauf hingewiesen werden, dass gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 4 B-VG die
Grundsatzgesetzgebung Bundeskompetenz ist, die Erlassung von Ausführungsgesetzen und
die Vollziehung in den Angelegenheiten des Schutzes der Pflanzen gegen Krankheiten und
Schädlinge jedoch Landeskompetenz.

Gemäß § 3 Z 5 Pflanzenschutzgrundsatzgesetz, BGBl l Nr. 140/1999, hat die Landes-
gesetzgebung die Überwachung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sowie die An-
wendung bestimmter Pflanzenschutzverfahren vorzusehen. Demnach haben die Länder die
Verwendung von Pflanzenschutzmitteln zu regeln und zu kontrollieren.

Zu Frage 1:

Zur Bekämpfung des Feuerbrandes wurde bereits seit mehreren Monaten in der Bundesre-
publik Deutschland ein „Strategiekonzept zur Bekämpfung des Feuerbrandes im Obstbau
ohne Antibiotika" unter Einbindung österreichischer und schweizerischer Experten ausgear-
beitet. Dieses Strategiekonzept, dem die deutsche Bundesministerin für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft im Februar 2003 zugestimmt hat, sieht aus Ermangelung
kurzfristig durchgreifender Bekämpfungsverfahren ohne Antibiotika für einen Übergangszeit-
raum von fünf Jahren den Einsatz von antibiotikahältigen Pflanzenschutzmitteln vor.


In enger Abstimmung mit den deutschen und schweizerischen Behörden wurde auch in Ös-
terreich seitens des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser-
wirtschaft mit den Beteiligten Interessenskreisen (Länder, Landwirtschaftskammern, Bundes-
Obstbauverband, Imkerverbände, Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit u.a.) ein
Einsatz von „Plantomycin", eingeschränkt auf Versuche unter strengen Auflagen, Bedingun-
gen und Verpflichtungen für die Sicherstellung der Gesundheit und Ernährungssicherheit bei
einer allfälligen beschränkten Zulassung diskutiert.

Als Ergebnis der Diskussionen haben sich die zuständigen Landesbehörden, welche Plan-
tomycin im Rahmen von Versuchsanstellungen im Jahr 2003 einsetzen wollen, zu einem
umfangreichen Katalog an Begleitmaßnahmen zur Sicherstellung der Lebensmittelsicherheit
zu verpflichten.

Bis Mitte April 2003 hat jedoch noch kein Bundesland offiziell und schriftlich sich zu den fest-
gelegten Begleitmaßnahmen verpflichtet.

Es wurde daher auch seitens des Bundesamtes für Ernährungssicherheit als zuständige
Behörde keine Zulassung für das Pflanzenschutzmittel Plantomycin nach dem Pflanzen-
schutzmittelgesetz 1997 ausgesprochen.

Zu den Fragen 2 und 3:

Der Wirkstoff Streptomycinsulfat zählt gemäß den Regelungen der Europäischen Gemein-
schaft zu den sogenannten „alten Wirkstoffen" (Wirkstoffe, die zwei Jahre nach der Bekannt-
gabe der Richtlinie 91/414/EWG bereits im Handel waren), welche im Rahmen eines Re-
Evaluierungsprogrammes der Europäischen Gemeinschaft einer Neubewertung zu unterzie-
hen sind. Gegenständlich wird dieses Projekt für Streptomycinsulfat mit den aktuellen Anfor-
derungsprofilen zu den toxikologischen und ökotoxikologischen Fragestellungen im Laufe
des Jahres 2003 starten, wobei die Niederlande als Bericht erstattender Mitgliedstaat (Rap-
porteur) verantwortlich zeichnen.

Auf nationaler Ebene wurde im Zuge der Ausbreitung des Feuerbrandes, der Anwendung
von Plantomycin im Rahmen von Großversuchen im Jahre 2002 in der Bundesrepublik
Deutschland und der Entwicklung eines Strategiekonzeptes in der Bundesrepublik Deutsch-


land unter Einbindung Österreichs und der Schweiz eine Prüfung der Zulassungsvorausset-
zungen für eine allfällige Zulassung von Plantomycin durch das Bundesamt für Ernährungs-
sicherheit vorgenommen. Ebenso wurde eine Risikoabschätzung bei der Bekämpfung des
Feuerbrandes im Obstbau in Gebieten mit erhöhtem Risiko durch das Bundesamt für Ernäh-
rungssicherheit durchgeführt.

Bei Einhaltung der geltenden Höchstwerte für Streptomycin auf oder in den Lebensmitteln
Obst und Honig (siehe Beantwortung der Frage 4) sind unter Berücksichtigung der dem
Bundesamt für Ernährungssicherheit vorliegenden Daten keine gesundheitlichen Gefahren
zu erwarten.

Zu Frage 4:

Gemäß der Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über
Höchstwerte von Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln in oder auf Lebensmitteln
pflanzlichen und tierischen Ursprungs (SchäHöV), BGBl. II Nr. 441 vom 6. Dezember 2002,
beträgt der Höchstwert für Streptomycin für „alle pflanzlichen Lebensrnittel" (d.h. auch für
Kernobst) 0,05 mg/kg und für „alle Lebensmittel tierischer Herkunft" (d.h. auch für Honig)
0,02 mg/kg.

Die oben genannten Höchstwerte entsprechen den jeweiligen Bestimmungsgrenzen zur rou-
tine-analytischen Erfassung von Streptomycin-Rückständen in Lebensmitteln pflanzlicher
und tierischer Herkunft.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Festsetzung von Höchstwerten im Rahmen
der SchäHöV im Kompetenzbereich des Bundesministers für soziale Sicherheit und Genera-
tionen liegt. Ich darf diesbezüglich auf dessen Beantwortung der parlamentarischen Anfrage
Nr. 139/J verweisen.

Zu Frage 5:

Die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels setzt gemäß Pflanzenschutzmittelgesetz 1997
voraus, dass das Pflanzenschutzmittel bei bestimmungs- und sachgemäßer Anwendung


keine unmittelbaren oder mittelbaren schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von
Mensch und Tier (z.B. über Trinkwasser, Lebens- oder Futtermittel) hat.

Vor einer Zulassung erfolgt u.a. eine Risikoabschätzung für den Konsumenten aus einer
möglichen Exposition über die Nahrung.

Zu Frage 6:

Unter Beachtung und Einhaltung der in der Verordnung des Bundesministers für soziale Si-
cherheit und Generationen über Höchstwerte von Rückständen von Schädlings-
bekämpfungsmitteln in oder auf Lebensmitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs (Schä-
HöV) angeführten Höchstmengen für Streptomycin auf pflanzlichen und tierischen Le-
bensmitteln ist kein gesundheitliches Risiko für den Konsumenten zu erwarten.

Zu Frage 7:

An der AGES (bzw. der vormaligen Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung) wurden im
Jahr 2002 47 Honigproben - 30 inländische und 17 ausländische - auf Streptomycin unter-
sucht. Bei den heimischen Honigproben waren alle Streptomycin-negativ, bei einer Probe
aus dem Ausland (Rumänien) wurde eine Belastung von 165 µg Streptomycin pro kg Honig
festgestellt.

Weiters hat nach Informationen der AGES die Lebensmitteluntersuchungsanstalt des Landes
Vorarlberg in den Jahren 2001 und 2002 insgesamt 103 in- und ausländische Honige auf
Rückstände des Antibiotikums Streptomycin untersucht. Im Jahre 2001 wurden 58 Proben
bei einer Nachweisgrenze von 5 μg Streptomycin pro kg Honig gescreent. Bei 55 Streptomy-
cin-negativen Proben sind eine Probe mit 40 $g/kg und zwei weitere Proben mit einer Belas-
tung zwischen 5 und 20 μ/g/kg aufgefallen. Im Jahre 2002 wurden 45 Proben gescreent, wo-
bei 9 Proben positive Resultate lieferten, die sich bei 8 Proben im Bereich unter 3,6 μg/kg
und eine Probe im Bereich zwischen zwei und 5 μg/kg bewegt haben.


Zu den Fragen 8 und 9:

Der der Europäischen Kommission und den anderen Mitgliedstaaten übermittelte Bericht
über das Jahr 2002 inklusive der befallenen Gebiete ist auf der Homepage des BMLFUW
unter http://www.lebensministerium.at/land unter „Produktion" → „Pflanzliche Produktion" →
„Pflanzenschutz, Pflanzenschutzmittel" abrufbar.

Laut Auskunft der amtlichen Pflanzenschutzdienste der Länder wiesen im Jahr 2002 folgen-
de Anzahl von Gemeinden bzw. Flächen einen Feuerbrandbefall auf:

 

Bundesland

 

Anzahl der
befallenen
Orte

 

 

Bemerkungen

 

Wien

 

0

 

kein Feuerbrandauftreten

 

Burgenland

 

3

 

Hausgärten

 

Kärnten

 

1

 

Quittenkultur

 

Tirol

 

50

 

2 Intensivobstanlagen

 

Steiermark

 

22

 

3 Erwerbsobstbauanlagen (0,2 ha + 60 Bäume + 1 Reihe)

 

Niederösterreich

 

11

 

Einzelfälle

 

Vorarlberg

 

70

 

13 Betriebe mit Erwerbsobstbau (32,6 ha)

 

Oberösterreich

 

221

 

85 Erwerbsobstbauanlagen mit ca. 300 ha,
12.000 ha Streuobstanlagen

 

Salzburg

 

14

 

keinen Erwerbsobstbau

 

Zu Frage 10:

Das tatsächliche Auftreten in den einzelnen Jahren ist sehr stark vom Witterungsverlauf, ins-
besondere um die Blütezeit, im betreffenden Jahr abhängig. Der Infektionsdruck ist daher
von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich und war im Jahr 2002 sehr hoch. Der tatsächliche In-
fektionsdruck im Jahr 2003 kann daher erst mit Hilfe von Warndienstgeräten zu gegebener
Zeit festgestellt werden, ebenso die Anzahl der Imker, die davon betroffen wären.

Zu Frage 11:

Die praktizierenden Bäuerinnen und Bauern, Imker und Privatpersonen werden durch die
amtlichen Pflanzenschutzdienste der Länder, die Österreichische Agentur für Gesundheit
und Ernährungssicherheit (AGES), die Landwirtschaftkammern, den Bundes-
Obstbauverband und durch die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Integrierten Pflan-


zenschutz (ÖAIP) im Rahmen von Vorträgen, Einzelgesprächen und durch Informationsma-
terial eingehend informiert. Des Weiteren wurden vom Bundesministerium für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in Zusammenarbeit mit der AGES, sowie von
einigen Landwirtschaftskammern Flugblätter zum Thema Feuerbrand herausgegeben.

Zu Frage 12:

Im Hinblick auf die Bewertung allfälliger bisher unbekannter Risken bei der Anwendung von
Plantomycin für die Honigproduktion wurde als zulassungsbegleitende Maßnahme im Jahr
2001 ein wissenschaftliches Forschungsprojekt vorgesehen. Die Ergebnisse sollten die Da-
tenlage auf eine breitere Basis stellen, eine Entscheidungshilfe für eventuelle Anpassungen
der Höchstwerte liefern bzw. die Zulassung von Plantomycin einer laufenden Evaluierung
unterziehen.

Nachdem dieses Projekt in der geplanten Version eine Ausbringung von Plantomycin in die
Umwelt vorgesehen hatte, wurde bei nicht gegebener Zulassung aber auch aus Ermange-
lung einer geeigneten Versuchsanlage (isolierter Erwerbsobstgarten) von diesem Projekt
abgesehen.

Zu Frage 13:

Seit Anfang 2002 wird das „Projekt zur Prüfung von angeblich feuerbrandresistenten und
toleranten Apfel- und Mostbirnensorten an verschiedenen Standorten sowie Sammlung, Er-
haltung und Prüfung heimischer Mostäpfel und -birnen" des Bundes-Obstbauverbandes un-
ter der Projektleitung der HBLA und Bundesamt für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg
seitens des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
und der Länder gefördert. Alleine im Jahr 2002 wurden dafür ca. € 40.000,- an öffentlichen
Mitteln aufgewendet.

Zu Frage 14:

Darunter ist die Wahrscheinlichkeit des tatsächlichen Auftretens von Feuerbrand zu verste-
hen. Akute Gefahr besteht jedenfalls in Gebieten, in denen in den Vorjahren Feuerbrand
festgestellt wurde und in denen auf Grund der Witterungsbedingungen nachweislich hoher


Infektionsdruck im betreffenden Jahr festgestellt wird. Der Infektionsdruck muss nachweislich
mit Hilfe sogenannter Warndienstgeräte den zuständigen Behörden belegt werden. Da es im
Jahr 2002 keine Zulassung für Plantomycin gab, wurden den Behörden direkt keine Warn-
diensthinweise übermittelt. Warndiensthinweise sind in erster Linie Informationen für die
praktizierenden Landwirte, um prinzipiell im Sinne des Umweltschutzes Pflanzenschutzmittel
sehr sparsam bzw. nicht präventiv einzusetzen, sondern erst bei höchsten Infektionsbedin-
gungen.