1675/AB XXII. GP

Eingelangt am 28.06.2004
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BM für Justiz

 

Anfragebeantwortung

DER  BUNDESMINISTER
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0012-Pr 1/2004

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 1716/J-NR/2004

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „drohende 10 Millionen Euro-Verschwendung der Justizverwaltung“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Die vorgeschlagene Variante eines Bezirksgerichtssprengels Kalsdorf für die Bevölkerung im Süden des Bezirkes Graz-Umgebung wurde geprüft.

Zu 2.

Im Bezirk Graz-Umgebung liegen einschließlich der Stadt Graz 58 Gemeinden. Die 18 nördlich der Stadt Graz gelegenen Gemeinden Deutschfeistritz, Eisbach, Frohnleiten, Gratkorn, Gratwein, Großstübing, Gschnaidt, Judendorf-Straßengel, Peggau, Röthelstein, Sankt Bartholomä, Sankt Oswald bei Plankenwarth, Schrems bei Frohnleiten, Semriach, Stiwoll, Tulwitz, Tyrnau, Übelbach bilden mit rund 41.000  Einwohnern (Volkszählung 2001) den Sprengel des Bezirksgerichtes Frohnleiten, bei dem 2,6 Richter Verwendung finden. Der Gesamtpersonalstand beläuft sich auf rund 14 Personen.

Das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz, das Bezirksgericht für Strafsachen Graz und das Jugendgericht Graz, in deren gemeinsamen Sprengel die verbleibenden 40 Gemeinden einschließlich der Stadt Graz fallen, haben derzeit in Personalstand von 29,4 Richtern und insgesamt 176 Personen, die auf die Standorte Radetzkystraße 27 (Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz) und Paulustorgasse 15 (Bezirksgericht für Strafsachen Graz, Jugendgericht Graz, in Summe knapp über 20 Personen) verteilt sind.

Für den Sprengel eines Bezirksgerichtes Kalsdorf würden selbst bei großzügigster Grenzziehung und völliger Missachtung der sternförmig um die Stadt Graz angelegten Verkehrsinfrastruktur nicht mehr als 23 südlich der Stadt Graz gelegene Gemeinden in Frage kommen (Dobl, Edelsgrub, Feldkirchen bei Graz, Fernitz, Gössendorf, Grambach, Haselsdorf-Tobelbad, Hausmannstätten, Kalsdorf bei Graz, Krumegg, Langegg bei Graz, Lieboch, Mellach, Pirka, Raaba, Sankt Marein bei Graz, Seiersberg, Unterpremstätten, Vasoldsberg, Werndorf, Wundschuh, Zettling, Zwaring-Pöls). Diese hatten nach der Volkszählung 2001 zusammen rund 55.000 Einwohner. Legt man den Personaleinsatz des Bezirksgerichtes Frohnleiten auf diese Einwohnerzahl um, kämen etwa 3,5 Richter zum Einsatz, der Gesamtpersonalstand würde sich auf nur rund 20 Personen belaufen.

Mit der Errichtung eines Bezirksgerichtes Kalsdorf wäre damit das eigentliche Problem der drückenden Raumnot der im Gerichtsgebäude Radetzkystraße 27 und in dem in unmittelbaren Nähe befindlichen Justizpalast (Oberlandesgericht Graz, Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz, Oberstaatsanwaltschaft Graz) untergebrachten Gerichtsbehörden nicht zu lösen, es würde lediglich jener Personalstand, der derzeit im Gebäude Paulustorgasse 15 untergebracht ist, zahlenmäßig nach Kalsdorf verlagert. Ein Neubau in Graz wäre damit weiterhin unvermeidlich.

Zudem würde mit der Errichtung eines Bezirksgerichtes Kalsdorf rund 11 km vom Zentrum der Stadt Graz entfernt ein nach nationalen und internationalen Maßstäben kleines Bezirksgericht neu errichtet. Aufgrund der sternförmig von Graz ausgehenden Verkehrsinfrastruktur (Straße, Schiene, Buslinien) ist Kalsdorf vielfach weit schwieriger und praktisch nur über Graz zu erreichen

Gegen die Schaffung einer dreigeteilten Bezirksgerichtsorganisation im Raum Graz durch Errichtung eines Bezirksgerichtes Kalsdorf spricht also zusammenfassend:

-          Das Ziel einer Linderung der Raumnot für das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz und die im Justizpalast untergebrachten Gerichtsbehörden würde verfehlt.

-          Das Ziel einer leistungsfähigeren Gerichtsorganisation würde verfehlt.

-          Statt der Schaffung von zwei Gerichten optimaler Größe an Stelle von einem großen (Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz) und zwei kleinen (Bezirksgericht für Strafsachen Graz und Jugendgericht) bliebe das zu große Gericht bestehen (Bezirksgericht Graz) und ein anderes kleines (Bezirksgericht Kalsdorf) würde errichtet, nachdem ein solches erst vor wenigen Monaten nur 11 km entfernt aufgelöst worden war.

-          Graz ist Wirtschafts- und Verwaltungszentrum, Sitz aller anderen Behörden und vieler Anwälte.

-          Wegen der sternförmigen Verkehrsinfrastruktur träte keine Verbesserung für große Teile der Bevölkerung ein (etwa von Lieboch, Haselsdorf-Tobelbad, Seiersberg ist man schneller in Graz als in Kalsdorf).

Der Nationalrat hat bekanntlich in der Zwischenzeit nach eingehender Debatte im Justizausschuss dem die Errichtung zweier Vollbezirksgerichte in Graz vorsehenden Gesetzesvorschlag in seiner Sitzung am 27. Juni 2004 mehrheitlich seine Zustimmung erteilt. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 9. Juni 2004 mehrheitlich beschlossen, keinen Einspruch dagegen zu erheben. Das Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz und die Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988 wurde am 21. Juni 2004 unter der Nummer 60 im Bundesgesetzblatt kundgemacht.

 

. Juni 2004

 

(Dr. Dieter Böhmdorfer)