1677/AB XXII. GP
Eingelangt am 28.06.2004
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Anfragebeantwortung

DER
BUNDESMINISTER
FÜR JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0015-Pr
1/2004
An den
Herrn
Präsidenten des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 1736/J-NR/2004
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier, Kolleginnen und
Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „EG-Richtlinie zur
Prozesskostenhilfe bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 und 2:
Die Richtlinie 2003/8/EG zur Verbesserung
des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch
Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe soll in
Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug eine angemessene
Prozesskostenhilfe (Verfahrenshilfe) für alle Unionsbürger und für alle
Drittstaaten-Angehörigen, die sich rechtmäßig in der EU aufhalten,
gewährleisten. Diese Richtlinie ist zum größten Teil bis 30. November 2004 in
nationales Recht umzusetzen. Die Richtlinie schreibt gemeinsame Mindestvorschriften
für die Prozesskostenhilfe in Verfahren mit grenzüberschreitendem Bezug vor;
günstigere nationale Bestimmungen als von der Richtlinie verlangt sind
zulässig. Neben solchen gemeinsamen Mindestvorschriften regelt die Richtlinie
auch das Verfahren, das bei der Übermittlung von Anträgen auf
Prozesskostenhilfe zwischen den Mitgliedstaaten einzuhalten ist.
Zur Umsetzung dieser Richtlinie sind
Änderungen der Bestimmungen über die Verfahrenshilfe in der Zivilprozessordnung
sowie des Bundesgesetzes über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe
vorgesehen. Die geplanten Änderungen sind in dem Ende April dieses Jahres zur
Begutachtung versendeten Entwurf einer Zivilverfahrens-Novelle 2004 enthalten.
Die Begutachtungsfrist endete Mitte Juni 2004. Nach Auswertung der einlangenden
Stellungnahmen und einer sich allenfalls daraus ergebenden Umarbeitung des Entwurfs
soll dieser im Herbst als Regierungsvorlage dem Nationalrat zur
geschäftsordnungsgemäßen Behandlung zugeleitet werden.
Zu 3:
Die Richtlinie soll in Streitsachen mit
grenzüberschreitendem Bezug eine angemessene Verfahrenshilfe für alle
Unionsbürger und für alle Drittstaaten-Angehörigen, die sich rechtmäßig in der
EU aufhalten, gewährleisten. Ihr persönlicher Anwendungsbereich ist auf
natürliche Personen beschränkt. Das österreichische Recht sieht eine
Differenzierung zwischen natürlichen Personen, juristischen Personen und
sonstigen parteifähigen Gebilden im Bereich der Verfahrenshilfe nicht vor. Dies
ist auch in Zukunft nicht geplant. Schon bisher wurde bei den
zivilverfahrensrechtlichen Bestimmungen, zu denen auch die Regelung der
Verfahrenshilfe zählt, nicht zwischen Inländern, EU-Ausländern und
Drittstaaten-Angehörigen differenziert. Um weiterhin eine Rechtszersplitterung
zu vermeiden, ist daher nicht geplant, die Verfahrenshilfebestimmungen für
„Nicht-Inländer“ zu verschlechtern, sodass nach wie vor auch ausländischen
juristischen Personen und parteifähigen Gebilden Verfahrenshilfe gleich wie
inländischen gewährt werden soll.
Zu 4:
Die Richtlinie legt in Art. 5 die
finanziellen Voraussetzungen für die Gewährung der Prozesskostenhilfe fest.
Dabei wird in Abs. 1 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten jenen Personen, die auf
Grund ihrer persönlichen wirtschaftlichen Lage teilweise oder vollständig außer
Stande sind, die Prozesskosten zu tragen, Prozesskostenhilfe zur Gewährleistung
ihres effektiven Zugangs zum Recht zu gewähren ist. Nach Abs. 2 wird die
wirtschaftliche Lage einer Person von der zuständigen Behörde des
Mitgliedstaats des Gerichtsstands unter Berücksichtigung verschiedener
objektiver Faktoren wie des Einkommens, des Vermögens oder der familiären
Situation einschließlich einer Beurteilung der wirtschaftlichen Ressourcen von
Personen, die vom Antragsteller finanziell abhängig sind, bewertet. Dabei
können die Mitgliedstaaten auch Schwellenwerte festsetzen (Abs. 3). Die
Mitgliedstaaten können gemäß Art. 6 der Richtlinie auch vorsehen, dass für
offensichtlich unbegründete Verfahren Verfahrenshilfe nicht gewährt werden muss
und bei der Entscheidung auch die Erfolgsaussichten des Antrags zu
berücksichtigen sind. § 63 ZPO entspricht diesen Anforderungen, sodass hier
kein Umsetzungsbedarf besteht.
Zu 5:
Nach Art. 3 der Richtlinie gilt eine Prozesskostenhilfe
dann als angemessen, wenn sie folgendes gewährleistet: eine vorprozessuale
Rechtsberatung im Hinblick auf eine außergerichtliche Streitbeilegung, den
Rechtsbeistand und die rechtliche Vertretung vor Gericht, eine Befreiung von
den Gerichtskosten oder eine Unterstützung bei den Gerichtskosten, die durch
den grenzüberschreitenden Charakter der Streitsache bedingten Kosten (wie
Dolmetschleistungen, Übersetzungen und Reisekosten des Antragstellers, wenn das
Gesetz oder das Gericht die Anwesenheit dieser Person bei Gericht verlangt)
sowie die Kosten für Personen, die vom Gericht mit der Wahrnehmung von Aufgaben
während des Prozesses beauftragt werden. Die Mitgliedstaaten sind nicht
verpflichtet, einen Rechtsbeistand oder eine rechtliche Vertretung vor Gericht
bei Verfahren vorzusehen, die speziell darauf ausgerichtet sind, den
Prozessparteien zu ermöglichen, sich selbst zu vertreten. Die Mitgliedstaaten
können auch verlangen, dass sich die Empfänger der Prozesskostenhilfe angemessen
an den Prozesskosten beteiligen, ebenso kann eine Rückforderung zur Gänze oder
teilweise vorgesehen werden.
Umsetzungsbedarf besteht hinsichtlich der
Reisekosten der Partei, die, wenn das Erscheinen dieser Partei bei Gericht
erforderlich ist, auch von der Verfahrenshilfe umfasst sein müssen. Dies ist
derzeit nicht der Fall. Hinsichtlich auflaufender Übersetzungs- und
Dolmetschkosten soll die bisherige Judikatur gesetzlich verankert und deren
Ersatz als Barauslagen des Rechtsanwalts anerkannt werden. Ausdrücklich
festgelegt werden soll schließlich, dass die Beigabe eines Rechtsanwalts für
einen bestimmten Rechtsstreit bzw. zur Durchsetzung eines bestimmten Anspruchs
auch die vorprozessuale Rechtsberatung im Hinblick auf eine außergerichtliche
Streitbeilegung umfasst.
Zu 6:
Die Richtlinie regelt auch das Verfahren,
das bei der Übermittlung von Anträgen auf Prozesskostenhilfe zwischen den
Mitgliedstaaten einzuhalten ist. Da sich die Richtlinie diesbezüglich am
„Europäischen Übereinkommen vom 27. Jänner 1977 über die Übermittlung von
Anträgen auf Verfahrenshilfe“ orientiert, soll die nationale Umsetzung dieser
Bestimmungen im Bundesgesetz zur Durchführung dieses Übereinkommens erfolgen.
Ein zweiter, gänzlich neuer Abschnitt soll die Umsetzungsbestimmungen der
Richtlinie enthalten.
. Juni 2004
(Dr. Dieter Böhmdorfer)