169/AB XXII. GP
Eingelangt am 30.04.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfragebeantwortung
Bundesministerin für auswärtige
Angelegenheiten
Die Abgeordneten
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen haben am 6. März 2003
unter der Nummer 164/J-NR/2003 eine schriftliche parlamentarische Anfrage
betreffend
„Kroatien für Investoren kein Paradies?" an mich gerichtet.
Diese Anfrage
beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 und 2:
Aus vergangenen Interventionen sind die Probleme der
Alpinamare-Hotelholding GmBH
im Zusammenhang mit dem Hotel Katarina in Rovinj bekannt. Im Oktober 1999 hat
der
österreichische Hotelier Dr. Wilfried Holleis (50,1%) mit der kroatischen Firma
Jadran
Turist (damalige Tochterfirma der Zagrebacka Banka) (49,9%) einen Joint
Venture-Vertrag
zur Realisierung eines der ersten großen Investitionsprojekte aus der EU im
kroatischen
Tourismus abgeschlossen. Nach diesem Vertrag hat sich der österreichische
Mehrheitseigentümer verpflichtet, nach Ablauf des 5. Geschäftsjahres den
gesamten
kroatischen Anteil um einen bereits festgelegten Preis zu kaufen. Im März 2001
kam es
zum Verkauf der Jadran Turist an die kroatische Tabakfirma Tvornica Duhana
Rovinj
(TDR). Seit diesem Zeitpunkt traten vermehrt Meinungsverschiedenheiten zwischen
den
Partnern auf, die letztlich in der Klage der Jadran Turist auf Liquidation der
Otok Katarina
(Juni 2002) gipfelte. Mit Urteil des Handelsgerichts Rijeka vom 29. Jänner 2003
wurde die
Liquidation der Gesellschaft festgestellt. Berufung wurde erhoben.
Zu den Fragen 3 und 4:
Die Angelegenheit wurde wiederholt von Österreich gegenüber
der kroatischen Seite
releviert. Zum einen wurde die Causa im Rahmen bilateraler Besuche angesprochen
(zuletzt im Mai 2002 anlässlich des Besuchs von Bundespräsident Klestil in
Kroatien und
im September 2002 anlässlich des Besuchs des kroatischen Staatspräsidenten
Mesic in
Wien), zum anderen ist die Österreichische Botschaft in Agram seit Jahren
intensiv um
eine Lösung der verschiedenen in diesem Fall entstandenen Probleme im Sinne von
Dr.
Holleis bemüht. Zuletzt hat es über Wunsch der Streitparteien erstmals Einigung
zur
Abhaltung eines informellen Streitbeilegungsgespräches im kroatischen
Wirtschaftsministerium und in Anwesenheit der Botschaft gegeben.
Der Fall wurde ebenso anlässlich der 5. Tagung der
Gemischten österreichisch-
kroatischen Kommission für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Mitte Juni 2002 in
Salzburg)
umfassend erörtert und das von Dr. Holleis vorbereitete Memorandum übergeben
sowie
im Rahmen eines Zwischensessionstreffens mit der kroatischen Seite (Ende Jänner
2003
in Wien) erneut vorgebracht. Jüngst (14. Feber 2003) wurde das Problem auch von
Bundeskanzler Schüssel gegenüber Premierminister Racan angesprochen.
Zu den Fragen 5 und 6:
Insgesamt ist der kroatische Markt für österreichische
Unternehmen interessant und
lukrativ. Die österreichische Wirtschaft hat sich seit 1993 mit Investitionen
von 2,18 Mrd €
und einem Anteil von ca. 30% an den Gesamtinvestitionen als größter
ausländischer
Investor ausgezeichnet positioniert. Auch die österreichischen Exporte nach
Kroatien
haben 2002 die 1 Mrd. € - Marke (989,3 Mio.) erreicht.
Diesem intensiven Engagement österreichischer Firmen stehen
allerdings verschiedene
Risiken bzw. Schwierigkeiten gegenüber:
•
Häufige Zahlungsprobleme kroatischer Unternehmen, wodurch gesicherte
Zahlungskonditionen (Vorauszahlung, Bankgarantie, Akkreditiv) jedenfalls
anzuraten
sind.
•
Schwierigkeiten und Verzögerungen bei der Rechtsdurchsetzung, weil
erstinstanzliche
Gerichtsverfahren zumeist Jahre dauern und dann der Instanzenzug noch nicht
ausgeschöpft ist. Deshalb sollte bei der Vertragsgestaltung immer auch auf die
Verankerung einer Schiedsgerichtsklausel geachtet werden.
• Ein unzureichendes Grundbuch, dessen Angaben
immer einer sehr genauen
Überprüfung bedürfen.
•
Langwierige und sehr aufwändige Genehmigungsverfahren und administrative
Abläufe,
die mitunter auch mit Unwägbarkeiten verbunden sind.
• Eine mangelnde Infrastruktur, die Neuinvestitionen mitunter erschwert.
Um mehr Bewusstsein für diese Problemstellungen und dafür
zu schaffen, dass das
Wirtschaftsleben im gesamten Land darunter leidet, wurde zuletzt durch die
österreichische Außenhandelsstelle Zagreb im Rahmen des monatlichen
Österreichischen
Wirtschaftstisches anlässlich eines Besuches mit Vertretern von mehr als 60
österreichischen Firmen bei Präsident Mesic ein Memorandum überreicht, in dem
diese
und weitere Problembereiche sowie mögliche Lösungsansätze aufgezeigt wurden.
Neben den angeführten Problemfeldern ist der Fall Holleis
sehr spezifisch und hat primär
mit den lokalen Gegebenheiten in Rovinj und den geschäftlichen Interessen der
Firma
TDR zu tun. Auch ein zweiter Fall mit überlanger Verfahrensdauer ist dem
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bekannt.
Auch an das Bundesministerium für auswärtige
Angelegenheiten werden immer wieder
Anliegen österreichischer Unternehmen mit der Bitte um Unterstützung
herangetragen.
Das BMaA setzt sich in jedem einzelnen Fall in Absprache mit allenfalls
ebenfalls
involvierten Bundesministerien mit den zur Verfügung stehenden Mitteln für
diese
Unternehmen ein. Grundsätzlich ist jedoch festzustellen, dass es sich im
gegenständlichen Fall um ein weiterhin gerichtsanhängiges Verfahren handelt.
Zu den Fragen 7 bis 9:
Kroatien hat sich für österreichische Investoren als
interessanter und zukunftsreicher
Markt erwiesen. Die laufende Intensivierung dieser Beziehungen belegt, dass
Kroatien für
österreichische Unternehmen bereits ein bewährter Partner ist. Trotz einzelner
Problemfälle, zu denen auch der gegenständliche Fall Hotel Katarina zählt, ist
die
wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Kroatien als durchaus
positiv zu bewerten. Dieser
Befund betrifft auch die Frage der Rechtssicherheit. Dies macht auch
verständlich, warum
Dr. Holleis in Kroatien mit weiteren Investitionsprojekten präsent bleibt.
Kroatien hat am 21. Februar 2003 den Beitrittsantrag zur EU
gestellt. Es ist richtig, dass
Kroatien zur Erlangung der Beitrittsreife in vielen Bereichen zusätzliche
Acquis-
Anpassungen vornehmen und zur Erfüllung aller politischen und wirtschaftlichen
Kriterien
von Kopenhagen noch weitere substantielle Reformen durchführen muss.
Grundsätzlich
ist aber festzustellen, dass auch Kroatien, wie alle bisherigen
Beitrittskandidatenländer,
die politischen Kriterien erst mit Verhandlungsbeginn und die wirtschaftlichen
Kriterien erst
mit positivem Verhandlungsende erfüllen muss.
Der bis dahin noch bestehende Reformbedarf ist zum Teil im
Rahmen des mit der EU
unterzeichneten Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens erfasst. Obwohl
dieses
Abkommen noch nicht in Kraft getreten ist, hat Kroatien bereits jetzt an die 60
% von
dessen Bestimmungen umgesetzt. Weitere Schritte zur Heranführung an die EU hat
die
Europäische Kommission im Rahmen eines am 27. März 2003 präsentierten
Fortschrittsberichtes zum Stand Kroatiens im Stabilisierungs- und
Assoziierungsprozess
dargelegt. Kroatien seinerseits begegnet diesen Forderungen aktiv mittels eines
im
November 2002 verabschiedeten Nationalen Programms für die Erlangung der EU-
Mitgliedschaft, in welchem Kroatien einen Aktionsplan zur Erfüllung der
Beitrittskriterien
aufgestellt hat.
Zu Frage 10:
Tatsächlich
wirksam gewordene, sogenannte „Quasi-Enteignungen" sind nicht bekannt.
Zu Frage 11:
Durch die in der Praxis auftretenden erheblichen
Schwierigkeiten und Verzögerungen bei
der Rechtsdurchsetzung, aufgrund derer erstinstanzliche Gerichtsverfahren
zumeist Jahre
dauern, sollte bei der Vertragsgestaltung immer auch auf die Verankerung einer
effektiven
Schiedsgerichtsklausel geachtet werden. Überdies sollten von Seiten des
österreichischen
Investors klare Eigentumsverhältnisse geschaffen werden. Nicht kontrollierbare
Geschäftskonstruktionen ohne klares Mehrheitsverhältnis (wie Joint Ventures) in
Gebieten, wo ausländische Unternehmen schlechte Erfahrungen
machen oder gemacht
haben, sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Jedenfalls ist allen
Unternehmen zu
empfehlen, vor der Aufnahme einer Geschäftstätigkeit in Kroatien auf die
Erfahrungen
sowie das Unterstützungsangebot der Österreichischen Außenhandelsstelle
zurückzugreifen. Schließlich wird noch auf das seit 1999 zwischen Österreich
und Kroatien
bestehende bilaterale Abkommen über die Förderung und den Schutz von
Investitionen
(BGBI. III 180/1999) verwiesen, das eine internationale Schiedsgerichtsklausel
enthält.
Zu Frage 12:
Ja. Österreichische Unternehmen sind mit ähnlich gelagerten
Problemen auch in anderen
EU-Beitrittskandidatenländern konfrontiert.