1868/AB XXII. GP

Eingelangt am 06.08.2004
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BM für Inneres

 

Anfragebeantwortung

 

Herrn

Präsidenten des Nationalrates

Univ.Prof Dr. Andreas KHOL

Parlament

1017 Wien

 

 

Wien, am       . August 2004

DVR: 0000051

 

GZ 95.000/4380-III/1/b/04

 

 
 

 

 

 

 

 


Die Abgeordneten zum Nationalrat Petra Bayr und GenossInnen haben am 17. Juni 2004 unter der Nummer 1907J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „die mutmaßlich steigende Anzahl der durch Menschenhandel und Verschleppung nach Österreich gekommenen Personen“ gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Zu Frage 1:

Nach Schätzungen der EU und Europäischen Polizeibehörden werden pro Jahr etwa 120.000 Frauen und Kinder in die EU-Staaten verkauft. Eine internationale Studie wurde dazu am 11.12.2003 von der OSZE, UNICEF und dem UN-Hochkommissariat für Menschenrechte vorgestellt, die davon ausgeht, dass das Phänomen des Menschenhandels durch die Erweiterung der EU noch zunehmen wird und dieses Problem nur durch verstärkte Kooperation der einzelnen Staaten und durch entsprechende Sensiblisierung in der Öffentlichkeit nachhaltig bekämpft werden kann.

 

Zu Frage 2:

Im Jahr 2002 wurden 70 Anzeigen nach § 217 StGB (Menschenhandel), im Jahre 2003 wurden 169 Anzeigen wegen Verdacht des Menschenhandels von der österreichischen Exekutive an die Justizbehörden erstattet.

Im Jahre 2003 wurden insgesamt 236 Opfer, davon 233 weibliche Personen registriert. Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen konnten insgesamt 214 Tatverdächtige ausgeforscht werden. Zum Vergleich dazu wurden im Jahre 2002 168 Tatverdächtige ermittelt.

Zu den Fragen 3 und 4:

Ich ersuche um Verständnis, dass mangels statistischer Aufzeichnungen eine inhaltliche Beantwortung nicht möglich ist.

 

Zu Frage 5:

In Österreich gibt es die Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels. Die Interventionsstelle betreut Frauen, die Betroffene von Frauenhandel sind. Diese Betreuung umfasst:

Beratung und Information in ihrer Muttersprache;

Unterbringung in Notwohnungen;

Unterstützung bei der Beschaffung notwendiger Dokumente (fremdenrechtliche Dokumente, Meldezettel, etc.);

Unterstützung bei der sozialen Absicherung (Sozialhilfe, Krankenversicherung);

Begleitung zu Einvernahmen bei Sicherheitsbehörde und Gericht als Vertrauenspersonen;

rechtliche Vertretung, insbesondere bei einem Privatbeteiligtenanschluss;

psychologische Betreuung;

Gesundheitsprävention und Gesundheitsversorgung bei Erkrankungen;

Deutschkurse und andere Bildungsangebote;

Unterstützung bei der Arbeitssuche und der Beantragung der Beschäftigungsbewilligung;

Heimkehrvorbereitung und Vermittlung an Beratungsstellen in den Herkunftsländern.

Zielgruppen der Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels sind:

Migrantinnen, die durch Gewalt, Drohung, Ausnützung ihrer starken Abhängigkeit oder durch Täuschung zur Ausübung der Prostitution in Österreich angehalten werden;

Migrantinnen, die durch Heiratshandel oder Handel mit Hausangestellten hierher gebracht werden und unter Bedingungen krasser Ausbeutung leben müssen.

 

Die Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels kooperiert mit den Sicherheitsorganen, über welche die Klientinnen an die Opferschutzeinrichtung vermittelt werden. Durch regelmäßige Gerichtsbeobachtungen und die Begleitung der von der Interventionsstelle betreuten Frauen zu Einvernahmen oder Hauptverhandlungen besteht bereits derzeit ein hoher Bekanntheitsgrad bei den Gerichten. Darüber hinaus kooperiert die Interventionsstelle mit Einrichtungen der Jugendwohlfahrt sowie mit dem Gesundheits- und Sozialstellen.

Im Rahmen einer interministeriellen Arbeitsgruppe (BMaA, BMGF, BMSGK, BMI), in der auch die Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels mitarbeitet, werden weitere Möglichkeiten einer verbesserten Kooperation erarbeitet.



 

 

 

 

 

Zu den Fragen 6 und 7:

Die Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels wird zu 50% durch das Bundesministerium für Inneres und zu 50% durch das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen finanziert.

Im Jahr 2004 sind die insgesamt 215 000 €.

 

Zu Frage 8:

Österreich ist in einer Vielzahl internationaler und europäischer Strukturen zur Bekämpfung des Menschenhandels eingebunden bzw. arbeitet in zahlreichen Gremien in führenden Positionen aktiv mit. Dazu wird erwähnt, dass Österreich auch eine interministerielle Arbeitsgruppe unter der Leitung des BMAA (Mitglieder: BMI, BMfGesundheit und Frauen, Sozialministerium, NGO´s, Menschenrechtsbeirat, BMJ) gegründet hat, welche sich mit der Aufgabe zur Umsetzung geeigneter nationaler und internationaler Bekämpfungsstrategien  gegen Menschenhandel beschäftigt. Zur Zeit ist dieses Gremium sehr aktiv mit der Erstellung einer Konvention der EU-Kommission zur Bekämpfung des Menschenhandels befasst. Weiters wird im Rahmen der internationalen Kooperation aktiv mit EUROPOL, INTERPOL, OSZE, UNO sowie dem Südosteuropäischen Stabilitätspakt intensiv zusammengearbeitet und ein umfangreicher und fortlaufender Informationsaustausch zu grundsätzlichen Formen des Phänomens und zu einzelnen Ermittlungsfällen gepflogen.

 

Zu Frage 9:

Als wesentliche Rechtsgrundlagen sind anzuführen:

Polizeikooperationsgesetz, Schengener Abkommen und Durchführungsübereinkommen, Europol, IKPO-Richtlinien sowie zahlreiche bilaterale und multitlaterale Abkommen und Übereinkommen zum polizeilichen Informationsaustausch sowie zur gegen- und wechselseitigen Rechtshilfe.

Weiters sind in diesem Zusammenhang folgende teils rechtsverbindliche und teils rechtsunverbindliche Rechtshandlungsformen der EU sowie Aktionspläne und Finanzierungsprogramme zu nennen:

EU-Rahmenbeschluss über GEG (=gemischte Ermittlungsgruppen);das EU-Rechtshilfeübereinkommen; der Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union vom 19. Juli 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels; die Entschließung des Rates vom 20. Oktober 2003 über Initiativen zur Bekämpfung des Menschenhandels, insbesondere des Frauenhandels; der Beschluss des Rates vom 29. Mai 2000 zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet; die Gemeinsame Maßnahme vom 24. Februar 1997 betreffend die Bekämpfung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung von Kindern; die Verordnung (EG) Nr. 377/2004 des Rates vom 19. Februar 2004 zur Schaffung eines Netzes von Verbindungsbeamten für Einwanderungsfragen; die Verordnung (EG) Nr. 491/2004 des EP und des Rates vom 10. März 2004 zur Einrichtung eines Programms für die finanzielle und technische Hilfe für Drittländer im Migrations- und Asylbereich (AeNEAS); der Beschluss Nr. 803/2004/EG des EP und des Rates vom 21. April 2004 über die Annahme des Aktionsprogramms (2004-2008) der Gemeinschaft zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen sowie zum Schutz von Opfern und gefährdeten Gruppen (Programm Daphne II); UNO: z.B. Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität sowie die Zusatzprotokolle über Menschenhandel, insbesondere den Handel mit Frauen und Kindern, und das Einschleusen von Migranten auf dem Land-, Luft- und Seeweg; Europarat (z.B. Cybercrime-Konvention).