1889/AB XXII. GP

Eingelangt am 12.08.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Verkehr, Innovation und Technologie

 

Anfragebeantwortung

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1997/J-NR/2004 betreffend weitere Wahrheitsfindung
zur Ausschreibung, Vergabe und Systemfunktion des LKW-Mautsystems in Österreich, die die
Abgeordneten Dr. Kräuter und GenossInnen am 9. Juli 2004 an mich gerichtet haben, beehre ich
mich wie folgt zu beantworten:

Frage 1:

Aus welchen technischen Gründen musste die Mautordnung einmal mit 26.3.2004 und ein
zweitesmal mit 1.7.2004 von der ASFINAG jeweils grundlegend geändert werden, wenn seitens
des Ministeriums, der ASFINAG, der Europass und der Betreiberfirma öffentlich von einem
„sensationell funktionierenden System" geschwärmt wird?

Antwort:

Die Zielsetzung der zwischen 1. Jänner 2004 und 26. März 2004 gültigen sehr intensiven
Mitwirkungspflicht der Fahrzeuglenker bestand darin, diesen die grundsätzliche Funktionsweise
des Mautsystems bewusst zu machen und sicherzustellen, dass die in diesem Zeitraum in Betrieb
befindlichen GO-Boxen tatsächlich funktionieren. Die Fahrzeuglenker konnten dadurch unrichtig
montierte GO-Boxen zeitnah erkennen und gegebenenfalls deren Position auf der
Windschutzscheibe korrigieren. Die Möglichkeit einer telefonischen Einmeldung wurde im Sinne
einer Erhöhung des Kundenservice mit 26. März 2004 eingeführt. Mit 1. Juli 2004 wurde die
Benutzerfreundlichkeit des Mautsystems weiter verbessert, indem die Notwendigkeit einer
unmittelbaren Beachtung eines ausbleibenden Signaltons während der Fahrt entfiel. Die beiden
Änderungen erfolgten daher nicht aus technischen Gründen, sondern im Sinne des gegenüber den
Kraftfahrzeuglenkern bestehenden Dienstleistungsauftrages der ASFINAG.


Frage 2:

Sind durch die zweite Reparatur der Mautordnung vom 1.7.2004 die sogenannten „post-pay
Zahler" den sogenannten „pre-paid Zahlern" gleichgestellt im Hinblick auf das automatische Maut-
Nachverrechnen, wenn die GO-Box den Mautbetrag nicht abbuchen kann?

Antwort:

Die Mautordnung vom 1. Juli 2004 sieht die Möglichkeit einer Nachverrechnung durch die
ASFINAG für Pre-Pay und Post-Pay GO-Boxen vor. Die Nachverrechnung wird nur dann
vorgenommen, wenn nachweislich die Benützung eines Mautabschnittes stattgefunden hat. Die
automatische Nachverrechnung kann sowohl für Pre-Pay und Post-Pay GO-Boxen erfolgen, wobei
die Mautwerte für Post-Pay-Verträge mit dem hinterlegten Zahlungsmittel verrechnet und die
Mautwerte für Pre-Pay-Verträge bei der nächsten Aufbuchung der GO-Box an einer Vertriebsstelle
in Rechnung gestellt werden können.

Frage 3:

Auf welcher rechtlichen Grundlage und mit welchem an einem Beispiel genau beschriebenen
Vorgang wird eine korrekte und diskriminierungsfreie Maut-Nachverrechnung für in- und
ausländische Frachtunternehmer durchgeführt?

Antwort:

Rechtliche Grundlage für die Nachverrechnung sind die Bestimmungen des Bundesstraßen-
Mautgesetzes 2002 über die Pflicht zur Entrichtung der fahrleistungsabhängigen Maut und über
die Mautordnung, die den Charakter allgemeiner Geschäftsbedingungen für die Benützung der
Mautstrecken hat und die abstrakte Pflicht zur Entrichtung der fahrleistungsabhängigen Maut
konkretisiert. Die Nachverrechnung erfolgt im Falle einer nachweislichen Benützung eines
Mautabschnittes für in- und ausländische Fahrzeuge über die GO-Box Identifikationsnummer und
die im zentralen Rechnersystem gespeicherten Daten.

Frage 4:

Welche österreichische und welche europäische Institution hat die sogenannte „Split-GO-Box" vor
der Zulassung technisch getestet, begutachtet, für den Betrieb zugelassen und wie verhält sich
dieses, wie von Ihnen in der Anfragebeantwortung 1661/AB angegebenen, bei jeder Vertriebsstelle
verfügbare Gerät zu Diskriminierungsvorschriften der EU und Vorgaben in der Ausschreibung?

Antwort:

Nach Auskunft der ASFINAG ist der GO-Box durch eine akkreditierte Zertifizierungsstelle
(Prüfstellennummer CE 0682, Fa. CETECOM, Saarbrücken) eine CE-Zertifizierung zuerkannt
worden. Eine Split-GO-Box besteht aus zwei konventionellen CE-zertifizierten GO-Boxen, die über
ein Kabel miteinander verbunden sind.

Da die Split-GO-Box an allen Vertriebsstellen erhältlich ist, kann keinerlei Diskriminierung
vorliegen. Mit dem Zurverfügungstellen von Split-GO-Boxen entspricht der Mautbetreiber der an
ihn gerichteten funktionalen Anforderung, dass das Mautsystem bei allen mautpflichtigen
Fahrzeugen technisch eine Bemautung durchführen kann. Die Split-GO-Box stellt sicher, dass
auch die verschwindend geringe Anzahl von Fahrzeugen mit metallbeschichteten
Windschutzscheiben sicher und zuverlässig bemautet werden kann.


Fragen 5, 6 und 7:

Wie hoch ist die in der Ausschreibung auf Seite 64 unter Punkt 2.1.6 A 29 mit 0,01 v.H.
vorgeschriebene „Fehlerrate", aufgeschlüsselt nach den Monaten Jänner, Februar, März, April, Mai
und Juni 2004?

Welche technischen Testverfahren wurden durchgeführt und wie hoch war die „Fehlerrate" - und
nicht die Erfassungsrate - bei der technischen Abnahme des Probebetriebes unter allen in
Österreich bekannten Wetterbedingungen und wurden die Kriterien ausschreibungskonform
erfüllt?

Wie definieren Sie die von der ASFINAG stets zur Kaschierung technischer Systemfehler bewusst
irreführend angeführte „Erfassungsrate" zum Unterschied von der „Fehlerrate" im Sinne der
Ausschreibungsvorgaben?

Antwort:

Der Begriff „Erfassungsrate" wird im Betreibervertrag nicht verwendet. Es ist anzunehmen, dass in
den Fragen der Begriff „Erfassungsquote" gemeint ist.

Die Erfassungsquote gibt im wesentlichen das Verhältnis der Anzahl von mautpflichtigen
Fahrzeugen mit funktionierender GO-Box, bei der eine korrekte Mauttransaktion durchgeführt
wurde, zur Gesamtzahl der mautpflichtigen Fahrzeuge mit funktionierendem Fahrzeuggerät
wieder. Mit der Erfassungsquote kann somit eine Aussage über die tatsächliche technische Güte
eines bereits im Betrieb befindlichen Mautsystems gemacht werden. Die Erfassungsquote wird
monatlich von der ASFINAG ermittelt. Sie beträgt für das erste Halbjahr 2004 durchschnittlich rund
99 % und übertrifft damit bereits deutlich die im Betreibervertrag mit 93 % für das gesamte erste
Betriebsjahr festgelegte Quote, gerechnet über jeweils drei aufeinanderfolgende Kalendermonate.

Bei der „Fehlerquote" handelt es sich hingegen um eine Leistungskennzahl für ein Mautsystem,
das unter Laborbedingungen einem Dauertest unterzogen wird. Sie ist somit für eine Beurteilung
eines bereits im Betrieb befindlichen Mautsystems irrelevant. Es erfolgt daher auch keine
monatliche Neuermittlung der Fehlerquote. Dies wäre genauso wenig sinnvoll wie eine monatliche
Neuermittlung der bereits festgestellten Motorleistung eines Kraftfahrzeuges.

Frage 8:

Können Sie ausschließen, dass der Kärntner Landeshauptmann Dr. Jörg Haider massiv auf das
Vergabeverfahren Einfluss genommen hat und sind Ihnen gegebenenfalls die telefonischen
Gesprächspartner in der entscheidenden Phase der Vergabe bekannt?

Antwort:

Mir ist nicht bekannt, dass Landeshauptmann Dr. Jörg Haider auf das Vergabeverfahren Einfluss
genommen hätte. Der Rechnungshof hat im übrigen bereits festgestellt, dass das
Vergabeverfahren zur Ermittlung des Bestbieters ordnungsgemäß erfolgte.

Frage 9:

Ist Ihnen bekannt, dass der Vertreter des Finanzministeriums in der ASFINAG, Herr Dipl.lng.
Michael Ramprecht, aufgrund massiver Intervention von Landeshauptmann Jörg Haider bei
Finanzminister Karl-Heinz Grasser die Interessen der Autostrade forciert haben soll und auf diese
Weise die Entscheidung im Vergabeverfahren maßgeblich beeinflusst haben soll?


Antwort:

Es ist nicht bekannt, dass Dipl.lng. Michael Ramprecht im Vergabeverfahren zu Gunsten des
später ermittelten Bestbieters interveniert hätte. In diesem Zusammenhang darf ich in Erinnerung
rufen, dass nach österreichischem Aktienrecht Mitglieder des Aufsichtsrates nicht an der
Vorbereitung eines Vergabevorschlages mitarbeiten, sondern ausschließlich über den
Vergabevorschlag des Vorstandes entscheiden.

Fragen 10 und 11:

Sind Sie bereit, angesichts der erdrückenden Faktenlage und zahlreichen Hinweise auf massive
Ungereimtheiten und Manipulationen von Seiten des Ministeriums aus eine umfassende
Rechnungshofprüfung der Ausschreibung des Vergabevorganges und der Systemfunktion
einzuleiten?

Wenn nein, warum nicht?

Antwort:

Wie der Beantwortung der Fragepunkte 8 und 9 zu entnehmen ist, besteht kein Anlass für eine
neuerliche Befassung des Rechnungshofes.

Frage 12:

Welche Verkehrstelematikdienste wie beispielsweise Warnungen auf Autobahnen könnte man mit
dem derzeitigen Mautsystem durchführen und wäre das Mautsystem - sollte sie entgegen Ihren
Ankündigungen eine diesbezügliche politische Entscheidung forcieren - technisch auch für eine
PKW-Maut einsetzbar?

Antwort:

Es ist möglich, mit dem Mautsystem Verkehrstelematikdienste und Mehrwertdienste für die
Kraftfahrzeuglenker zu erbringen. Als Beispiele können hiefür Maßnahmen zur Erhöhung der
Verkehrssicherheit, die Gefahrgutverfolgung und die Automatisierung von Bezahlungsvorgängen
genannt werden. Wie die Erfahrung aus anderen Mautländern zeigt, könnte die
Funkmauttechnologie auch für die Bemautung von Personenkraftwagen eingesetzt werden. Durch
das sehr viel größere Fahrzeugkollektiv wären aber jedenfalls Anpassungen im Vertriebssystem
und wahrscheinlich auch Anpassungen im zentralen Rechnersystem notwendig. Die Einführung
einer fahrleistungsabhängigen Maut für Fahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht
von weniger als 3,5t steht aber nicht zur Diskussion.