1906/AB XXII. GP
Eingelangt am 16.08.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Verkehr,
Innovation und Technologie
Anfragebeantwortung
Die schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 1892/J-NR/2004 betreffend "stillgelegte" Strecken der
ÖBB, die
die Abgeordneten Lichtenberger, Freundinnen und Freunde am 16. Juni 2004 an
mich
gerichtet
haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Zum Motiventell:
Den im Motiventell von Ihnen
erhobenen Vorwurf des Desinteresses und der Untätigkeit muss ich
in aller Deutlichkeit zurückweisen. Vielmehr bin ich und mein Ressort bemüht,
alle mir gesetzlich
zur
Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, um sowohl für die Benutzer als
auch die
Betreiber zufriedenstellende Lösungen zu finden.
Allerdings muss ich einmal mehr
darauf hinweisen, dass die ÖBB hinsichtlich des Absatzbereiches
ein
wirtschaftlich unabhängiges Unternehmen sind und Einflussnahmen durch mich als
Verkehrsminister
daher nur in den engen Grenzen des § 12 Bundesbahngesetz 92 möglich sind.
Auch der Inhalt der ÖBB-Homepage
liegt nicht in meinem Kompetenzbereich. Ich habe daher auch
den
Motiventell Ihrer Anfrage den Österreichischen Bundesbahnen, die als
Infrastrukturbetreiber
für die Zuteilung der Trasse zuständig sind, zur Kenntnis gebracht. Die ÖBB
teilten mir dazu mit,
dass bedauerlicherweise die in der Anfrage angeführte Homepage über die in den
Schienennetz-
Nutzungsbedingungen
veröffentlichten "stillgelegten Strecken" nicht dem aktuellen Stand
entsprach, da es verabsäumt wurde, die Schienennetz - Nutzungsbedingungen im
Laufe des
Jahres
2004 den zwischenzeitlich erfolgten geänderten Rahmenbedingungen anzupassen.
Erst
nach einer
richtlinienkonformen Veröffentlichung der Schienennetz - Nutzungsbedingungen
für den
Fahrplan 2005 im Internet Anfang Dezember
2003 wurde eine Vereinbarung zwischen dem Bund
und dem Land NÖ über die Finanzierung der NÖ Schmalspurbahnen abgeschlossen. In
weiterer
Folge sagte das Land NÖ den ÖBB auch
Zuschüsse für einen bedarfsgerechten Touristik-
Nahverkehr auf den Strecken
Retz-Drosendorf und Hohenruppersdorf - Sulz-Nexing zu.
Aktualisiert stellt sich laut
Auskunft der ÖBB die Liste der "stillgelegten" Strecken, für welche
für
das
Fahrplanjahr 2005 keine Trassenbestellungen entgegengenommen werden, wie folgt
dar:
Göpfritz – Raabs
Waldkirchen - Fratres
Ernstbrunn - Mistelbach
Sulz-Nexing
- Dobermannsdorf
Gaweinsthal-Brünnerstraße
- Mistelbach Lbf
Dobermannsdorf
- Poysdorf
Poysdorf
- Enzersdorf b. Staatz
Zellerndorf
- Sigmundsherberg
Breitstetten
- Orth
Freiland
- Türnitz
Mariazell
- Gußwerk
St.
Aegyd - Kernhof
Lunz - Kienberg-Gaming
Rohr - Bad Hall
Mürzzuschlag - Neuberg
Trofaiach - Vordernberg Mark
Vordernberg Markt - Eisenerz
Wietersdorf - Hüttenberg
Weizelsdorf - Ferlach
Mank - Wieselburg
Siebenbrunn-Leopoldsdorf
- Engelhartstetten
Petronell-Carnuntum - Rohrau Lst
Ergänzend wird dazu von den ÖBB
angemerkt, dass „keine Trassenbestellungen
entgegenzunehmen"
nicht bedeutet, dass prinzipiell für alle angeführten Strecken keine
Trassenbestellungen
erfolgen können. Es bedeutet lediglich, dass diese im gegebenen Fall nicht
unmittelbar, sondern erst nach entsprechenden (lnstandsetzungs-)Maßnahmen zur
Verfügung
gestellt
werden können.
Die konkreten Fragen darf ich als
Vollzugsbehörde für die Einstellung von Strecken gemäß §29
Eisenbahngesetz
i.d.g.F wie folgt beantworten:
Frage 1:
Wo und wie ist der Begriff
„stillgelegte Strecke" eisenbahnrechtlich normiert?
Antwort:
Das Eisenbahngesetz kennt den
Begriff „stillgelegte Strecke" nicht.
Frage 2:
Welche der erwähnten Strecken
sind seit wann eingestellt im Sinne des Eisenbahngesetzes ?
Bitte um
Antwort im einzelnen.
Antwort:
Auf folgenden Nebenbahnen der
Österreichischen Bundesbahnen wurde gemäß § 29 Abs. 1 des
Eisenbahngesetzes
1957 bescheidmäßig die dauernde Einstellung des gesamten
Eisenbahnverkehrs
bewilligt:
1986:
Waldkirchen -
Fratres/Staatsgrenze
1988:
Gaweinstal - Paasdorf Lb.
Paasdorf Lb. - Mistelbach Lb. (Personenverkehr)
Sulz-Nexing - Zistersdorf Stadt
Zistersdorf - Dobermannsdorf
Laa a.d. Thaya Stadt - Zellerndorf - Sigmundsherberg (Personenverkehr)
Markt St.Ägyd am Neuwald - Kernhof
Enzersdorf bei Staatz - Poysdorf
Kienberg-Gaming - Lunz am See
Mariazell -
Gußwerk
Vordernberg Markt - Eisenerz
2001:
Weizelsdorf - Ferlach
Mit Bescheid vom 25.6.2004:
Rohr -
Bad Hall
Für den Abschnitt Paasdorf Lb. - Mistelbach Lb. mit
einer Lange von 712 m ist ein Antrag auf
dauernde Einstellung des Gesamtverkehres
anhängig.
Fragen 3, 4, und 5:
Auf welcher Rechtsgrundlage wird für nicht eingestellte
Strecken das Entgegennehmen von
Trassenbestellungen pauschal abgelehnt?
Steht die auf der Homepage der
ÖBB dargestellte Vorgangsweise im Einklang mit geltendem
Recht?
Steht sie Insbesondere im
Einklang mit
a) §§ 19 und 22 Eisenbahngesetz,
b) § 7 ÖPNRV-G,
c) europarechtlichen Vorgaben für
den Infrastrukturzugang?
Antwort:
Es besteht keine Rechtsgrundlage,
für nicht eingestellte Strecken von Hauptbahnen und vernetzte
Nebenbahnen
die Entgegennahme von Trassenbestellungen pauschal abzulehnen.
Bei der auf der Homepage über
die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen veröffentlichten
"stillgelegten
Strecken" handelt es sich laut Auskunft der von mir befassten ÖBB um eine
„kommerzielle
Information im Rahmen der Schienennetz-Nutzungsbedingungen" und nicht um
einen
eisenbahnrechtlich normierten Begriff. Dabei sollte - wie bereits zum
Motiventell ausgeführt -
lediglich
zum Ausdruck gebracht werden, dass „keine Trassenbestellungen
entgegenzunehmen"
nicht
bedeutet, dass prinzipiell für alle angeführten Strecken keine
Trassenbestellungen erfolgen
können.
Es bedeutet nur, dass entsprechende Trassen nicht unmittelbar, sondern
allenfalls erst
nach
(Instandsetzungs-) Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden können.
Ob die auf der Homepage der ÖBB
dargestellte Vorgangsweise im Einklang mit geltendem Recht
steht, ist grundsätzlich u.a. von der Einordnung der einzelnen Strecken (z.B.
vernetzte oder nicht-
vernetzte
Bahnen) und den Gründen für die Nicht-Entgegennahme (z.B. bereits gemäß § 29
EisbG
eingestellte
Strecken) abhängig und wäre daher im jeweiligen konkreten Einzelfall zu prüfen.
5a):
Neben § 29 EisbG steht § 19
EisbG die Möglichkeit von betriebsbedingten Einstellungen vor.
Das
Eisenbahn(infrastruktur)unternehmen ist gemäß § 19 Abs. 1 EisbG verpflichtet,
die Eisenbahn
einschließlich
der Betriebsmittel und des sonstigen Zugehörs unter Berücksichtigung der
Sicherheit,
der Ordnung und der Erfordernisse des Eisenbahnbetriebes und des
Eisenbahnverkehrs
zu bauen, zu erhalten, zu ergänzen und nach Maßgabe der Rechtsvorschriften
und der Konzession zu betreiben.
Nach § 19 Abs. 3 EisbG hat die
Behörde die gänzliche oder teilweise Einstellung des Betriebes zu
verfügen,
wenn die Sicherheit des Eisenbahnbetriebes nicht mehr gegeben ist.
Nach §22 Abs. 2a EisbG hat das
Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Schieneninfrastruktur
Eisenbahnverkehrsunternehmen
zwecks Zugangs zur Verfügung zu stellen. Nach § 1a ist ein
Eisenbahninfrastrukturunternehmen
ein Eisenbahnunternehmen, das dem Bau und Betrieb von
Haupt-
und Nebenbahnen, dient und darüber verfügungsberechtigt ist. Ausgenommen sind
seit der
Eisenbahngesetznovelle
mit BGBl. I Nr 38/2004 solche Nebenbahnen, die mit anderen Haupt-
oder
Nebenbahnen nicht vernetzt sind, wie z.B. die Mariazellerbahn.
Haupt- und Nebenbahnen sind
vernetzt, wenn über die bloß örtliche Verknüpfung hinaus ein
Übergang von
Fahrbetriebsmitteln ohne Spurwechsel und ohne technische Hilfsmittel
(beispielsweise Rollschemel) stattfinden
kann. Haupt- und Nebenbahnen gelten auch dann als
vernetzt, wenn sie grenzüberschreitend mit gleichartigen anderen
Schienenbahnen in
Nachbarstaaten verknüpft sind.
Während die angeführten
Bestimmungen auch den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur (also der
Strecke
selbst) betreffen, wird in den restlichen Absätzen des §22 EisbG die Führung
von
Eisenbahnverkehr
(also die Beförderung von Personen und Gütern) behandelt.
Abschließend darf ich zu dieser
Frage anmerken, dass für jene Nebenbahnen, für welche eine
Interessentensuche durchgeführt wurde, die ÖBB im Rahmen eines Schreibens im
Jahr 1998
darauf
hingewiesen wurden, „dass innerhalb einer bestimmten noch festzulegenden Frist
-
jedenfalls
während einer laufenden Interessentensuche - keine derartigen Veränderungen an
der
Infrastruktur
vorgenommen werden dürfen, welche eine weitere Abwicklung eines Güterverkehres
gegenüber dem Bestand erschweren bzw. gänzlich unmöglich machen.“
5b):
Die Vorgangsweise der ÖBB steht
meines Erachtens im Einklang mit § 7 ÖPNRV-G. Dieser sieht
die
Sicherstellung eines Grundangebotes vor. Dies setzt allerdings voraus, dass das
Grundangebot auch angenommen
wird.
Das Grundangebot kann aber auch
durch Busverkehrsleistungen sichergestellt werden und setzt
nicht unbedingt den Schienenverkehr voraus. Grundangebote, für die Verkehrsdienstverträge
abgeschlossen
wurden, sind von vornherein ausgenommen, da in diesen Fällen die Infrastruktur
zwingend
vorzuhalten ist.
5c):
Die europarechtlichen Vorgaben
über den Zugang zur Infrastruktur wurden vom Gesetzgeber im
Eisenbahngesetz
1957, zuletzt mit der Novelle BGBl. I 38/2004 umgesetzt ( z.B. § 58 EisbG :
Diskriminierungsfreier
Zugang zur Schieneninfrastruktur, § 59 EisbG: Festlegung der Bedingungen
für
einen Zugang - Schienennetz-Nutzungsbedingungen).
Frage 8:
Welche Handhabe steht
betriebswilligen Eisenbahn(verkehrs)unternehmen gegen diese Haltung
der ÖBB
zur Verfügung?
Antwort:
Einem Eisenbahnverkehrsunternehmen steht die in § 72
EisbG angeführte Möglichkeit der
Anrufung der Schienen-Control Kommission zur
Verfügung, so ferne ein Begehren auf Zuweisung
von Zugtrassen abgelehnt wird.
Hinsichtlich der Aufsichtsführung
ist überdies auf § 77 Abs. 1 EisbG zu verweisen, wonach der
Schienen-Control
GmbH unter anderem die Überwachung der Wahrung der Bereitstellungs- und
Vorlagepflichten
der Eisenbahninfrastrukturunternehmen, der Eisenbahnverkehrsunternehmen,
sonstiger
Eisenbahnunternehmen und der Zuweisungsstellen obliegt.
Fragen 7 und 8:
Was werden Sie unternehmen , um
im Interesse der Güterkunden, der Fahrgäste und sonstiger
Interessierter
auf den erwähnten Strecken für ein Zugsangebot zu sorgen ?
Welche Maßnahmen werden Sie
insbesondere bis wann im einzelnen setzen, um die bereits einer
erfolgreichen
Interessentensuche unterzogenen Strecken einer Ausschreibung mit dem Ziel einer
Überantwortung an betriebswillige Neueigentümer zu unterziehen ?
Antwort:
Sollten Eisenbahnunternehmen zu
langfristiger und intensiver Nutzung der in Rede stehenden
Infrastruktur
bereit sein, wird die ÖBB auf Basis von Verträgen deren Benutzbarkeit
sicherstellen.
Betreffend der einer
erfolgreichen Interessentensuche unterzogenen Strecken ist anzuführen, dass
eine
Überantwortung an betriebswillige Eigentümer erst nach Abschluss und
entsprechend dem
Ergebnis
einer Ausschreibung erfolgen kann. Bis jetzt konnte über die Finanzierung der
Weiterführung
dieser Stracken zwischen Bund und Ländern noch keine Einigung erzielt werden.