1907/AB XXII. GP
Eingelangt am 17.08.2004
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0027-Pr
1/2004
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 1914/J-NR/2004
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Haftentschädigung im Fall Peter Löffler“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Von der Republik Österreich wurde und wird kein Vergleichsangebot gestellt, weil die - den eingeklagten Ersatzansprüchen zugrunde liegenden -Tatsachenbehauptungen und Erwartungen des Klägers, insbesondere zur Höhe seines Verdienstentganges und zu seinem hypothetischen beruflichen Aufstieg, wenn keine Haft erfolgt wäre, auf Grund von grob unterschiedlichen Bewertungen durch Sachverständige höchst strittig waren und zum Teil nach wie vor nicht unstrittig sind. Die Republik Österreich hat bereits ihre – zwar vollstreckbare, aber noch nicht rechtskräftige - Urteilsschuld auf Grund eines Teilurteils in der Höhe von mehreren hunderttausend Euro an Peter Löffler bezahlt und leistet auf Grund dieses Urteils eine monatliche Rente bis Juli 2009 in urteilsmäßiger Höhe. Da der Kläger zur Höhe der Zahlungen nicht an die Öffentlichkeit getreten ist, können aus datenschutzrechtlichen Gründen keine genauen Beträge genannt werden. Die noch offenen Fragen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht müssen vom Obersten Gerichtshof bzw. den Gerichten geklärt werden. Da die Republik die begehrten Zahlungen bereits geleistet hat und laufend Rentenzahlungen leistet, besteht kein Anlass jetzt in Vergleichsgespräche einzutreten.
Zu 2:
Diesbezüglich ist auf die nach wie vor nicht gänzlich geklärten Tatsachengrundlagen (und deren unterschiedliche Bewertung durch Sachverständige) und die daraus abzuleitenden Rechtsfolgen zu verweisen. Zur Höhe des - im Schadenersatzweg - zu leistenden Verdienstentganges erhofft sich die Republik Österreich Ausführungen des Obersten Gerichtshofs von grundlegender Bedeutung, die für alle weiteren Schadensfälle, in denen der (auch private) Schädiger (zB nach einem Unfall) Verdienstentgang zu ersetzen hat, Beispielwirkung entfalten können.
Zu 3:
Zu dieser Frage weise ich auf die zu Frage 1 erfolgten Angaben über die Zahlungen der Republik Österreich hin. Pauschalsätze für den Verdienstentgang bei zu Unrecht erfolgter Inhaftierung bestehen nach dem StEG nicht. Gemäß § 1 StEG hat der Bund dem Geschädigten auf dessen Verlangen nach Maßgabe der Bestimmungen des StEG die durch die strafgerichtliche Anhaltung oder Verurteilung entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile zu ersetzen. Entschädigungsleistungen sind jedoch vom Nachweis eines konkreten Schadens abhängig, der bei den Anspruchswerbern in ganz unterschiedlicher Höhe eintreten kann und – wie im Anlassfall - bei selbstständig Beschäftigten naturgemäß schwieriger nachzuweisen ist als bei unselbstständig Beschäftigten (insbesondere, wenn nicht vom letzten versteuerten Einkommen ausgegangen werden kann). Dies trifft umso mehr für die hypothetische Entwicklung des Einkommens eines Selbständigen über eine Vielzahl von Jahren zu.
Zu 4:
Im Rahmen eines Rechtsstreites muss es den Verfahrensparteien unbenommen bleiben, den für sie günstigsten Rechtsstandpunkt einzunehmen und damit auch den Einwand eines zu berücksichtigenden Vorteilsausgleiches zu erheben. Dies gilt insbesondere auch für den Bund, der schon auf Grund bundesverfassungs-gesetzlicher Vorgaben zur Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit verpflichtet ist. Die Beurteilung der Berechtigung der erhobenen Einwendungen fällt in den Bereich der unabhängigen Rechtsprechung.
Ich ersuche sie um Verständnis, dass ich aus datenschutzrechtlichen Gründen das Vorbringen der Republik Österreich, das nur im Zusammenhang mit dem Vorbringen des Klägers verständlich ist, nicht öffentlich darlegen kann, weil Angaben zu den finanziellen Verhältnissen und Aussichten einer Person zu deren dem Datenschutz unterliegenden Merkmalen gehören.
Im Wege des Schadenersatzes soll beim Ausgleich eines Verdienstentganges jener Zustand erreicht werden, der in finanzieller Hinsicht bestünde, wenn das schädigende Ereignis – im Anlassfall die Haft – nicht eingetreten wäre. Die Höhe des Ersatzanspruches ist daher an Hand der individuellen Lebensverhältnisse und - davon ausgehend - durchschnittlichen Erwartungen für die Zukunft auszumitteln. Welche Beträge im Wege der Vorteilsausgleichung abzuziehen sind, ist nur an Hand des begehrten Betrages und der dafür gegebenen Begründung zu prüfen. Die Formulierung des Prozessstandpunktes obliegt dann allein der Finanzprokuratur als Prozessvertreterin des Bundes (§§ 1, 2 Prokuratursgesetz).
Zu 5:
Der von Peter Löffler angerufene Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte mit Urteil vom 3. Oktober 2000 eine Verletzung des Art 6 Abs 1 EMRK durch die Dauer des gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahrens fest und verurteilte die Republik Österreich zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 100.000 Schilling zuzüglich eines Kostenersatzbetrages von 20.000 Schilling. Der Gerichtshof wies in der Entscheidungsbegründung an die Verpflichtung der Staaten hin ihr Gerichtswesen so zu organisieren, dass jedermann das Recht zugestanden werde, eine endgültige Entscheidung innerhalb angemessener Zeitdauer zu erhalten. Er würdigte zwar die Komplexität des Verfahrens, sah diese jedoch nicht als ausreichend an, die tatsächliche Verfahrensdauer zu rechtfertigen. Hinzuweisen ist, dass der Gerichtshof lediglich einen kleinen Bruchteil des vor dem EGMR vom Beschwerdeführer in der Gesamthöhe von insgesamt über zwei Millionen Schilling geltendgemachten Schadenersatzbetrages zugesprochen hat, und sich dieser Zuspruch im Rahmen der üblichen Höhe der nach Art 41 EMRK durch den Gerichtshof zugesprochenen Entschädigungsbeträge bewegte.
Zu 6:
Die bisher veranlassten Zahlungen wurden ausschließlich aus dem Justizbudget getragen, zumal hier bislang noch keine Bescheinigung eines (grob) schuldhaften Verhaltens von Organen, die organisatorisch nicht der Justiz zuzurechnen sind, erfolgt ist.
Zu 7:
Was die Neugestaltung der „Strafrechtlichen Entschädigung“ angeht, werde ich dem Ministerrat nach Abschluss der hiefür erforderlichen Arbeiten und nach Abklärung der noch offenen Fragen – insbesondere der budgetären Bedeckung - einen Gesetzesentwurf für ein „Strafrechtliches Entschädigungsgesetz 2005“ vorlegen. Ich hoffe, dass es gelingen wird, dieses Vorhaben dem Nationalrat noch rechtzeitig zur parlamentarischen Behandlung im Herbst dieses Jahres zuzuleiten.
. August 2004
(Maga. Karin Miklautsch)