1908/AB XXII. GP

Eingelangt am 17.08.2004
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BM für Justiz

 

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0028-Pr 1/2004

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 1918/J-NR/2004

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Hotline – „0800112 112 – Notruf für Opfer“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die Einrichtung "Notruf für Opfer" nicht im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz eingerichtet wurde, sondern es sich dabei um ein Projekt des Vereins „Mein Recht auf Kontrolle - Verein für Abrechnungskontrolle“ (kurz: VfAk) handelt. Zur Realisierung dieses Projektes trat der VfAk im Jahr 2003 an das Bundesministerium für Justiz mit einem Förderungsansuchen heran, welches in weiterer Folge bewilligt wurde (bislang wurde die erste von zwei Raten ausbezahlt). Da das Wesensmerkmal derartiger Förderungen unter anderem darin besteht, dass nicht verbrauchte Förderungsbeträge rückzuerstatten sind, ist es insofern missverständlich, von einem "Jahresbudget" zu sprechen. Der in den Medien kolportierte Betrag von 500 000 Euro ist daher nur unter der Maßgabe der obigen Ausführungen richtig.

Zu 2, 12 und 13:

Derzeit ist die Projektdauer auf ein Jahr limitiert. In diesem Zeitraum wird der nicht nur in Zahlen messbare Erfolg dieser Hotline ständig überprüft. Über die Gewährung von weiteren Forderungen in der Zukunft wird erst im Licht der Ergebnisse der laufenden Evaluierung entschieden werden.

 

Zu 3:

Die Finanzierung dieser Hotline erfolgte nicht aus den im Rahmen der Diversion eingehobenen Geldern. Die Einnahmen aus der Diversion werden nicht vom Bundesministerium für Justiz vereinnahmt, sondern fließen zunächst ‑ nicht zweckge­bunden ‑ ins Bundesbudget. Die Höhe der für die Opferhilfe zur Verfügung stehenden Mittel ergibt sich aus dem jeweiligen Bundesvoranschlag abzüglich allfälliger vom Bundesminister für Finanzen verfügter Bindungen.

Die Finanzierung der Hotline erfolgte aus dem VA‑Ansatz Nr. 1/30006-7666 (Förderung von Opferhilfeeinrichtungen). Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass dieses Projekt wesentlich günstiger war als vergleichbare Leistungen bereits in der Vergangenheit an das Bundesministerium für Justiz herangetragener Förderungsansuchen.

Dem Vorschlag, die im Opferschutz tätigen Einrichtungen, die ihren Focus auf den Kinder- und Frauenschutz vor männlichen Tätern richten, vermehrt finanziell zu unterstützen, kann zwar prinzipiell zugestimmt werden, doch kommt die Zuständigkeit für den Bereich des Opferschutzes nicht dem Bundesministerium für Justiz, sondern dem Bundesministerium für Inneres zu (vgl. Anlage F zu § 2 Bundesministeriengesetz, BGBl.Nr. 76/1986 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 17/2003).

Zu 4:

Wie dieser Eindruck entstehen kann, ist nicht nachvollziehbar. Die Hotline „Notruf für Opfer“ ist eine Einrichtung, die allen Personen – unabhängig von ihrem Alter oder Geschlecht – zugänglich ist.

Zu 5:
Die Einnahmen aus Geldstrafen, aus Geldbußen (§§ 90b und 90c StPO) sowie aus Gebühren und Ersätzen in Strafsachen ergeben sich aus nachstehender Tabelle:

 

Jahr

Einnahmen aus Geldstrafen

 

Einnahmen aus Gebühren und Ersätzen in Strafsachen

Einnahmen aus Geldbußen

(§§ 90b und 90c StPO)

 

Summe

1999

21,910.000,--

8,180.000,--

- - - - -

30,090.000,--

2000

16,580.000,--

6,140.000,--

              8,840.000,--

31,560.000,--

2001

15,770.000,--

5,520.000,--

9,750.000,--

31,040.000,--

2002

16,980.000,--

5,140.000,--

9,970.000,--

32,090.000,--

2003

17,230.000,--

4,660.000,--

10,380.000,--

32,270.000,--

2004 (bis 31.5.2004)

6,490.000,--

2,010.000,--

3,900.000,--

12,400.000,--

Summe

94,960.000,--

31,650.000,--

42,840.000,--

169,450.000,--

 

Zu 6:

Der Bedarf für eine derartige Einrichtung ist dem Bundesministerium für Justiz bereits seit dem Jahr 2002 auf Grund einer damals in Auftrag gegebenen Studie zum Thema „Lokalisierung und Leistungsangebote von (Verbrechens‑)Opferhilfe­ein­richtungen in Österreich“ bekannt. Diese Studie wurde vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie Wien (IRKS) im Wege einer Befragung der verschiedenen Opferhilfeorganisationen erstellt. Dabei wurde festgestellt, dass es zum damaligen Zeitpunkt an die 200 (!) Opferhilfeorganisationen gab und ein Überblick über die verschiedenen Tätigkeiten und Aufgaben dieser Vereine selbst für Experten nur schwer möglich war. Des weiteren kam bei dieser Studie hervor, dass die telefonische Erreichbarkeit von verschiedenen Opferhilfe­einrichtungen sehr unterschiedlich bzw. teilweise stark eingeschränkt ist, weshalb in diesem Bereich Verbesserungen als wünschenswert erachtet wurden. Der in der vorliegenden Anfrage geäußerten Auffassung, wonach im Bereich des Opferschutzes bereits "professionell agierende Strukturen" bestünden, kann daher in dieser Form nicht vorbehaltlos zugestimmt werden. Für Personen, die Opfer eines Verbrechens wurden, gab es bis zur Errichtung dieser Hotline keine einzige Stelle, an die sie sich - unabhängig von Geschlecht, Alter, Wohnort und Art des Anliegens - zu jeder Tages- und Nachtzeit wenden konnten und bei der sie kostenlos professionelle Hilfe erhielten. Bedenkt man die bei Verbrechensopfern regelmäßig vorhandene psychische Ausnahmesituation, kann man sich unschwer vorstellen, wie schwierig es für diese Personen gewesen ist, aus der Vielfalt und dem unterschiedlichen Leistungsanbot die im konkreten Fall passende Opferhilfe­organisation ausfindig zu machen. Nunmehr besteht für Opfer von Verbrechen eine qualitativ hochwertige, kostenlose und rund um die Uhr erreichbare Servicestelle, die darüber hinaus auch noch eine leicht merkbare Nummer aufweist (Kombination der gebührenfreien Vorwahl 0800 mit der zweimaligen Eingabe des Euronotrufs 112), wodurch ein entscheidender Fortschritt im Bereich der Opferhilfe gelungen ist.

Die obengenannte Studie des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie Wien (IRKS) ist angeschlossen.

Zu 7:

Das Konzept für diese Hotline stammt von dem dieses Projekt durchführenden VfAk.

Zu 8:

Dieses Projekt wurde nicht öffentlich ausgeschrieben, weil es sich hiebei nicht um die Vergabe eines Auftrages, sondern um eine Förderung handelt, um die der VfAk an das Bundesministerium für Justiz mit einem Förderungsansuchen herangetreten ist.

Zu 9 und 10:

Der Projektgegenstand ist die Einrichtung einer österreichweit Tag und Nacht erreichbaren Hotline für alle Opfer eines Verbrechens. Zur Absicherung einer kompetenten Hilfe erfolgt die telefonische Beratung unter absoluter Verschwiegenheitspflicht und Anonymität durch Rechtsanwälte/innen. Die Beratung soll sich nicht nur auf rechtliche Belange beschränken, sondern Opfer über sämtliche ihrer Möglichkeiten informieren. Über die Hotline soll den Opfern in der konkreten Situation Hilfe geleistet werden, wobei dies unter anderem auch dadurch erfolgen soll, dass sie an die im konkreten Fall geeignetste Stelle weitervermittelt werden. Hiedurch soll es zu einer Vernetzung der bereits bestehenden Hilfseinrichtungen und zu einer besseren Übersicht über die nach wie vor zersplitterte Opferhilfelandschaft kommen.

Ergänzend wird auf die im Internet unter www.notruffueropfer.at abrufbaren Informationen hingewiesen.

Zu 11:

Der Sitz und gleichzeitig die Koordinationsstelle des VfAk befindet sich im Bundesministerium für Justiz, Museumstraße 7, 1070 Wien. Vom VfAk wurden für die Koordination der Hotline keine neuen Arbeitsplätze eingerichtet, sondern lediglich die Aufgabengebiete bereits vorhandener Mitarbeiter verschoben. Derzeit wird dieses Projekt von drei Personen (davon eine ehrenamtliche Mitarbeiterin) neben ihren sonstigen Tätigkeiten betreut.

Zu 14:

Beim VfAk besteht eine Schaltzentrale. Die Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen selbst sind mit Mobiltelefonen ausgerüstet und können extern die notwendigen Schaltungen vornehmen.

Zu 15:

Die Weiterverweisung erfolgt - soweit den Personen nicht unmittelbar geholfen werden kann - an die für diesen Fall kompetenten Opferhilfeorganisationen und Behörden. Gespräche mit diesen Einrichtungen wurden vor Beginn dieses Projekts und werden auch laufend geführt, wobei mit Einrichtungen in allen Bundesländern Kontakt aufgenommen wurde.

Zu 16:

Die Auswahl der 13 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen erfolgte durch den VfAk in Kooperation mit der Rechtsanwaltskammer Wien.

Zu 17:

Derzeit sind beim VfAk acht Rechtsanwältinnen und fünf Rechtsanwälte tätig.

Zu 18:

Das Rechtsverhältnis zwischen dem VfAk und den von diesem Verein beauftragten Rechtsanwälten/innen wird von diesen Vertragspartnern autonom geregelt.

Zu 19:

Es ist richtig, dass die vom VfAk den eingesetzten Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen bezahlte Entschädigung 30 Euro inkl. USt pro Stunde beträgt. Das jährlich auszubezahlende Honorar kann derzeit allerdings noch nicht abgeschätzt werden, weil dessen Höhe von den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängig ist.

Bei der Festsetzung des Entschädigungsbetrages von 30 Euro pro Stunde wurde davon ausgegangen, dass der Mittelwert für das Honorar eines nicht länger als eine halbe Stunde dauernden Telefonats eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin bei ca. 60 Euro inkl. USt liegt. Bedenkt man, dass der Tarif von 30 Euro pro Stunde sowohl am Tag, in der Nacht und auch an Wochenenden und Feiertagen gilt und es den eingesetzten Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen in der Zeit ihres Bereitschaftsdienstes nicht möglich ist, Verhandlungen oder Beratungsgespräche durchzuführen, ist es höchst erfreulich, dass es gelungen ist, 13 erfahrene Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen zur Mitarbeit an diesem Projekt zu gewinnen.

Zu 20 und 21:

Die vom VfAk eingesetzten Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen waren schon vor dem Projektbeginn im Bereich der Opferhilfe tätig und hatten bereits in der Vergangenheit Seminare über die psychologische Betreuung von Verbrechensopfern absolviert. Darüber hinaus waren sie auch bei verschiedenen Opferhilfeorganisationen tätig und verfügten dadurch schon vor Projektbeginn über entsprechende Erfahrung. Zusätzlich wurde vor dem Start der Opferhilfehotline eine Schulung durch Ass.-Prof. Dr. Brigitte Lueger-Schuster, einer allgemein anerkannten Expertin bei der Behandlung traumatisierter Opfer, die auch für die Stadt Wien im Rahmen der Akutbehandlung tätig ist, durchgeführt.

Zu 22:

Der VfAk entwickelt derzeit gemeinsam mit anderen Opferhilfeorganisationen weitere Fortbildungsmaßnahmen, wobei momentan ein Projekt mit dem Verein „Neustart“ durchgeführt wird.

Zu 23 und 24:

Die Auswahl der für eine anrufende Person zuständigen Opferhilfeorganisation erfolgt zunächst nach fachlichen Gesichtspunkten. In einem nächsten Schritt wird die örtlich nächstgelegene Stelle ermittelt. Da die Anrufer auf Grund der immer wieder gegebenen Komplexität ihrer Situation nicht in ein „Punkteschema“ eingeteilt werden können, wurde auf die Erstellung eines Kriterienkataloges verzichtet. Die Vermittlung erfolgt anhand der Erfahrungen der Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen und nach den Umständen des Einzelfalles. Die weiteren Erfahrungen werden zeigen, ob die Entwicklung eines "Kriterienkataloges" sinnvoll ist bzw. ob eine derartige Maßnahme nicht kontraproduktiv - im Sinne einer Überfrachtung des Beratungsgespräches - wirken könnte.

Zu 25:

Diese Frage kann nur mit gewissen Unsicherheiten beantwortet werden, weil der Förderungszeitraum noch nicht beendet ist und daher noch keine endgültigen Ergebnisse vorliegen; zum anderen besteht eine weitere Schwierigkeit darin, dass die vom VfAk eingesetzten Mitarbeiter neben der Betreuung der Opferhilfehotline noch weitere Tätigkeiten durchführen und dabei Intensität und Dauer zwischen diesen Bereichen stark variieren: Während zu Beginn eine stärkere Belastung auf Grund der Installation und Bewerbung dieser Hotline gegeben war, müssen sich nunmehr die Handlungsabläufe automatisieren. Hiezu werden laufend Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt. Darüber hinaus unterliegt auch der Informationsaufwand für dieses Projekt einem ständigen Wandel, sodass sich bei einer Fortführung dieser Hotline die  PR-Maßnahmen in nächster Zeit sicherlich beträchtlich reduzieren werden. Die laufenden Kosten werden daher erst zu Beginn des 4. Quartals 2004 einigermaßen gesichert beziffert werden können. Unter Berücksichtigung dieser Unsicherheiten wäre vorerst lediglich folgende Schätzung möglich:

 

Position

Geschätzter jährlicher
Gesamtaufwand (in Euro)

Löhne, Gehälter, Lohnnebenkosten

18.200

Information der Öffentlichkeit

20.000

Telekommunikation/Internet

18.000

Sonstiger Sachaufwand

3.600

Summe

59.800

 

Zu 26:

Nach dem Bundesministeriengesetz, BGBl.Nr. 76/1986, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 17/2003, kommt dem  für Gesundheit und Frauen keine Kompetenz im Bereich des Opferschutzes zu. Im Übrigen wird diesbezüglich auf die Antworten zu den Fragen 1, 6 und 8 verwiesen.

Zu 27:

Selbstverständlich ist mir bekannt, dass manche, jedoch nicht alle dieser Opferhilfeorganisationen sowohl psychosoziale als auch juristische Hilfe anbieten. Das Bundesministerium für Justiz fördert auch einige dieser Opferhilfeorganisationen im Rahmen der juristischen und psychosozialen Prozessbegleitung. Aufgabe der eingesetzten Rechtsanwälte/innen ist, den Anrufern/innen unter anderem eine erste kostenlose rechtliche Beratung anzubieten. Durch den Einsatz von Rechtsanwälten/innen ist sichergestellt, dass eine juristisch qualifizierte Beratung erfolgt. Der Hinweis auf die Weiterverweisung an Opferhilfeorganisationen, "wenn psychologische Hilfe notwendig ist", erfolgte ausschließlich um nicht der Eindruck zu erwecken, dass die hier tätigen Rechtsanwälte/innen im Fall juristischer Fragen nicht selbst Auskunft geben und Anrufer wiederum weiterverweisen. Darüber hinaus vermitteln die Rechtsanwälte/innen, wenn den Anrufern/innen ad hoc nicht geholfen werden kann und eine weitere juristische Betreuung notwendig ist, die Hilfesuchenden selbstverständlich an die für ihren Fall kompetenten Opferhilfeorganisationen weiter.

Die des weiteren beanstandete Formulierung „die Anrufer“ wurde ausschließlich aus sprachlichen Gründen verwendet und geschah nicht in der Absicht, zwischen männlichen und weiblichen Adressaten zu unterscheiden. Es ist wohl auszuschließen, dass sich bei diesem Mehrzahlausdruck weibliche Anrufer nicht angesprochen fühlen. Vielmehr sollte dieser Text in möglichst einfacher Form hilfesuchende Personen - egal welchen Geschlechts - auf dieses Hilfsangebot hinweisen. Wie bereits zuvor erwähnt, befinden sich diese Personen regelmäßig in einer psychischen Ausnahmesituation. Ihnen soll rasch geholfen werden. Eine Überfrachtung dieses Textes wurde daher bewusst vermieden. Dass in manchen Fällen derartige Ungenauigkeiten in Kauf genommen werden müssen, kann auch aus der vorliegenden Anfrage abgeleitet werden, in der ebenfalls bei den Fragen 16), 18) und 25) keine geschlechterspezifische Unterscheidung vorgenommen wurde. Aber auch in diesen Fällen würde wohl niemand annehmen, dass nur männliche Personen gemeint sein könnten.

Wie ich bereits bei meinem Amtsantritt hervorgehoben habe, sind mir gerade frauenspezifische Themen ein großes Anliegen.

 

16. August 2004

 

(Maga. Karin Miklautsch)