2025/AB XXII. GP

Eingelangt am 08.09.2004
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0042-Pr 1/2004

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2082/J-NR/2004

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Strafvollzug in Österreich“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Bis zur Strafvollzugsnovelle 1993 sah § 103 Abs. 2 Z 5 StVG als besondere, letztlich durch den Anstaltsleiter anzuordnende Sicherheitsmaßnahme unter anderem die Unterbringung in einem Gurtenbett vor. Seit 1. Jänner 1994 ist durch die Strafvollzugsnovelle 1993 die Festhaltung in einem Gurtenbett als besondere Sicherheitsmaßnahme nach § 103 StVG nicht mehr zulässig. Von dieser nicht mehr zulässigen besonderen Sicherheitsmaßnahme des Strafvollzuges sind alle Maßnahmen im Rahmen einer ärztlich-psychiatrischen Behandlung zu unterscheiden. Dabei ist allgemeine Meinung im Europarat, dass Strafgefangene unter denselben Voraussetzungen wie freie Personen Zugang zu ärztlichen Behandlungsmaßnahmen haben. Rechtlich gesehen besteht ein subjektiv öffentliches Recht des Strafgefangenen auf medizinisch indizierte Maßnahmen (§ 66 Abs. 1 StVG).

Sofern eine Anhaltung in einem medizinischen Bett mit Fixierungsmöglichkeit aus ärztlich-psychiatrischer Sicht im Rahmen der Behandlung des Betroffenen erforderlich ist, hat sie auch innerhalb einer Justizanstalt zu erfolgen. Zum Unterschied von der bis 1994 zulässigen Anhaltung in einem Gurtenbett im Rahmen einer besonderen Sicherheitsmaßnahme ist für die Einweisung in ein medizinisches Bett mit Fixierungsmöglichkeit auf Grund medizinischer Notwendigkeit nicht der Anstaltsleiter sondern der Anstaltsarzt verantwortlich.

Statistische Daten hinsichtlich der Anzahl derartiger Fixierungen liegen nicht vor.

Zu 2:

Der Häftling Ernst K. litt an einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis mit anhaltenden wahnhaften Störungen und massivsten Halluzinationen. Am 14. Juni 2001 vermeinte er, herumfliegende Kugeln würden ihn treffen, worauf er massive Abwehrreaktionen und -bewegungen setzte sowie Teile der Einrichtung seiner Zelle zerstörte.

Der herbeigerufene Anstaltsarzt stellte eine Rissquetschwunde im Bereich der Nase und multiple Hämatome fest und ordnete wegen der Gefahr der Selbstgefährdung die weitere Behandlung in einem Sonderkrankenraum und die Fixierung der rechten oberen und beider unteren Extremitäten an.

Ernst K. verstarb in angegurtetem Zustand im Krankenbett.

Laut Gutachten des vom Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Krems a.d. Donau bestellten gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. Wolfgang Denk, Facharzt für gerichtliche Medizin, vom 8. April 2002, „...ist Ernst K. an den Folgen eines mechanischen Darmverschlusses im Bereich von vorbestehenden Verwachsungen in der Bauchhöhle infolge Herz-Kreislaufversagens eines natürlichen Todes gestorben ...  Das Anlegen der Sicherheitsgurte ... steht mit dem Auftreten der Darmlähmung nicht in ursächlichem Zusammenhang“.

Zu 3 und 5:

Der Staatsanwaltschaft Krems a.d. Donau wurde der Bericht des Gendarmeriepostens Krems/Donau vom 30. Juni 2001 samt Fotos der angegurteten Leiche des Ernst K. am 2. Juli 2001 übermittelt. Dieser Bericht wurde am selben Tag zum Akt des Landesgerichtes Krems a.d. Donau weitergeleitet.

Das Bundesministerium für Justiz erlangte von diesen Fotos durch die Übersendung des Gerichtsaktes im Zuge der Berichterstattung durch die Staatsanwaltschaft Krems a.d. Donau am 24. April 2002 Kenntnis.

Die in der Zeitschrift „Falter“ Nr. 28/04 auf den Seiten 12 und 13 enthaltenen Fotos der Leiche des Ernst K. sind mit Ausnahme des ganz rechts angeordneten Fotos auf Seite 13 Bestandteil des Gerichtsaktes.

Zu 4:

Mit Genehmigung des Bundesministeriums für Justiz vom 29. April 2002 hat die Staatsanwaltschaft Krems a.d. Donau am 15. Mai 2002 die Erklärung gemäß § 90 Abs. 1 StPO abgegeben, weil die Fixierung des Strafgefangenen Ernst K. im Krankenbett aus medizinischer Sicht geboten und der Eintritt des Todes auf eine natürliche Ursache zurückzuführen war.

Eine Weisung des Bundesministeriums für Justiz ist nicht erteilt worden.

Zu 6:

Fast alle Fotos, die in der Zuschrift „Falter“ abgedruckt sind, und darüber hinaus noch andere, weit aussagekräftigere Bilder befinden sich im Gerichtsakt. Indizien für strafrechtlich relevante Vorkommnisse in diesem Zusammenhang (Vorenthalten von Beweismaterial) liegen daher nicht vor.

Zu 7:

Im Maßnahmenvollzug gem. § 21 Abs. 1 StGB wurden am 1. Juli 1984 136 Personen und am 1. Juli 2004 344 Personen angehalten.

Die Aufnahmekapazitäten der Justizanstalt Göllersdorf sowie der psychiatrischen Abteilungen in den Justizanstalten Wien-Josefstadt und Wels betragen insgesamt 146 Insassen. Die weiteren Insassen werden in Psychiatrischen Krankenanstalten angehalten.

Am 1. Juli 1984 wurden 124 Personen und am 1. Juli 2004 310 Personen im Maßnahmenvollzug gem. § 21 Abs. 2 StGB angehalten.

Die Aufnahmekapazität der Justizanstalt Wien-Mittersteig und deren Außenstelle Floridsdorf beträgt 132 Insassen. Die weiteren Insassen werden in den Sonderabteilungen für den Maßnahmenvollzug der Justizanstalten Stein (64), Graz-Karlau (60), Garsten (37), für Jugendliche Gerasdorf (15) und vereinzelt in Gerichtshofgefangenenhäusern (Warten auf Klassifizierungsentscheidung) sowie Psychiatrischen Krankenanstalten angehalten.

Die geschätzte Anzahl psychiatrisch/psychisch kranker Strafgefangener in den Justizanstalten einschließlich  schwerer Formen der Suchterkrankung beträgt im Durchschnitt österreichweit ca. 30 % und differiert von Anstalt zu Anstalt. Die höchste Belastung haben die Justizanstalten Stein und Wien-Josefstadt. Die Anzahl der psychisch kranken Strafgefangenen steigt von Jahr zu Jahr; genaue Daten stehen nicht zur Verfügung.

Zu 8:

 

Kalenderjahr

Monatsstunden

Kalenderjahr

Monatsstunden

1985

486

1995

639

1986

556

1996

642

1987

568

1997

670

1988

568

1998

687

1989

571

1999

727

1990

576

2000

764

1991

576

2001

714

1992

600

2002

824

1993

640

2003

839

1994

678

2004

839

Die Summe der Monatsstunden bezieht sich auf die durchschnittliche Zahl der beschäftigten Psychiater einschließlich der für Verträge gebundenen Planstellenanteile.

Zu 9:

Die angesprochene besonders gesicherte Zelle der Akutabteilung der Justizanstalt Göllersdorf steht nach wie vor in Verwendung.

Zu 10:

In sämtlichen Justizanstalten Österreichs stehen besonders gesicherte Zellen gemäß § 103 Abs. 2 Z 4 StVG zur Verfügung, die in unterschiedlicher Art und Weise ausgestaltet sind. 

Zu 11:

Im Bundesministerium für Justiz werden beginnend mit Jänner 2002 über Misshandlungsvorwürfe von Insassen gegen Strafvollzugsbedienstete Aufzeichnungen geführt. Daraus ergeben sich mit Stichtag 28. Juli 2004 folgende Zahlen:

JA Garsten:    2
JA Graz-Jakomini: 4
JA Graz-Karlau: 2
JA Korneuburg: 1
JA Ried im Innkreis: 2
JA Wien-Josefstadt: 16
JA Linz: 4
JA Steyr: 1
JA für Jgdl. Wien-Erdberg: 2
JA für Jgdl. Gerasdorf: 1
JA Stein: 1
JA Feldkirch: 1
JA Wien-Simmering: 1
JA Wr. Neustadt: 4
JA Eisenstadt: 1
JA St. Pölten: 1
JA Klagenfurt: 1

Gesamt: 45

Festzuhalten ist, dass in dieser Zahl nur Anzeigen wegen Misshandlungsvorwürfen (also im Wesentlichen wegen §§ 83 ff. und/oder § 312 StGB), nicht aber sonstige Anzeigen gegen Strafvollzugsbedienstete enthalten sind. Ferner ist zu bemerken, dass diese Evidenz auf Grund der Berichte gemäß Punkt II.2. lit. b des Erlasses des Bundesministeriums für Justiz, JMZ 604.001/6-II 3/87, erstellt wurde. Es sind daher nur jene Fälle erfasst, die den staatsanwaltschaftlichen Behörden zur Kenntnis gelangt sind und in denen ein Bericht an das BMJ erstattet wurde. In der weit überwiegenden Anzahl dieser Fälle wurde das Strafverfahren durch Anzeigerücklegung bzw. Einstellung nach § 90 Abs. 1 StPO beendet.

Zu 12:

Seit der Übersiedlung der Justizanstalt Wien-Erdberg langten bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Wien zwei Anzeigen, jeweils gegen jugendliche Häftlinge, wegen des Verdachtes der Vergewaltigung an Mithäftlingen ein.

Ein Verfahren wurde am 15. Jänner 2004 mit Schuldsprüchen gegen drei  Angeklagte beendet.

Das zweite Verfahren befindet sich im Stadium gerichtlicher Vorerhebungen.

Zu 13:

Ich kann nicht nachvollziehen, was mit „Auskunftsverweigerung von MitarbeiterInnen des BMJ“ gemeint ist. Generell kann dazu festgehalten werden, dass auf Grund des Medienerlasses des Bundesministeriums für Justiz vom 12. November 2003, JMZ 4410/9-Pr1/2003, insbesondere aus Gründen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten von Insassen in Angelegenheiten des Straf- und Maßnahmenvollzugs grundsätzlich nur die Medienstelle des Bundesministeriums für Justiz Auskünfte erteilt.

 

. September 2004

 

(Maga. Karin Miklautsch)